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Blickrichtung Hauptbahnhof: Im markanten Hochhaus an der Lehrter Straße sollen Studentenwohnungen entstehen. In der niedrigeren Zeile rechts sind Eigentumswohnungen geplant, links entlang der Bahnlinie Mietwohnungen.
© Sauerbruch Hutton

Potenzialstudie: Platz für 10.000 neue Wohnungen in Mitte

Dem Bezirk kommen die nicht mehr benötigten Bahnflächen und der alte Grenzstreifen zugute.

Für eines der größten innerstädtischen Wohnungsbauvorhaben kann an der Lehrter Straße in Moabit voraussichtlich schon im kommenden Jahr der Grundstein gelegt werden. Dort sollen rund 1000 neue Wohnungen entstehen. Der Bezirk Mitte kommt damit bei seinen Neubauaktivitäten gut voran. Eine Wohnbaupotenzialstudie hatte ergeben, dass bis zum Jahr 2020 noch etwa 10.000 neue Wohnungen entstehen können.

Der vorhabenbezogene Bebauungsplanentwurf für das Gebiet an der Lehrter Straße lag bis zum 25. September 2015 öffentlich aus. Die Groth-Gruppe möchte auf dem ehemaligen Bahngelände unweit vom Hauptbahnhof eine Anlage mit Wohnungen, Nahversorgung, Dienstleistungen und Gastronomie errichten. Es sind 1053 Wohneinheiten geplant. Davon sollen 160 eine öffentliche Förderung erhalten. Eine Festlegung des Areals als allgemeines Wohngebiet ist angestrebt. „Wenn alles gut läuft“, so Stadtrat Carsten Spallek, „wird voraussichtlich noch im Jahr 2016 der erste Spatenstich erfolgen.“

Neubaupotenzial von etwa 17.500 Wohneinheiten

Die umfangreiche Wohnbaupotenzialstudie für Berlin Mitte, angefertigt vom Büro Jahn, Mack und Partner, war vor gut einem Jahr vorgelegt worden und hatte für den Zeitraum von 2011 bis 2020 in den drei Altbezirken Mitte, Tiergarten und Wedding ein Neubaupotenzial von etwa 17.500 Wohneinheiten ermittelt. Davon sind bereits rund 7000 abgearbeitet. In der Europacity an der Heidestraße und in dem Quartier an der Lehrter Straße stehen nun auf ehemaligen Bahnflächen die nächsten Großbauvorhaben an. „Wir sind auf einem sehr guten Weg“, sagt Spallek.

Intensiver Wohnungsbau in ganz Berlin soll helfen, die stark gestiegene Nachfrage nach Wohnraum zu beantworten. Seit 2010 hat sich das Bevölkerungswachstum vor allem durch Zuzug enorm gesteigert. Jahr für Jahr kamen rechnerisch an die 45.000 Neuberliner hinzu, wenn Zuzüge und Auszüge in andere Städte gegengerechnet werden.

Mitte kommen die ehemaligen Grenzstreifen zu Gute

Inzwischen gilt selbst diese Zahl als zu niedrig. Nach jüngsten Prognosen könnte der Zuzug noch über Jahre anhalten und sogar bei mehr als 80.000 per anno liegen. Für den Berliner Senat ist deshalb der Wohnungsneubau ein Gebot der Stunde. Für die Legislaturperiode von 2011 bis 2016 peilt die Landespolitik die Errichtung von 30.000 neuen Wohnungen an, unter anderem in Leichtbauweise.

Der Bezirk Mitte hat mit der Wohnbaupotenzialstudie seine Möglichkeiten geprüft, für Neuberliner Wohnraum zu schaffen. Dabei kommt ihm die Vielzahl nicht mehr benötigter Bahnflächen und ehemaliger Grenzstreifen zu Gute. Durch Bundestag, Kanzleramt, Ministerien und zugeordnete Institutionen erfreut sich das Wohnen in der Mitte der Hauptstadt allergrößter Beliebtheit.

