Modulares Bauen: Boxenstopp für Flüchtlinge
Blechcontainer zum Wohnen sind mit Blick auf bauphysikalische Standards schlechte Lösungen. Es geht auch anders. Ein Blick nach Freiburg zeigt wie man es nachhaltig besser machen kann.
Die Politik und die Behörden sind enorm unter Druck. Die Unterbringung der großen Zahl an Flüchtlingen lässt sich mit der langwierigen konventionellen Produktion von Wohnungen nicht bewältigen. Sofortlösungen müssen gefunden werden, technisch und administrativ. Schon sind die Preise gestiegen, der Wohncontainermarkt ist leergefegt und Produzenten von Fertigbausystemen melden Kapazitätsengpässe.
Aus Zeitgründen kommen nur modulare Fertigbauweisen infrage. Das hat der Berliner Senat erkannt und im Herbst 2015 eine entsprechende Ausschreibung gestartet. Andererseits sieht man sich gezwungen, die Standards zu senken. Das bedeutet weniger Platz pro Bewohner, schematische Grundrisse, geringere Anforderungen an Brand- und Schallschutz, an Ökologie der Bauweisen und Energieverbrauch.
Doch die Hektik birgt Gefahren, die in der Bemühung um rasche, oft temporäre Unterbringungsmöglichkeiten leicht verkannt werden. Der Architekt Stefan Feldschnieders warnt: „Anlagen, die sich selbst überlassen und zu lange genutzt werden, erzeugen auf lange Sicht schmerzhafte Mehrkosten. Die geringeren bauphysikalischen Standards erschweren die Regulierung des Raumklimas und die Wohnhygiene.
Schimmelbefall setzt einzelne Bereiche dieser Anlagen schnell außer Betrieb. Wie bei jeder Investition stellt sich also die Frage nach der Wirtschaftlichkeit.“ Blechcontainer sind in dieser Hinsicht die schlechteste Lösung. Und in die rasch aus dem Hut gezauberten Modulbausysteme sind oft zu wenig bautechnische Langzeiterfahrungen eingeflossen.
Plusenergiehäuser erzeugen mithilfe der Sonne mehr Energie als sie verbrauchen
Der Senat von Berlin sollte sein Augenmerk auf Freiburg richten. Dort arbeitet Rolf Disch, ein Architekt mit viel Erfahrung auf diesem Gebiet. Er ist der Pionier der Solararchitektur, der als erster Plusenergiehäuser in Serie baute, also Häuser, die mithilfe der Sonne mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen. Er hat das Thema auch in den Fertighausbau getragen.
In dieser Woche ist Disch mit fertig ausgearbeiteten Vorschlägen für den Bau von Flüchtlingswohnungen an die Öffentlichkeit gegangen, die sofort umsetzbar wären: ein Plusenergiehaus-Modulsystem, mit dem man Wohnungen individuell zusammenstellen kann. Die Module haben etwa Containergröße und nutzen die Straßentransporthöhe voll aus. So ist denn der Clou die Raumhöhe von 3.11 Meter, die den Einbau von Schlafgalerien und Stauraum ermöglicht und ansonsten die drangvolle Enge von Containerwohnungen mildert. Nasszellen und Küchen werden eingebaut mitgeliefert.
Die Module lassen sich beliebig kombinieren und stapeln. Mehrstöckige Anlagen – statisch gerechnet und wirtschaftlich kalkuliert ist eine bis zu dreigeschossige Bauweise – haben vorgelagerte Balkone und Laubengänge. Erste Simulationszeichnungen des jüngst vorgestellten Systems zeigen zwar recht schematische Wohnanlagen, doch die Möglichkeiten der Arrangements von Modulen sind weitaus vielfältiger als bei Containern, sodass ohne Mehrkosten ansprechende Architektur entstehen kann, mit Höfen, Balkons und Lauben, Begrünung, kommunikativen Erschließungszonen und den nötigen Gemeinschaftseinrichtungen.
Da zur Finanzierung die KfW Effizienzhaus 40-Förderung und weitere Bundes- und Landesmittel aus Flüchtlingsprogrammen in Anspruch genommen werden können, ist das Programm auch für private Investoren interessant.
Monoeinheiten zum Basispreis von 1800 Euro pro Quadratmeter
Mit der Novelle des Asylrechts sind die Standards für die Nutzung erneuerbarer Energien für Gemeinschaftsunterkünfte teilweise ausgesetzt, das Bauplanungsrecht für diese Unterkünfte wurde gelockert. Rolf Disch hält das für grundfalsch und plädiert dafür, angesichts der enormen Herausforderungen nicht die mühsam erreichten Standards an Energieeffizienz, Brandschutz, Schalldämmung und Nachhaltigkeit aufzugeben.
Seine Plusenergiehaus-Wohnmodule sind in klimaneutraler Konstruktionsweise aus Massivholz gebaut. Sie bieten gesundes Raumklima, guten Schallschutz, übererfüllen alle einschlägigen KfW-Standards, erzeugen mehr Energie als sie verbrauchen und versprechen niedrige Nebenkosten. Sie können leicht umgenutzt werden: Sie können zu Studentenwohnungen werden und lassen sich an andere Orte versetzen.
Zu einem Basispreis von 1800 Euro pro Quadratmeter für Monoeinheiten und 1400 Euro für Wohnungen aus mehreren Modulen sind also ökologische Bauweise, hohe Nutzungsqualität und Flexibilität sowie langfristig geringe Betriebskosten erreichbar. Disch arbeitet mit seiner Solarsiedlung GmbH seit Langem mit leistungsfähigen Produzenten zusammen, unter anderem mit einer Firma mit mehreren Produktionsstandorten in Deutschland, die sich im vergangenen Herbst – mit anderen Entwürfen – an der Ausschreibung des Senats für Flüchtlingsheime in modularer Bauweise beworben hat.
Bei den von Disch angepeilten Realisierungszeiträumen ist von Monaten, nicht von Jahren die Rede.
„Man muss mit dem Klimaschutz, mit der energetischen Selbstversorgung der Häuser und mit der Energiewende endlich ernstmachen“, sagt Rolf Disch und will sich mit der angepeilten Absenkung von ökologischen Standards für Flüchtlingswohnungen keineswegs abfinden. Im Gegenteil, er sieht das Plusenergiehaus, das er in vielen Projekten erfolgreich umgesetzt hat, auch bei Flüchtlingswohnungen für angebracht. Das will er jetzt mit einer in Planung befindlichen Wohnanlage in Freiburg unter Beweis stellen.