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Nette Atmosphäre. Viele Freiberufler bevorzugen es, im Großraumbüro zu arbeiten, statt alleine zuhause oder im Café.
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Coworking: WG für Existenzgründer

Coworking Spaces spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem der Start-ups. Warum Entrepreneurs, die Seite an Seite im gemieteten Großraumbüro tüfteln, so erfolgreich sind.

Ein voller Kopf, aber ein leerer Geldbeutel? Kein Startkapital zu haben ist im Silicon Valley kein Grund, eine gute Idee aufzugeben. Duncan Logan machte vor drei Jahren das Unmögliche möglich: Ohne einen Pfennig Geld eröffnete der gebürtige Schotte 2011 in San Francisco ein sogenanntes Coworking Space. Also ein Großraumbüro, in dem sich Start-up-Unternehmer Schreibtische mieten, um Seite an Seite mit anderen Gründern zu tüfteln.

Die Mietpreise in der zweitteuersten Stadt der USA entmutigten ihn keinesfalls: Logan schlug dem Besitzer eines leerstehenden Bürogebäudes vor, die Räume so lange kostenfrei benutzen zu können, bis bei Logan selbst die ersten Mieteinnahmen eintrudelten. Der Vermieter war einverstanden – RocketSpace geboren. Das erste Mitglied zimmerte sich seinen Schreibtisch noch selbst, heute haben rund 600 Coworker ihren Arbeitsplatz bei RocketSpace. Die Grundidee eines Coworking Space: Sie stellen einen Platz zum Arbeiten und die nötige Infrastruktur wie Telefon- und Internetanschluss, Drucker, Bildschirm oder Beamer zur Verfügung. Die Mietverträge sind meist flexibel, von der unbefristeten Komplettnutzung bis zum Tagespass.

Der Platz ist halb so teuer wie ein normaler Arbeitsplatz

Der Platz in einem Coworking Space ist nur etwa halb so teuer wie ein normaler Arbeitsplatz. Das hat eine Umfrage von „Deskmag.com“ ergeben, einem Magazin, das neue Arbeitsformen thematisiert. Die Kosten sinken, weil die Mitglieder sie teilen – wie in einer Wohngemeinschaft.

Rund 11 000 Menschen arbeiten bundesweit in Coworking Spaces, wie dem Berliner Betahaus.
Rund 11 000 Menschen arbeiten bundesweit in Coworking Spaces, wie dem Berliner Betahaus.
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Doch Logan gründete RocketSpace nicht nur, um Gründern ein günstiges Arbeitsumfeld zu bieten. Er ist überzeugt: „Es ist schwierig, aus der Isolation heraus innovativ zu sein. Besser funktioniert das im Austausch mit anderen Menschen.“ Deshalb sei Coworking so populär geworden.

Die erste Bürogemeinschaft, Spiral Muse, eröffnete 2005 in San Francisco mit nur acht Arbeitsplätzen, gemeinsamen Mittagessen und Meditationspausen. Das Projekt endete nach einem Jahr wieder – doch die Idee lebt weiter. Heute gibt es über 3 000 Coworking Spaces weltweit. Das bringt auch einen handfesten wirtschaftlichen Nutzen. In einer weltweiten Umfrage von „Deskmag.com“ gaben rund 40 Prozent der Befragten an, dass sie seit ihrer Arbeit in einem Coworking Space ein höheres Einkommen erzielten.

Was vor neun Jahren in den USA begann, schwappte 2007 nach Deutschland. Heute arbeiten rund 11 000 Menschen in knapp 300 Coworking Spaces bundesweit. Das wohl bekannteste ist das Betahaus in Berlin – der deutschen Start-up-Metropole. Doch auch von Hamburg bis München, von Köln bis Karlsruhe sprießen die Bürogemeinschaften aus dem Boden. „Coworking Spaces spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem der Start-ups“, sagt Florian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Start-ups. „Viele Gründer in einem Raum fördern nicht nur den kreativen Austausch, sondern ziehen auch Investoren an.“

Manche Coworking Spaces zimmern am wirtschaftlichen Erfolg ihrer Start-ups aktiv mit: RocketSpace etwa pflegt für seine Mitglieder den Kontakt zu Investoren und vermittelt Kooperationen zwischen Start-ups und Unternehmen wie Microsoft, Samsung oder General Motors.

In den Genuss dieses Rundumpakets kommt bei RocketSpace aber nicht jedes Start-up: Nur Tech-Start-ups mit brillanten Ideen jenseits der ersten Finanzierungsrunde haben eine Chance. Denn Qualität geht dem Schotten über alles. „Ein junges Unternehmen ist wie ein junger Mensch – ein Produkt seiner Umgebung. Wenn er von talentierten Menschen umgeben ist, dann wird er auch selbst erfolgreich sein.“ Der elitäre Ansatz von RocketSpace hat schon Start-ups wie den Musikdienst Spotify, die Carsharing-App Uber oder den Cloud-Dienst Podio hervorgebracht.

Manche Coworking Spaces legen ihren Schwerpunkt dagegen auf eine möglichst vielfältige Gemeinschaft, in der auch das Privatleben Platz findet: Beim Coworking Space NextSpace etwa treffen Menschen aufeinander, die sich sonst kaum begegnen würden – vom Rechtsanwalt zum Filmemacher, vom Uniprofessor zum Marketingberater. Sie helfen einander und inspirieren sich zu neuen Ideen. „Viele Mitglieder kommen wegen des Schreibtischs, aber bleiben wegen der Gemeinschaft“, sagt Gründer Jeremy Neuner.

Büro plus Kinderbetreuung ist gefragt

Das liegt auch daran, dass Neuner NextKids zukaufte. Diese Bürogemeinschaft bietet auch Kinderbetreuung an. NextKids-Leiterin Diana Rothschild entwickelte die Idee vor gut zwei Jahren, als sie mit ihrem Baby von zu Hause aus arbeitete. Sie war gefrustet, weil sie sich weder als verlässliche Unternehmensberaterin noch als fürsorgliche Mutter fühlte. Im Juli eröffnete das erste NextKids in San Francisco, gut 20 Familien nutzen das Angebot bisher. Besonders berufstätige Mütter spricht NextKids an. „Frauen können so wieder voll ins Arbeitsleben einsteigen, ohne die Nähe zum Kind aufgeben zu müssen“, sagt Rothschild.

NextSpace-Chef Neuner, der seit der Gründung 2008 bereits neun Standorte rund ums Silicon Valley eröffnet hat, erklärt den Erfolg der Coworking Spaces durch eine „Auflösung der Arbeiterschaft“. Dank Smartphone und Internet könne jeder überall und jederzeit produktiv sein. Viele Unternehmen schaffen deshalb die Bürogemeinschaft ab. „Diese verlorene Gemeinschaft erobern sich Start-ups und Freiberufler mit den Coworking Spaces zurück“, sagt Neuner. HB

Laura-Patricia Montorio

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