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Technik ohne Ende, aber behaglich: Für Anja Heinzelmann und Wolfgang Brenner ist das Öko-Haus die Zukunft.
© Davids/Sven Darmer

Effizienzhaus: Leben wie in einer gemütlichen Raumstation

Der Testlauf ist bestanden, jetzt wird das Effizienzhaus Plus zum Vorzeigeprojekt.

Wie wir in Zukunft wohnen, wissen Anja Heinzelmann und Wolfgang Brenner schon heute. Die beiden haben mit ihren Kindern ein Jahr lang im Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität an der Fasanenstraße gelebt. Miete mussten sie nicht bezahlen, aber für alle Forschungsabsichten zur Verfügung stehen und das Haus für so manche ausländische Delegation öffnen. Nun endet der Versuchszeitraum.

Das Haus erzeugt mit einer Fotovoltaikanlage mehr Energie, als es verbraucht. Daher das Plus im Namen. Vor der Tür stehen ein Elektroauto und ein E-Bike, die mit den Überschüssen geladen werden. Äußerlich gleicht das Haus einer offenen Schachtel und behauptet selbstbewusst seine Modernität. Aber kann man darin auch gemütlich wohnen? Schließlich ist es ein Forschungsobjekt, das voller Sensoren steckt und jeden Verbrauch automatisch aufzeichnet.

„Das Leben im Haus hat sich erstaunlich unfuturistisch angefühlt, nicht wie in einer Raumstation“, sagt Wolfgang Brenner. „Wir fanden das Haus behaglich, weil es innen eine sehr angenehme und wohnliche Atmosphäre hat. Die bodentiefen Fensterscheiben machen es sehr offen und licht und die Fußbodenheizung war komfortabel.“

"Die Technik hat sich unsichtbar gemacht"

Ein Plushaus kann also gemütlich sein, obwohl es voller Technik steckt: Im Raum für die Haustechnik summt eine strombetriebene Wärmepumpe, die das Haus heizt. Im Wohnzimmer sieht man die Schlitze der Lüftungsanlage. Sie wärmt Frischluft mit Abluft an und nutzt so das letzte Quäntchen Energie. Auf dem Dach steht eine Fotovoltaikanlage, eine Seite der Fassade ist komplett mit Solarmodulen gepflastert. Der selbsterzeugte Strom gab dem Paar „ein landwirtschaftliches Gefühl, so als ob wir eine Ernte einfahren“, sagt Wolfgang Brenner. „Das werden wir vermissen.“

„Die Technik hat sich unsichtbar gemacht“, beschreibt Anja Heinzelmann ihren Eindruck. „Wir konnten alles nutzen, was das Haus bot, konnten es aber auch abschalten. Da ging keine rote Lampe an.“ So verzichteten die Erwachsenen auf die Möglichkeit, das Licht per Bewegungsmelder zu steuern, weil sie sowieso diszipliniert Energie sparen. „Im Kinderzimmer habe ich den Bewegungsmelder aber gern angelassen, weil die Kinder eben nicht so sind“, sagt die Mutter.

Ob das Haus im Energieverbrauch die Erwartungen erfüllt, hat das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) genau analysiert. Noch 35 weitere Häuser im Modellprojekt stehen unter seiner Beobachtung.

10 000 Kilowattstunden Überschuss

Ein Schwachpunkt des Plushauses an der Fasanenstraße war die offene Bauweise, bilanziert Hans Erhorn vom IBP. „Die Heizung im Erdgeschoss hat das Obergeschoss mitgeheizt“, berichtet er. Das führte zu einem höheren Stromverbrauch der Wärmepumpe und wurde durch den Einbau einer Glastür abgestellt. Zweiter Schwachpunkt war die Verschattung der Fotovoltaikanlage durch einen Baum. Der Ertrag fiel deshalb spürbar geringer aus gedacht.

Trotzdem machte das Effizienzhaus Plus tatsächlich ein Plus. Im Winter bezieht es Strom aus dem Netz, im Sommer aber speist es umso mehr ein. Fast 10 000 Kilowattstunden pro Jahr beträgt der Überschuss. Ist das viel? Gegenüber einem älteren Einfamilienhaus auf jeden Fall.

„Fürs Heizen kann man hier im Schnitt mit einem Verbrauch von umgerechnet 160 Kilowattstunden pro Quadratmeter rechnen“, sagt Justus von Widekind von der gemeinnützigen Beratungsgesellschaft CO2online. Bei einer Wohnfläche von 150 Quadratmetern wie an der Fasanenstraße wären das 24 000 Kilowattstunden im Jahr. Für den Stromverbrauch einer vierköpfigen Familie kann man zusätzlich 3000 Kilowattstunden veranschlagen.

