Hochhäuser in Berlin: Senatsbaudirektorin Lüscher bereitet ein neues Leitbild vor
Der Hochhausplan für Berlin soll sich mehr am Bestand orientieren. Für bestehende Bauvorhaben bedeute es aber keinen Stillstand, betont Regula Lüscher.
Die Hochhausdebatte in der Hauptstadt kommt wieder in Gang. Das Baukollegium Berlin will sich in seiner nächsten Sitzung am 5. Dezember mit dem Standort Alexanderplatz befassen. In dieser Woche wurde durch einen Bericht in der „Berliner Zeitung“ bekannt, dass Galeria Kaufhof Ideen für ein Hochhaus neben seinem Warenhaus an diesem Standort hat. Entsprechend dem im April 2000 festgesetzten Bebauungsplan I-B4a ist auf dem Baublock D7 neben der bereits erfolgten südöstlichen Erweiterung des Galeria-Kaufhof-Gebäudes auch eine Erweiterung in nordwestliche Richtung geplant.
Der Baublock D7 ist Teil des überarbeiteten Masterplans für den Alexanderplatz und soll an der Karl-Liebknecht-Straße mit einem bis zu 150 m hohen Turm bebaut werden. Die Kaufhof-Pläne bestätigte unterdessen eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Der Handelskonzern selbst will sich zur vorliegenden Studie noch nicht öffentlich äußern.
Ob die Kaufhaus-Planung in der nächsten Sitzung des Baukollegiums zur Sprache kommt, ist noch offen. Im Baukollegium beraten sechs unabhängige Expertinnen und Experten gemeinsam mit der Senatsbaudirektorin einzelne Projekte und städtebauliche Planungen von gesamtstädtischer und außerordentlicher Bedeutung. Auf der Tagesordnung stehen nach Tagesspiegel-Informationen zunächst die Bauflächen D1-D3. Hier befindet sich derzeit das Hotel „Park Inn“ mit weiteren großflächigen Bauten (wie z. B. Primark). Hier war zunächst der Bau von drei 150 Meter hohen Turmhochhäusern als Solitäre mit jeweils zirka 35 m hohen Sockelbauten geplant.
"Es gibt kein Moratorium"
Die französischen Eigentümer des Park Inn Hotels Foncière des Régions (FdR) wehren sich allerdings gegen den überarbeiteten Kollhoff-Masterplan und haben die Architekten Sauerbruch Hutton mit der Ausarbeitung einer alternativen Bebauung beauftragt. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin) sagte zu dieser Lage auf Anfrage: „Im alten Bebauungsplan waren die beiden Hochhäuser neben dem Park Inn in Bezug auf Höhenentwicklung nicht bestandsorientiert. Eben diese Bestandsorientierung ist aber ein wichtiger Bestandteil der Weiterentwicklung des Hochhausleitbildes. Es gibt also einige Punkte, in denen B-Pläne angepasst werden müssen.“
Nach dem vor zwei Jahren überarbeiteten Masterplan von Hans Kollhoff sollen am Alexanderplatz insgesamt neun neue Hochhäuser entstehen. Infrage gestellt ist neben der Höhenentwicklung der Häuser neben dem Park Inn auch die weitere Entwicklung des Baublockes A12. Das hier beheimatete Haus des Reisens steht inzwischen unter Denkmalschutz. Im alten Masterplan stand es noch zur Disposition. Diese Überlegungen sind zwar vom Tisch. Dennoch könnte dahinter ein Hochhaus errichtet werden – vorausgesetzt, es gibt einen neuen Bebauungsplan.
Lüscher betonte im Gespräch mit dem Tagesspiegel, dass die Arbeiten am Leitbild für die Hochhausentwicklung nicht bedeuten, dass bestehende Bauvorhaben stocken sollen. „Es gibt kein Moratorium“, sagte sie.
Nach Informationen dieser Zeitung wird das neue Hochhausleitbild nach derzeitigem Stand nicht in der Öffentlichkeit, auch nicht in einer Teilöffentlichkeit verhandelt. Gedacht ist an einen Begleitkreis aus Immobilien- und anderen Experten, die je nach Fragestellung hinzugezogen werden.
