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Blickrichtung Hauptbahnhof: Im markanten Hochhaus an der Lehrter Straße sollen Studentenwohnungen entstehen. In der niedrigeren Zeile rechts sind Eigentumswohnungen geplant, links entlang der Bahnlinie Mietwohnungen.
© Sauerbruch Hutton

Baupläne an der Lehrter Straße in Berlin: 1000 Wohnungen sollen am Hauptbahnhof entstehen

Die Groth-Gruppe will eine ehemalige Bahnfläche an der Lehrter Straße bebauen. Auf der Brache sollen die Wohnblöcke im Zickzack angeordnet werden. Auch ein Hochhaus für Studenten ist in Planung.

Schon erstaunlich, wo in Berlin immer noch riesige Flächen für den Wohnungsbau herkommen. Jetzt wird wieder eine erschlossen. Vom Hauptbahnhof kommend liegt das Gebiet rechts der Lehrter Straße am ersten Abschnitt hinter dem A&O Hostel. Hier will die Groth-Gruppe ab kommendem Frühjahr mehr als 1000 Wohnungen bauen. Die letzten Gebäude sollen drei Jahre später fertig sein.

Ab dem heutigen Montag liegt erst einmal der Entwurf des Bebauungsplans im Bezirksamt Mitte in der Müllerstraße aus. Bis zum 25. September können Stellungnahmen dazu abgegeben werden.

Noch befindet sich hinter der historischen Ziegelmauer auf dem Gelände eine Brachfläche. Was heute städtebauliches Niemandsland ist, war früher Teil des Hamburg-Lehrter-Güterbahnhofs. Er wurde im 2. Weltkrieg stark zerstört. Nach 1945 siedelte sich Gewerbe an, darunter ein Fasshandel und ein Betrieb für historisches Baumaterial. Als letztes übrig gebliebenes Gebäude erinnert der ehemalige Dienstsitz der Bahngesellschaft an die Vorgeschichte des Areals. Es wird heute als Wohnhaus genutzt.

Mini-Apartments für Studenten

Den Masterplan für die Neubebauung erstellte das Büro Sauerbruch Hutton, das selbst in unmittelbarer Nähe residiert. Seine Architekten entwarfen unter anderem das Umweltbundesamt in Dessau. Ihr Plan für die Lehrter Straße sieht eine sehr dichte Bebauung in 20 Blocks vor. Zur Straße hin haben sie sechs Geschosse, zu den Bahngleisen hin acht vorgesehen. In der Mitte steht ein Hochhaus mit 18 Stockwerken. Hier sollen Mini-Apartments für Studenten entstehen. Davor ist ein zentraler Platz mit Einlaufsmöglichkeiten geplant.

Ungewöhnlich ist die im Zickzack versetzte Anordnung der Gebäude. Sie bilden mehrere kleine Innenhöfe. Die Gebäudeblöcke stehen im Abstand von zwei Metern zueinander. Um einen Lärmschutz zur Bahnstrecke hin zu schaffen, sind die Eckpunkte mit Glaswänden verbunden. Die historische Ziegelsteinmauer dagegen wird an einigen Stellen geöffnet, um das Gelände zugänglicher zu machen.

"Super-Blick" mit Lärm von der Bahntrasse

Vorgesehen ist eine soziale Mischung in der Bewohnerstruktur. 158 mietpreisgebundene Wohnungen mit einer Kaltmiete von 6,50 Euro pro Quadratmeter sind geplant, sagt Anette Mischler von der Groth-Gruppe. Weitere 344 Mietwohnungen sollen frei vermietet werden. Die Groth-Gruppe will sie an institutionelle Anleger verkaufen, die sie langfristig in ihren Bestand aufnehmen.

Die 255 geplanten Eigentumswohnungen sollen in den sechsstöckigen Gebäuden zur Straße hin entstehen und ab 3500 Euro pro Quadratmeter kosten. Die Mietwohnungen werden zur Bahnseite liegen, die Kaltmiete soll 9 bis 14 Euro pro Quadratmeter betragen. Hier hat man einen „unverbaubaren Super-Blick“ so Mischler, aber eben auch den Lärm von der Bahntrasse. Die Fassaden an dieser Seite sollen deshalb lärmschluckend ausgelegt sein, jeweils ein Zimmer der Wohnung soll zur lärmabgewandten Seite liegen.

