zum Hauptinhalt
Raom Ubud (Bali). Der U-förmige Komplex in Indonesien wurde 2015 fertiggestellt und hat 24 Zimmer. Ursprünglich standen an dieser Stelle drei Apartmenthäuser.
©  Alexis Dornier/Roam

Sharing Economy: Roaming-Gebühren ersetzen die Mieten

Coliving-Start-up entwickelt neue Wohnformen für Globetrotter. Ein Haus wird auch in Berlin geplant.

Kate Huentelman ist Mitgründerin und Community Manager beim Coliving-Start-up „Roam“. Sie zu erreichen ist gar nicht so einfach. Denn sie lebt und arbeitet gerade auf Bali, wo sie für das „Roam“ in Ubud gemeinsame Abendessen und andere Events für die dortigen Roamer organisiert – so nennen sich die globetrottenden Ortsunabhängigen, die hier zeitweilig wohnen und überall auf der Welt leben und arbeiten können, solange sie eine stabile Internetverbindung haben.

„Normalerweise treffen wir uns immer mittwochs zum Community Dinner in unserer Gemeinschaftsküche und auf der Dachterrasse, aber heute sind wir in einem Restaurant in der Nähe“, erzählt sie. „Unternehmen in der Nachbarschaft zu unterstützen und mit ihnen zusammenzuarbeiten ist uns wichtig.“ Coliving ist nach Coworking und Airbnb der nächste Schritt hin zur Realisierung der Sharing Economy und erobert gerade still und leise den Immobilienmarkt.

Vor allem sogenannte Digital Natives suchen nach einer Alternative zum teuren Serviced Apartment oder dem obligatorischen WG-Zimmer. Für sie bieten Coliving-Häuser vor allem in Metropolen wie San Francisco, New York oder London eine Mischung aus Privatsphäre und Gemeinschaft, arbeiten und wohnen. Dabei stillt die Idee des Coliving einerseits die urmenschliche Sehnsucht nach Gemeinschaft und ermöglicht andererseits eine hohe persönliche Flexibilität hinsichtlich einer Work-Life-Balance – idealerweise auf einer globalen Ebene, so wie bei „Roam“, was auf Englisch soviel bedeutet wie wandern, herumstreifen, streunern.

Roamer bleiben in den Häusern solange, wie sie möchten

Das Start-up, das Anfang des Jahres seine ersten Locations in einem ehemaligen Boutiquehotel auf Bali und dem ältesten Boardinghaus in Little Havana in Miami eröffnet hat, betreibt mittlerweile auch ein „Roam“ in Madrid in einem prachtvollen Stadtpalais, das Ende des 19. Jahrhunderts ursprünglich für den Marques de Villa Magna erbaut wurde. Das Haus in London wird am 1. Dezember am zentral gelegenen Sloane Square eröffnen, dicht gefolgt vom „Roam“ im angesagten Tokioter Stadtteil Rappongi, das ab dem 1. Januar buchbar sein wird. Roamer können dabei solange in einem der Häuser bleiben, wie sie möchten.

Die Kosten betragen pro Suite je nach Aufenthalt zwischen 500 US-Dollar pro Woche und 1800 US-Dollar pro Monat und bieten grundsätzlich Platz für zwei Personen. Abgerechnet wird dabei pro Suite nicht pro Person. Inbegriffen sind alle Nebenkosten wie Strom und Wasser sowie der Zugang zum Coworking-Space und zum Internet.

Lediglich ums leibliche Wohl muss man sich selbst kümmern, was aber nicht selten zusammen mit neuen Freunden, Kollegen und Nachbarn in der Gemeinschaftsküche passiert. „Grundsätzlich bedeutet Coliving für jeden etwas anderes“, sagt die studierte Architektin Huentelman. Für jemanden, der sich beruflich verändert und in eine fremde Stadt zieht, könne ein Coliving-Haus für ein paar Wochen ein Zuhause sein, bevor man sich eine eigene Adresse sucht, oder man bleibt einfach für mehrere Monate und zieht dann weiter oder wieder zurück nach Hause. Wobei man sofort Anschluss hat, wie Huentelman meint. „Man findet sich in der neuen Stadt schnell zurecht, kann gemeinsam mit seinen Mitbewohnern in die lokale Kultur und Lebensweise eintauchen und bekommt ein Zugehörigkeitsgefühl. Das hilft vor allem Ex-Pats.“

Co-Living taugt als Geschäftsmodell für Immobilienbetreiber

Aber Coliving spricht prinzipiell jeden an, der entweder ortsunabhängig arbeitet oder projektweise von Stadt zu Stadt zieht oder sogar im Ruhestand ist und Reisen mit Wohnen verbindet. „Wir suchen doch gerade heute im vernetzten Digitalzeitalter Kontakt zu unseren Mitmenschen“, sagt Christoph Fahle, Mitgründer des Betahauses in Berlin. Anfang des Jahres hat er fünf Wochen im Roam auf Bali gelebt. In der Zeit hat er interessante Menschen kennengelernt und entscheidende Gespräche geführt. Auch wenn Fahle anfangs skeptisch war, sieht er das Potenzial hinter der Coliving-Idee als Geschäftsmodell für Immobilienbetreiber. „Vor ein paar Jahren hätte ja auch keiner gedacht, dass Leute in Berlin 1500 Euro pro Monat für ein Büro für zwei Personen in einem Coworking-Space bezahlen würden. Aber es geht eben nicht nur um einen Raum, sondern um den Mehrwert der Gemeinschaft, um den Austausch und das Zugehörigkeitsgefühl.“

Coliving sei dabei eigentlich nur eine Rückkehr zur Dorfgemeinschaft, die sich auch in der Großstadt etablieren kann und wo der Mensch im Mittelpunkt steht. „Baugruppen sind ja auch eine Form des Coliving“, meint Fahle, der sich Gedanken darüber macht, wie man mehr soziale Verbundenheit in der Stadt realisieren kann und ob Roaming als Lebensstil auch mit schulpflichtigen Kindern funktioniert.

In der Zwischenzeit zieht „Roam“ weiter und plant die nächsten Coliving-Häuser. 2017 wird nach Tokio San Francisco kommen und dann Berlin. „Wir haben eine tolle, zentral gelegene Immobilie im Auge“, verrät Kate Huentelman.

Zur Startseite