Russen haben grünes Licht
Ob die exponierten Bauvorhaben dann letztlich auf Senats- oder Bezirksebene genehmigt werden, ist noch offen. Nachgedacht wird in der Senatsbauverwaltung über die Variante, Hochhäuser ab einer bestimmten Höhe beim Senat, niedrigere aber in den Bezirken verhandeln zu lassen. Zudem sollen die einzelnen Hochhausstandorte nicht parzellengenau festgelegt werden.
Am weitesten fortgeschritten ist das Projekt der russischen MonArch-Gruppe neben dem Einkaufszentrum Alexa. Hier gibt es einen Bauvorbescheid (www.alexander-tower.com).
Immer noch in Verhandlungen mit der BVG ist die Baufirma Hines mit Blick auf ihr Hochhausprojekt an der Ecke Alexanderstraße und Otto-Braun-Straße. Direkt am Elektronikmarkt Saturn will Hines – ein amerikanisches, privat geführtes und international breit aufgestelltes Immobilienunternehmen mit Sitz in Houston/Texas – ein 150m hohes Hochhaus errichten. Wegen eines U-Bahn-Tunnels an diesem Bauplatz geht es seit Jahren mit den Planungen nicht voran.
„Die Absicherung des U-Bahn-Betriebs im Untergrund ist die Voraussetzung dafür, dass das B-Plan-Verfahren ausgelöst werden kann“, sagt Lüscher zu diesem Projekt: „Die Absicherung, also eine Einigung mit der BVG über die Übernahme von Kosten für mögliche Schäden liegt noch nicht vor.“ Aus dem Büro von Hines Deutschland in Berlin hieß es auf Anfrage: „Es gibt keinen neuen Stand.“
Umrisse für das Hochhausleitbild
Dies war auch monatelang zu hören, wenn es um die Nachnutzung einer Hochhausimmobilie aus dem Bestand ging. Offenbar kommt das Projekt „Vertical Village“ (altes Postbank-Hochhaus, früher: Postscheckamt Berlin West) in Kreuzberg nun doch langsam auf die Zielgerade. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung muss der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg den zugehörigen Bebauungsplan nochmals in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) bringen: Der Bezirk musste sich wegen Nachfragen zu Fragen des Schulraums noch einmal mit dem Schulamt abstimmen.
Als Umrisse für das Hochhausleitbild zeichnen sich laut Lüscher bereits folgende Qualitätskriterien ab:
- Je höher das Hochhaus, je größer die Nutzungsmischung (z. B. Einzelhandel, Sport, Logistik, Wohnen, Hotel, Arbeitsbereiche, Erholungsmöglichkeiten, Aussichtsplattformen)
- Sichtachsen dürfen nicht verstellt werden
- Schützenswerte Landschaftsräume und Weltkulturerbestätten scheiden als Standorte aus Oberste Geschosse sollten öffentlich zugänglich sein
- Klimaschutz und besondere ökologische Qualitäten spielen bei der Zulassung eine Rolle
- Wie fügen sich die Erdgeschosszonen in den Kontext des Kiezes ein?
- Wie wirkt das Gebäude am Tag und in der Nacht?
- Welche Folgen hat der geplante Hochhausneubau für die Bestandsbauten?
- Wie sehen die Beschattungsszenarien und Abstandsflächen aus?
Auch die WBM soll Hochhäuser bauen
Die Senatsbaudirektorin gab zu erkennen, dass sie Hochhausstandorte eher nicht an der Peripherie sieht: „Für mein Dafürhalten sind zentren-relevante Gebiete mit einer sehr guten öffentlichen Erschließung und Orte, an denen ein Hochhaus in Bezug auf Abstandsflächen keine negativen Folgen hat für Bestandsbauten, mögliche Orte für Hochhäuser.“
Auch die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sollen und können Hochhäuser errichten. So soll die Hochhausplanung an der Karl-Marx-Allee wieder aufgenommen werden, so Lüscher: „Hier hat die WBM große Bestände an einem zentralen Ort. Dieser eignet sich an der einen oder anderen Stelle für weiteren Wohnungsbau. Um dieses Thema voranzubringen, werden wir ein großangelegtes Verfahren gemeinsam mit dem Bezirk und der Wohnungsbaugesellschaft durchführen, in dem auch Bürgerbeteiligung eine zentrale Rolle spielt. Es gab dort ein Vorkonzept, in dem die WBM eine Nachverdichtung mit einzelnen Turmhochhäusern vorgeschlagen hat.“