Neue Europacity in Berlin: Viele Büros, wenig Glanz hinterm Hauptbahnhof
In der Europacity nördlich vom Hauptbahnhof sollen schon in wenigen Jahren 10 000 Menschen leben und arbeiten. Eine Menge Büroflächen sind schon weg, aber billige Wohnungen gibt’s nicht.
Baumaschinen hinterm Hochhaus, weiter oben sandige Steppe um eine verlassen wirkende Tankstelle. Gegenüber Rollwagen vom Zirkus Krone – unwirklich ist die Stadt nördlich vom Hauptbahnhof. Und hier sollen in wenigen Jahren schon 10 000 Menschen leben und arbeiten? Noch gibt es die Europacity vor allem in den Köpfen von Architekten, in den Rechnern von Planern und Immobilienhändlern und in den Vereinbarungen, die sie zu Papier bringen. Unterschriftsreif ist nun auch der wichtige städtebauliche Vertrag zur Entwicklung dieses Gebietes, der Pflichten und Lasten zwischen Berlin und privaten Investoren aufteilt.
Bereits zum Jahreswechsel könnten der neue Bausenator Andreas Geisel sowie der Chef der Planungsgesellschaft CA-Immo den Vertrag unterzeichnen. Alles gut? Nicht wirklich, denn nur kümmerliche 42 von 2840 geplanten Wohnungen in dem Quartier werden für eine Miete von 7,50 Euro nettokalt angeboten und damit erschwinglich sein für Haushalte mit geringen Einkünften. Auch wird eine der geplanten Brücken nicht vom Quartier aus zum Westen geschlagen. Und weil die Marina nicht kommt, die mitten im neuen Viertel entstehen sollte, ist auch etwas vom erhofften Glanz verloren.
Zehn Millionen stellt der Bund für die Uferpromenade
Aber es gibt auch gute Nachrichten: Für die Uferpromenade von der Invalidenstraße bis zur Perleberger Brücke ganz im Norden der Europacity stehen schon mal gut zehn Millionen Euro aus Fördertöpfen des Bundes bereit. Wenn das Viertel erst einmal gebaut ist, wird die schöne Flaniermeile am Ufer des Berlin-Spandauer Schiffahrtskanals wohl auch die Besucher der Kunstmeile rund um den Hamburger Bahnhof und der Flick-Sammlung in das neue Quartier locken.
Auch Radler könnten am Wasser entlangfahren, die meisten werden aber auf die Heidestraße ausweichen. Denn die Bundesstraße wird zum „Boulevard“ umgebaut. Das ist angesichts des geballten Autoaufkommens auf der beliebten Nord-Süd-Achse zurzeit noch schwer auszumalen. Aber die Pläne sehen ja auch hier große Veränderungen vor: Die derzeit nur 22 Meter breite Straße wird auf 38 Meter ausgebaut. Und dann ist auch Raum genug für einen sieben Meter breiten Rad- und Fußgängerweg.
Gibt es eine oder zwei Brücken über den Schifffahrtskanal?
Geld gibt es außerdem für mindestens eine von zwei Fußgängerbrücken über den Schifffahrtskanal. Die Brücke soll auf der Höhe des „Stadtplatzes“ im oberen Drittel des lang gestreckten Quartiers entstehen, wo ursprünglich die Marina geplant war. Der Stadtplatz wird knapp fünf Millionen Euro kosten, wobei die geplante Finanzierung – zur einen Hälfte durch den Entwickler des Areals CA-Immo, zur anderen aus Programmen des Senats – noch nicht abschließend geklärt ist. Eine zweite Brücke soll eigentlich am Invalidenfriedhof entstehen. Allerdings kämpft der Senat bereits jetzt auch dort mit ausufernden Kosten und wird deshalb schon mit dem Bau der ersten Brücke das Förderbudget für alle beide ausschöpfen. Nun verhandelt Senatsbaudirektorin Regula Lüscher mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft über zusätzliche Schecks, damit auch die zweite Brücke gebaut werden kann.
Bei der Verteilung der Millionen ist die Verwaltung von Senatorin Cornelia Yzer allerdings wählerisch, zumal die Konkurrenz um die Förderungen groß ist. Abgelehnt wurde deshalb etwa das Ansinnen der Planer, Millionen für einen dritten Brückenschlag vom Quartier nach Westen bereitzustellen. Die dritte Brücke sollte die Bahngleise westlich der Heidestraße überspannen, was zur Belebung beitragen würde: Denn jenseits der Gleise verläuft die Lehrter Straße durch ein dicht bewohntes Quartier, es gibt eine Sportanlage mit Wellnesstempel und Laufstrecken durch den „Geschichtspark Moabit“. Wer in der Europacity lebt, wird diese Ziele ohne neue Brücke nur über den Umweg der Perleberger Brücke erreichen, am nördlichsten Zipfel des neuen Quartiers, oder südlich der Zufahrt zum Tiergartentunnel über die Döberitzer Straße.
Viele der Büroflächen sind schon vergeben
Familien mit Kindern werden in die Wohnbauten des neuen Quartiers einziehen, davon jedenfalls geht der Senat aus und lässt deshalb den Investor im Viertel Kitas und eine Schule bauen mit Platz für 227 Kinder sowie 303 Grundschüler. Allerdings wird die CA-Immo nur einen Teil der Kosten dafür übernehmen. Der Firma zufolge will man zwölf Millionen Euro für diesen Zweck bereitstellen und damit 164 Kitaplätze und 219 Grundschulplätze finanzieren. Außerdem habe CA-Immo Geld bereitgestellt für den Ausbau der Heidestraße, für die Gestaltung der Grünflächen, für den Bau von Fußgänger- und Radwegen, für Brücken und Plätzen: mehr als 18 Millionen Euro.
Die CA-Immo ist es aber auch, die Millionen an der Entwicklung des Areals verdient: durch den Verkauf der Bauflächen. Und das Geschäft läuft gut, denn viele wollen im Dreieck zwischen Hauptbahnhof, Kanzleramt und Kunstquartier wohnen oder arbeiten. Noch sind nicht einmal die Baugerüste des Kennedy-Hauses südlich vom Bahnhof abgebaut, da meldet der Bauherr schon: Die Hälfte der Büroflächen ist vergeben. Und auch danach wird munter weitergebaut.
Ralf Schönball
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