Berliner Sozialgipfel: Leicht, schneller, serieller
Berlins Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel sieht sich als Kämpfer für mehr Neubauwohnungen. 30 Prozent davon könnten künftig barrierefrei sein.
So viele Baustellen wie Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel hat zurzeit wohl niemand in Berlin: Mehr Wohnraum für die vielen Neuberliner einschließlich der Flüchtlinge schaffen, soziale Gerechtigkeit auf dem Wohnungsmarkt retten, neue Konzepte für schnelles und preiswertes Bauen finden und Spekulation bekämpfen. Beim Berliner Sozialgipfel hatte Geisel diese Woche Gelegenheit, auf Fragen zu allen diesen Themen zu antworten.
Der Sozialgipfel tagt einmal im Jahr und wird von neun Sozialverbänden getragen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Dieses Jahr stand der Gipfel unter dem Motto „Mehr Mieterschutz statt mehr Miete“.
Eigentlich war Andreas Geisel mit guten Karten zur Podiumsdiskussion des Gipfels gekommen. Hatte er sich doch kürzlich erst mit der Initiative zum Mietenvolksentscheid auf ein milliardenschweres Programm für Berliner Mieter geeinigt.
Insgesamt 1,4 Milliarden Euro werden in den kommenden fünf Jahren für folgende Projekte ausgegeben: Die sechs städtischen Wohnungsgesellschaften sollen mehr Wohnungen selbst bauen oder ankaufen, die Förderung dafür wird verdreifacht.
Mieter in den 118.000 privaten, aber sozial gebundenen Wohnungen sollen nicht mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Was darüber liegt, wird vom Senat subventioniert. Bei Wohnungen im schlechten energetischen Zustand mit hohen Nebenkosten soll sogar schon bei 25 Prozent Nettokaltmiete Schluss sein.
Zu barrierefreien Wohnungen macht der Mietenkompromiss keine Aussage
55 Prozent der landeseigenen Wohnungen sollen an Inhaber eines Wohnberechtigungsscheines vergeben werden. Bisher waren es 50 Prozent innerhalb des S-Bahn-Rings und 33 Prozent außerhalb. Die kommunalen Wohnungsgesellschaften müssen kein Geld mehr an den Berliner Haushalt abführen und der Verkauf von landeseigenen Wohnungen wird so gut wie ausgeschlossen.
Diese und weitere Maßnahmen hat Geisel in einen 200 Seiten starken Gesetzesentwurf gegossen, der am 8. Oktober ins Abgeordnetenhaus geht und am 15. November beschlossen werden soll.
Doch den Sozialverbänden reicht das nicht. „Es gibt eine Versorgungslücke von 41.000 barrierefreien Wohnungen in Berlin. Was sagt Ihr Entwurf dazu?“, bohrte Ursula Engelen-Kefer vom Sozialverband Deutschland nach. Hier musste Geisel passen: „Auf Ältere und Menschen mit Behinderungen wird im Wohnraumversorgungsgesetz nicht eingegangen.“
Immerhin, so war von Geisel zu erfahren, will der Senat diese Gruppe bei der geplanten Novelle der Bauordnung bedenken. Sie soll vorschreiben, dass mindestens ein Drittel aller Neubauwohnungen barrierefrei sind.
„Wir befinden uns hier aber in einem Zielkonflikt“, sagte Geisel. „Die Herstellung von barrierefreiem Wohnraum ist deutlich teurer als die von nicht barrierefreiem.“ Niedrige Mieten oder barrierefrei laute die Alternative.
"Eine Entspannung kriegen wir nur hin, wenn wir neu bauen"
In den Verhandlungen mit der Initiative zum Mietenvolksentscheid habe er sich vehement dagegen gewehrt, die Zahl der Neubauten abzusenken. „In den vergangenen vier Jahren ist Berlin um 160.000 Menschen gewachsen. Sie treffen auf eine praktisch nicht mehr vorhandene Reserve. Auf jede frei werdende Wohnung kommen vier Interessenten. Eine Entspannung kriegen wir da nur hin, wenn wir neu bauen“, sagte Geisel.
Als Kämpfer für mehr Neubau stehe er allerdings oft recht einsam da, sagte Geisel. Wenn an der Karl-Marx-Allee gebaut werden soll, heißt es: „Baut doch in der Elisabethaue in Pankow.“ Und in Pankow werde gesagt: „Baut doch an der Karl-Marx-Allee.“ Das werde so nicht funktionieren: „Wir müssen überall in der Stadt bauen“, machte Geisel klar.
Die Frage ist, zu welchem Preis. Nicht mehr als 2200 Euro pro Quadratmeter dürfen die städtischen Wohnungsesellschaften bezahlen, wenn sie wie vorgesehen ein Viertel ihres neuen Bestandes nicht selbst bauen, sondern zukaufen. 100.000 neue Wohnungen sollen insgesamt in den kommenden zehn Jahren in ihr Portfolio kommen, derzeit sind es 285.000.
„Solche Preise sind Wahnsinn“, kritisierte der Restaurator Bernhard Irmer in der Fragerunde und verwies auf ein Hausprojekt im Wedding. In der Malmöer Straße 29 ist es tatsächlich gelungen, für knapp 1000 Euro pro Quadratmeter zu bauen, zuzüglich 280 Euro für das Grundstück.
„Davon würden wir gerne lernen“, antwortete Geisel, denn eigentlich halte er es für ausgeschlossen, in Berlin für unter 1000 Euro pro Quadratmeter zu bauen. Er hatte zuvor auf Projekte der Degewo mit Kosten von 1800 Euro pro Quadratmeter einschließlich Grundstück verwiesen.
Wohnungen auf Supermärkten
„Um die Baukosten zu senken und um schnell zu bauen, kommen wir um ein serielles Bauen nicht herum“, sagte Geisel weiter. Er denkt dabei an Leichtbauten, „die vielleicht nicht 100, sondern nur 30 Jahre halten“.
Die Frage nach freien Grundstücken ist eine weitere schwierige auf der Liste des Senators. „In der Sitzung mit den Baustadträten habe ich sie gebeten, darauf hinzuwirken, dass Supermärkte mit Wohnungsbau versehen werden“, berichtete er. „Wir werden es uns in der wachsenden Stadt Berlin nicht mehr leisten können, diese Flächen ungenutzt zu lassen.“ Oben auf dem Supermarkt sollen demnach weitere Geschosse mit Wohnungen sitzen.
Für eine Forderung des Sozialgipfels, Grundstücke mit einem Baugebot zu versehen, um spekulatives Zurückhalten zu vermeiden, sieht Geisel allerdings „keine Rechtsgrundlage“. Offenbar wird dieses Instrument des Planungsrechts nicht angewandt, ist laut Paragraf 176 Baugesetzbuch aber vorhanden.
Ein Mittel, zu dem der Senat durchaus greift, ist die Rückabwicklung von Verkäufen aus dem Liegenschaftsfonds, berichtete Geisel. Das betreffe aktuell das ehemalige Kinderkrankenhaus in Weißensee, wo seit dem Verkauf vor drei Jahren nicht gebaut wurde.