Wohnen im alten Postturm: Postbank räumt Hochhaus am Landwehrkanal
Das Hochhaus am Halleschen Ufer wird leergezogen. Es soll in einen Wohnturm umgebaut werden. Die Postbank residiert künftig im Spreebogen in Moabit.
In den seit Längerem geplanten Umbau des Geländes am ehemaligen Postscheckamt am Halleschen Ufer in Kreuzberg kommt Bewegung: Nach einer von der Mieterin gewünschten – und gewährten – Verlängerung der Fristen will die Postbank das Hochhaus am Landwehrkanal zwischen April und Juni 2017 freiziehen. 500 Mitarbeiter wechseln an einen prominenten neuen Standort. Die Postbank residiert künftig in den ehemaligen Räumen des Bundesinnenministeriums am Moabiter Spreebogen. Damit sind Überlegungen vom Tisch, die Postbank könnte an der Otto-Suhr-Allee, nahe dem Ernst-Reuter-Platz in Charlottenburg, auf einen neuen Büro-Campus ziehen.
Aus Sicht der Eigentümer, der CG Immobilien Gruppe, kann der Umbau des Gebäudes in einen Wohnturm (Projektname: „Hymat“) nun beginnen. Zwar steht das Projekt in Grundzügen, doch der Bezirk hat noch Vorbehalte, beschäftigt sich in einer Stellungnahme auf Anfrage dieser Zeitung sogar mit der „allgemeinen Vertrauenswürdigkeit der CG-Gruppe“. Im Hintergrund geht es dabei um das umstrittene Bauprojekt Rigaer Straße, das von der CG-Gruppe betrieben wird.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Abteilung Bauen, Planen und Facility Management, fasst seine Bedenken so zusammen: „Besonders im Rahmen eines anderen Bauprojektes in der Rigaer Straße gibt es nach meinem Kenntnisstand umfangreiche Zusagen der CG-Gruppe, was einen späteren Mehrwert für den Kiez angeht,“ so der Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne): „Hier soll ein Kulturhof entstehen, soziale Einrichtungen langfristig preiswerten Gewerberaum erhalten und die Historie des Geländes besondere Beachtung erfahren und präsentiert werden. Davon wurde, so wird mir berichtet, noch nicht sonderlich vieles eingehalten und die CG scheint auch davor zurück zu scheuen, ihre gemachten Zusagen in irgendeiner Form schriftlich zu fixieren. Da wird man sehen müssen, wie sich die Zusammenarbeit mit der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und dem Ausschuss im Rahmen dieses anderen Projektes am Halleschen Ufer weiter gestaltet. Wenn die BVV das Vertrauen in eine mögliche kooperative Zusammenarbeit verliert, wird es vermutlich deutlich schwerer werden, eine Zustimmung zu weiteren Schritten und Bebauungsplanverfahren zu bekommen.“ Derzeit werden im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg „die notwendigen Unterlagen zur Vorbereitung der frühzeitigen Bürgerbeteiligung erarbeitet“.
Eine Stellungnahme zu den Bedenken des Bezirks war von der CG Gruppe bis zum Redaktionsschluss nicht zu erhalten.
Die Postbank-Kundenfiliale will weiterhin in der Nähe bleiben
Neben dem Postbank-Hochhaus mit diversen Anbauten gehören auch eine Grundschule und eine Kindertagesstätte zum „Block 608“-Areal. Ursprünglich wollte die Postbank das markante dunkle 1971 gebaute Postscheckamt bereits im vergangenen Jahr räumen. 2014 hatte sie den 89 Meter hohen Turm an die CG Gruppe verkauft. Wie so oft bei großen Bauvorhaben gab es Verzögerungen im Planungsprozess. Die Beteiligten verständigten sich auf die Verschiebung des Auszugs um ein Jahr, wie von der Postbank zu erfahren war.
„Im zweiten Quartal 2017 verlassen wir das Gebäude am Landwehrkanal und ziehen mit rund 500 Mitarbeitern an den Spreebogen in die Straße Alt-Moabit 101“, sagt Postbank-Sprecher Tim Rehkopf. Bis April 2015 war unter dieser Adresse der gemietete Hauptsitz des Bundesinnenministeriums mit 850 Büroräumen verzeichnet. Der Vertrag lief zwar noch bis Juli 2016. Doch der Standort erschien aus Sicherheitsgründen nicht mehr optimal. So zog die Behörde bereits vor knapp zwei Jahren in einen Neubau am Moabiter Werder – der Steuerzahler kam für die Miete am alten Standort auf.