Neue Häuser dürfen ab 2016 nur noch einen Heizbedarf von 65 Kilowattstunden pro Quadratmeter haben. Hier fällt der Vorsprung des Plushauses geringer aus.

Wann rechnet sich ein Plusenergiehaus?

Gegenrechnen muss man in der Bilanz den Mehraufwand an Energie, den die Herstellung der dreifach verglasten Fenster oder der Haustechnik kostet. Anfangs ist der ökologische Fußabdruck eines Plushauses größer als der eines weniger ambitionierten Gebäudes. Der Mehreinsatz ist aber nach fünf bis acht Jahren wieder ausgeglichen, weil das Plushaus ja mehr Energie erzeugt als es verbraucht, sagt Hans Erhorn.

Wann sich ein Plusenergiehaus rechnet, hängt von mehreren Faktoren ab: Von den Mehrkosten für Außenhülle und Haustechnik, von der Entwicklung der Energiepreise und von der Höhe der Einspeisevergütung für den Solarstrom.

„Geht man von konstanten Energiepreisen über die nächsten 20 Jahre aus, können sich beim Bau Mehrkosten von bis zu 300 Euro pro Quadratmeter rechnen, denn Plushäuser sparen gegenüber konventionell errichteten Gebäuden etwa 15 Euro pro Quadratmeter im Jahr an Betriebskosten ein. Aber das sind nur grobe Kennwerte, das Ergebnis hängt nicht unwesentlich von den Bewohnern ab“, sagt Hans Erhorn.

Grundsätzlich aber sieht er es als einen „Quantensprung“ und einen „Riesenerfolg“, dass man Häuser bauen kann, die über die Fassade mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen. Damit hat sich ein Konzept etabliert, das erst vor fünf Jahren gestrickt wurde. Zusammen mit dem Bauministerium verabredete ein Netzwerk der Baubranche die Regelwerke. 2010 wurden fast gleichzeitig mit dem Haus an der Fasanenstraße die ersten Plusenergie-Fertighäuser im Musterpark Frechen bei Köln errichtet. Inzwischen sind mindestens fünf Prozent aller Fertighäuser Plusenergiehäuser, berichtet der Bundesverband Deutscher Fertigbau.

Es gibt noch ein Problem

Allerdings ist der Bau eines Plusenergiehauses mit erheblichen Mehrkosten verbunden. Richtig teuer war der Leuchtturm des Projekts, das Haus an der Fasanenstraße. Es kostete 1,75 Millionen Euro. Das sei aber nicht mit einem normalen Einfamilienhaus vergleichbar, sagt Laurenz Hermann von der Berliner Energieagentur: „In dem Haus wird an zahlreichen Stellen Technik eingesetzt, die ein normales Haus so nicht hätte, beispielsweise die zahlreichen Sensoren und Datenlogger.“

Bei einem der in Frechen errichteten Fertighäuser mit dem Namen „Green(r)evolution“ beträgt der Aufpreis für eine Plusausstattung gut zehn Prozent, ebenso bei einem weiteren Fertighaus aus dem Modellprojekt in Brieselang. Bei beiden Objekten seien die Mehrkosten seit 2010 um rund 30 Prozent gefallen, berichten beide Hersteller auf Nachfrage.

Trotzdem haben Plusenergiegebäude noch ein Problem: Im Winter, wenn die Wärmepumpe besonders hart arbeiten muss, liefert die Fotovoltaikanlage nur sehr wenig Strom. Der muss dann aus dem Netz kommen und wird im Zweifelsfall in einem Atom- oder Kohlekraftwerk produziert.

Andere Plusenergiehäuser heizen deshalb auch mit Solarthermie, also mit sonnengewärmtem Wasser. Ein solches Konzept verfolgt die Berliner Baugemeinschaft Newton in Adlershof und bekam dafür den Preis „KlimaSchutzPartner des Jahres 2015“. Ein anderes Berliner Projekt im Forschungsprogramm, das LaVidaVerde in Lichtenberg, deckt den Restwärmebedarf über eine Pelletheizung.

Das Plusenergiehaus an der Fasanenstraße darf nun weiter der Forschung dienen. „Es hat so viel Resonanz gefunden, dass es nicht wie geplant zerlegt und abgebaut werden soll“, sagt ein Sprecher des Bauministeriums. Das ganze Haus ist nämlich komplett recycelbar. Nun soll es als Showroom und Kompetenzzentrum für effizientes Bauen erhalten bleiben. Und auch nach dem Probewohnen von Anja Heinzelmann und Wolfgang Brenner wird weiter gemessen.

Mehr zum Projekt gibt es unter: www.forschungsinitiative.de/effizienzhaus-plus

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