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High West – der Büroturm soll bis 2017 umgebaut werden.
© Bauwert Investment Group

Umnutzung: Leben statt arbeiten

Zum ersten Mal wird in Berlin ein Büroturm in ein Wohngebäude umgewandelt. Sieben weitere Neubau- und Umnutzungsprojekte für Wohnhochhäuser sind in der Planung oder schon im Bau.

Die Aussicht ist nicht zu verachten: Im Westen der Teufelsberg und das ICC, im Osten das Europa-Center und der Fernsehturm und dazwischen das Häusermeer Charlottenburgs. Schon vom achten Stock des ehemaligen Bürohochhauses an der Ecke der Heilbronner zur Karlsruher Straße blickt man über einen Großteil der Stadt. Dabei geht es noch weiter hinauf: 17 Geschosse hat der 70 Meter hohe Turm, den die Bauwert Investment Group bis Ende 2017 in ein Wohnhaus verwandelt und „High West“ nennt.

Damit ist in Berlin endgültig ein Thema angekommen, das vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Wohnungsknappheit in vielen deutschen Städten schon länger auf der Tagesordnung steht: die Umwandlung von Bürotürmen in Wohnhochhäuser.

Doch während in Frankfurt am Main bereits mehrere Gebäude in der Bürostadt Niederrad als Wohnraum genutzt werden, werden solche Umnutzungen an der Spree bisher mehr diskutiert als realisiert. So will die CG Gruppe den Steglitzer Kreisel und den Kreuzberger Postbank-Tower zu Wohnraum machen. Auch der frühere Eigentümer des Kudamm-Karrees plante Wohnungen im dortigen Hochhaus.

Umgesetzt wurde dieser Ansatz in Berlin bisher nicht – sieht man einmal von einem achtgeschossigen Verwaltungs- und Produktionsgebäude auf der Halbinsel Stralau ab, das die Streletzki-Gruppe in ein edles Wohnhaus verwandelt hat.

Die Kosten sind ungefähr so hoch wie für einen Neubau

Unproblematisch ist ein solches Vorhaben nicht. „Nicht aus jedem Bürohochhaus kann ein Wohngebäude werden“, sagt Jürgen Leibfried, geschäftsführender Gesellschafter der Bauwert Investment Group. Ein wichtiges Kriterium ist nach seinen Worten die Deckenhöhe: Die muss ausreichen, um eine lichte Raumhöhe von etwa 2,70 Meter zu gewährleisten.

Außerdem seien manche Bürogebäude so tief, dass man kaum vernünftig belichtete Wohnungen darin unterbringen könne. Ferner müsse es möglich sein, Loggien anzubringen. „Und dann“, so Leibfried, „muss auch die Lage stimmen.“

Das ist beim High West nach Überzeugung des Bauwert-Chefs eindeutig der Fall: Zwar hat die gegenüberliegende Seite der Heilbronner Straße mit S-Bahn-Damm, Autohaus und Discounter nun wahrlich nichts Glamouröses. Dafür sind Kurfürstendamm und Stuttgarter Platz in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar.

Erworben hat die Bauwert Investment Group den Turm vor zwei Jahren von einer israelischen Fondsgesellschaft. Mit dazu gehörte ein rechtskräftiger Bauvorbescheid. Nicht nur deshalb kam ein Abriss des in den 1970er Jahren errichteten Hauses nicht infrage. Zwar sind die Kosten für die Umnutzung laut Leibfried ungefähr gleich hoch wie für einen Neubau. Das Objekt genießt aber Bestandsschutz – aus Investorensicht ein enormer Vorteil, da die Behörden heute kein Hochhaus an dieser Stelle mehr genehmigen würden.

Stehen bleibt vom Bestandsgebäude nur die tragende Stahlbetonkonstruktion. Um die Erschließung zu optimieren, werden Fahrstuhlschacht und Treppenhaus verlegt. Abgerissen werden auch die Vorbauten, in denen nebst anderen Nutzern ein Supermarkt und ein Textildiscounter untergebracht waren. Dadurch entsteht Platz für vier siebengeschossige Neubauten mit zusammen 121 Wohnungen. Im Turm selbst entstehen 49 Wohnungen. Der architektonische Entwurf für das 90-Millionen-Euro- Projekt stammt von Arno Bonanni.

"Eine doppelte Chance"

Neben Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen entstehen auch Ein-Zimmer-Apartments und ganz oben ein 350 Quadratmeter großes, über zwei Etagen reichendes Penthouse – Kosten: 12.000 Euro pro Quadratmeter oder gut vier Millionen Euro. Die Quadratmeterpreise für die Wohnungen in den unteren Etagen beginnen bei 4150 Euro.

„Wir streben an, für einen Teil der Wohnungen unter 400.000 Euro zu bleiben“, sagt Leibfried. Damit sollen sie auch für Berliner Familien erschwinglich sein. Bei den teureren Einheiten hat die Ziegert Bank- und Immobilienconsulting, die mit Bauwert die Wohnungen vermarktet, auch ausländische Käufer im Blick.

„Die Revitalisierung und Umnutzung eines Hochhauses ist aus der Perspektive der Stadtentwicklung eine doppelte Chance“, sagt Makler Nikolaus Ziegert. „Man erreicht eine Verdichtung, ohne dass ein Quadratmeter Boden neu versiegelt werden muss.“

Das bestätigt Harald Herrmann, Direktor des Bundesamts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR): Umwandlungen bieten demnach „die Chance, in Verdichtungsräumen bei eingeschränkter Flächenverfügbarkeit das Angebot an innerstädtischen Wohnungen zu erhöhen“, schreibt Herrmann im Vorwort zur kürzlich erschienenen Studie „Umwandlung von Nichtwohngebäuden in Wohnimmobilien“.

Einen Trend zum Wohnhochhaus erkennt auch André Adami vom Forschungsinstitut Bulwiengesa. Nach seinen Angaben sind derzeit in Berlin sieben Neubau- und Umnutzungsprojekte für Wohnhochhäuser mit mindestens 14 Etagen geplant oder im Bau. Der Trend könnte aber schon bald wieder gebremst werden, sagt Helen Lindner, Marktforscherin bei Ziegert: Weil Büroflächen in Berlin allmählich knapp und damit wieder teurer werden, verringert sich für die Eigentümer der Anreiz, aus ihnen Wohnungen zu machen.

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