Planung verlief nicht ganz problemlos

Noch riegelt die Bahntrasse das Gebiet gegen die Europacity an der Heidestraße gegenüber ab, wo 2600 Wohnungen entstehen werden. Wer sich für die Entwicklung dort interessiert, kann am 3. September an einer Radtour der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung teilnehmen. Eine Brücke mit Fuß- und Radweg auf der Höhe des Hochhauses soll die beiden Wohngebiete künftig verbinden.

Die Planung für das Areal an der Lehrter Straße verlief nicht ganz problemlos. Ursprünglich war ein Baubeginn für 2014 angepeilt worden. Vor allem die schwierige Lärmsituation habe zu einer langen Bearbeitungszeit des Bebauungsplans geführt, hieß es auf Nachfrage aus dem Amt für Stadtentwicklung. Laut Entwurf werden Orientierungswerte zur Lärmbelastung in einzelnen Gebäuden überschritten, die Innenhöfe seien aber als „ruhig“ einzustufen.

Investor soll für Kita zahlen

Insgesamt solle das Gebiet in ein Freiraumsystem mit einem bahnbegleitenden Grünzug sowie grünen Wegeverbindungen eingebettet werden, heißt es im Entwurf des Bebauungsplans. Nördlich des Wohngebiets sei mit der Freiraumentwicklung schon durch den Ausbau des Klara-Franke-Spielplatzes begonnen worden. An der Seydlitzstraße soll außerdem eine Kita entstehen, die der Investor bezahlt.

Kritik an seinen Plänen kommt vom Betroffenenrat Lehrter Straße. Es ist ein gewähltes Gremium, das gemäß dem Baugesetzbuch für die Interessen der Bürger im Umfeld einsteht. Susanne Torke vom Betroffenenrat sieht eine wesentliche Forderung des Rats nicht erfüllt: „Uns war es wichtig, dass mehr preisgebundene Wohnungen errichtet werden“, sagt Torke.

Um die soziale Durchmischung bei Neubauprojekten zu gewährleisten, müssen Investoren nach dem Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung bei jedem Projekt, für das ein Bebauungsplan erforderlich ist, 25 Prozent der Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindungen vorsehen. Das ist an der Lehrter Straße nicht erreicht, weil die Studentenwohnungen als Sonderwohnform herausgerechnet werden, kritisiert Susanne Torke. Und trotzdem sind es bei den aktuell genannten Zahlen nur 21 Prozent der Miet- und Eigentumswohnungen. In einem Schreiben an den Betroffenenrat begründet die Wohnungsbauleitstelle des Senats das mit dem langen Vorlauf des Projekts.

Groth-Gruppe im Gespräch mit der Degewo

Weit entfernt ist das Projekt von 50 Prozent preisgebundenen Wohnungen, die der Betroffenenrat fordert. „25 Prozent sind für alle Seiten verkraftbar. Bei 50 Prozent würde niemand mehr bauen“, sagt dazu Anette Mischler.

Die Kritik des Betroffenenrates richtet sich auch dagegen, dass die mietpreisgebundenen Wohnungen in einem einzigen der 20 Wohnblöcke versammelt sind. Nach Ansicht des Rates sollten die Wohnungen „feingliedrig“ über den gesamten Bestand verteilt sein. Das ginge allerdings nicht, weil die Groth-Gruppe die Gebäude im Block verkaufen wird, erklärt Anette Mischler. Der Standard der Gebäude aber sei der gleiche.

Wer den mietpreisgebundenen Block kaufen wird, steht noch nicht fest. Im Gespräch mit der Groth-Gruppe ist die Degewo: „Die Prüfungen und Verhandlungen dauern allerdings noch an, sodass wir noch keinerlei Auskünfte geben können“, sagt Pressesprecherin Isabella Canisius.

Der knapp 200 Seiten starke Entwurf des Bebauungsplans ist ab kommenden Montag auf der Website des Stadtplanungsamtes Mitte hier abrufbar.

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