In der 123 Seiten starken Studie von Jahn, Mack und Partner wird die Gesamtfläche des Bezirks nach dem Entwicklungsziel Wohnen abgefragt. Ausgangspunkt ist die Einwohnerprognose für Mitte bis zum Jahr 2020. Danach ist mit einem Zugang von fast 30 000 Bewohnern im Bezirk zu rechnen. Es galt also herauszufinden, ob für diese Gruppe ausreichend Wohnraum bereitgestellt werden kann.

100 potenzielle Bauflächen mit Standortsteckbrief

Die Europacity nördlich des Hauptbahnhofs soll ein Quartier mit insgesamt rund 500 Wohneinheiten werden.
Die Europacity nördlich des Hauptbahnhofs soll ein Quartier mit insgesamt rund 500 Wohneinheiten werden.
© Visualisierung: Promo

Die Autoren haben systematisch sämtliche Quartiere im Bezirk nach Baulücken, Brachen und Freiflächen untersucht und nach Standorten für Wohnungen abgeklopft. Dabei waren Faktoren wie Eigentumsverhältnisse, Bebaubarkeit, aktuelle Nutzung, Planungsrecht und Umfeldqualität zu beschreiben.

Auf diese Weise sind Profile von weit mehr als 100 potenziellen Bauflächen zusammengekommen, die in sogenannten Standortsteckbriefen auf weiteren 200 Seiten detailliert dargestellt werden.

98 Prozent der ermittelten Grundstücke sind in Privatbesitz

Die kleinteilige Untersuchung lieferte nicht nur Material für den Start von Bauvorhaben, sie brachte auch eine interessante Erkenntnis: Danach befinden sich 98 Prozent der ermittelten Flächen in Privatbesitz. Die Möglichkeiten der Bezirksbehörde, Wohnungsbau an diesen Standorten auf den Weg zu bringen, sind damit eingeschränkt.

Die Studie gibt auch Hinweise auf die Sozialstruktur in den einzelnen Gebieten und wirft einen Blick auf die vorhandene Infrastruktur mit Schulen, Kitas und Geschäften. Die Neubautätigkeit solle auch dazu beitragen, Nachbarschaften behutsam weiterzuentwickeln, ist zu lesen. In puncto Architektur wurde geprüft, ob sich Geschosswohnungsbau anbiete, Verdichtung sinnvoll sei und Blockränder geschlossen werden können.

Zu der Bezirksregion Moabit Ost, in der sich auch die Lehrter Straße befindet, zählen Jahn, Mack und Partner auch den Stephankiez, die Turmstraße und das Hansaviertel. In dem Gebiet bestehe ein Mangel an Grünanlagen. Die soziale Situation wird als problematisch gesehen. Dagegen gehört die Fläche an der Lehrter Straße zu den „Neuordnungsgebieten der Nachmauerzeit“. Das Neubauprojekt könnte somit genutzt werden, um Defizite auszugleichen.

Ungewöhnliche Zickzackstruktur am Lehrter Bahnhof

Im Masterplan für das Quartier vom Büro Sauerbruch Hutton, das unter anderem das GSW-Gebäude in Kreuzberg konzipiert hat, ist gleich gegenüber vom Poststadion ein Hochhaus mit bis zu 290 Studentenwohnungen vorgesehen. Die Architektengemeinschaft hatte sich in einem städtebaulichen Auswahlverfahren durchgesetzt und ein Quartier entworfen, das vor allem durch seine ungewöhnliche Zickzackstruktur auffällt.

Im Gespräch ist auch, dass eine städtische Wohnungsbaugesellschaft nach Baufertigstellung die geförderten mietpreisbegrenzten Wohnungen kauft und verwaltet. So soll die soziale Durchmischung gesichert werden. Zur Zeit laufen Verhandlungen mit der Degewo.

Diese Frage birgt aber Zündstoff, denn den Kritikern ist die Anzahl der günstigen Mietwohnungen nicht hoch genug. Dagegen halten die Investoren, dass sich bei einer anderen Konstellation das Projekt nicht mehr rechne. Für diesen Konflikt konnte die Wohnbaupotenzialstudie keine Lösung anbieten.

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