Was aus der Postbank-Kundenfiliale im Flachbau an der Großbeerenstraße wird, ist noch unklar. „Bis zum Mai passiert erst mal nichts“, hört man am Paketschalter. Die Postbank-Offiziellen stehen noch in Verhandlungen. „Wir führen derzeit Gespräche für einen Verbleib am Standort. Diese Kontakte sind in alle Richtungen offen“, sagt Sprecher Rehkopf. Auf jeden Fall wolle man in der Nähe bleiben und Räume für eine Filiale mieten.
In Kreuzberg soll ein "Vertical Village" entstehen
Demnächst wird sich das Areal zwischen Großbeerenstraße und Möckernstraße am U-Bahnhof Möckernbrücke in einen gigantischen Bauplatz verwandeln. Der Masterplan des Büros Sauerbruch Hutton sieht auf 110 000 Quadratmetern Bruttogeschossflächen ein gemischtes Quartier für Wohnen, Einzelhandel, Büros, Hotel und Kindertagesstätte vor. Ein Grünzug und Parkflächen sorgen für Natur. „Es entsteht ein offener Stadtbaustein von großer typologischer Vielfalt, der das städtische Wohnen in Berlin in eine neue Dimension fortschreibt“, schreibt die Architektengemeinschaft.
Highlight soll das „Vertical Village“ in dem 23-geschossigen Hochhaus werden, das unter dem Namen VauVau vermarktet wird. Dafür hat das Architektenbüro Eike Becker auf 18 000 Quadratmetern Nutzfläche 320 sogenannte Mikro-Apartments vorgesehen mit Flächen zwischen 42 und 82 Quadratmetern. Im Sockel des Turmgebäudes ist eine Kommunikationszone als interaktiver Marktplatz für Begegnungen und Kontakte untereinander und mit Gästen aus dem Kiez geplant. Das hoch gestreckte Village könnte ganz nach dem Geschmack „digitaler Nomaden“ geraten, die sich schon jetzt in Kreuzberg sehr wohl fühlen.
„Temporäres“ Wohnen, Arbeiten oder Studieren in Berlin ist seit einiger Zeit schick, zumal die deutsche Hauptstadt unter den Weltmetropolen immer noch recht kostengünstig dasteht. Die Macher des VauVau versprechen sich vom Umbau des Postscheckamtes Strahlkraft für das ganze Quartier, das ja nur ein paar Minuten Fußweg vom Potsdamer Platz entfernt liegt.
Die CG Gruppe hat sich deutschlandweit auf die Umwidmung von einstigen Bürotürmen in neue Wohnlandschaften spezialisiert. Neben dem Steglitzer Kreisel in Berlin sind noch Projekte in Leipzig, Dresden, Frankfurt am Main, Köln und Düsseldorf mit insgesamt fast 2000 Apartments in der Planungspipeline. Seit November 2016 verantwortet Marcus Hermes das Geschäftsfeld Vertical Village im Unternehmen. Seine Prämisse: „Der weltweite Megatrend der Urbanisierung und Multilokalität erfordert eine neue Definition des Wohnens.“ Die „gestapelten Dörfer“ sollten dem Wohnraummangel in den deutschen Metropolen entgegenwirken.
Im Quartier sind 500 neue Wohnungen vorgesehen, 180 will die Degewo bauen
Neben 305 Turmwohnungen am Landwehrkanal sind im Quartier noch rund 500 weitere Wohnungen vorgesehen. Dabei soll auch ein größerer Anteil mit Nettomietpreisen von 6,50 Euro pro Quadratmeter durch die städtische Wohnungsgesellschaft Degewo realisiert werden. Laut Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung „soll der Anteil von geförderten Wohnungen im Gesamtprojekt bei 25 Prozent liegen,“ schreibt der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg auf Anfrage, „zuzüglich einem freiwilligen Anteil an ,preisgedämpftem Wohnraum’ (Miethöhe nicht genau bekannt), das sind dann insgesamt zirka dreißig Prozent der Wohnflächen“.
„Nach derzeitigem Planungsstand“, so teilt das Unternehmen Degewo auf Anfrage mit, steht die Zahl von 180 im Raum. Auch was die gewünschten und öffentlich geförderten Familienwohnungen betrifft, gibt es laut Degewo noch Besprechungsbedarf: „Die Planungen sind hierzu noch nicht abgeschlossen.“ Man stehe in Vertragsverhandlungen mit der Eigentümer-Gesellschaft. Nach Angaben des Bezirks „wird die Degewo die Gebäude mit dem 25%-igen Wohnanteil nach deren Fertigstellung übertragen bekommen“.
Die CG Gruppe hat sich jedenfalls viel vorgenommen. Im Internet teilt sie mit: „Ab 2017 bricht für das Postscheckamt ein neues Zeitalter an.“ Dahinter ist allerdings noch ein Fragezeichen zu setzen. Einen Aufstellungsbeschluss zur Durchführung des vorgeschriebenen Bebauungsplanverfahrens gibt es bisher nicht.