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Macht den Rathausplatz frei für einen Platz der Demokratie! Das fordert die Initiative Schlossbrunnen.
© Gerd Eckel/Rene Panzert – archRPdesign

Stadtplanung: Berlins historische Mitte soll ein „Ort für alle“ sein

Um die Neugestaltung der Berliner Mitte wird seit Jahren gerungen. Eine Initiative will vor dem Roten Rathaus einen „Platz der Demokratie“ einrichten.

Das Engagement der Zivilgesellschaft ist nach den Ausschreitungen von Chemnitz in aller Munde. Das Land scheint seine Mitte verloren zu haben. „Die Menschen müssen begreifen, dass Demokratie nicht nach dem Prinzip eines Pizza-Bestelldienstes funktioniert“, sagte Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) jetzt in der „Süddeutschen Zeitung“. Sie stellt damit unbeabsichtigt die Frage nach der Mitte Berlins – ideell und konzeptionell. Wieder einmal.

Um die Neugestaltung der Berliner Mitte, um die Belebung des alten Stadtzentrums wird seit Jahren gerungen. Der öffentliche Dialog darüber sei aber „faktisch zum Erliegen gekommen“, warf die Berliner CDU dem Senat, vor allem aber Berlins zuständiger Senatorin für Stadtentwicklung, Katrin Lompscher (Linke), vor. Sie verschleppe die Diskussion aus ideologischen Gründen, so hieß es mit Blick auf die Stadtdebatte „Alte Mitte – neue Liebe“. Das „Erbe der DDR-Moderne“ ist der CDU ein Dorn im Auge, sie möchte die Mitte zu einem „Ort der Demokratie“ machen. In der vergangenen Woche strafte Lompscher ihre Kritiker in dieser Angelegenheit Lügen und lud zu einer neuen Phase des Bürgerdialogs ein.

Ein zentrales Anliegen ist der Wunsch nach einem – nicht-kommerziellen – „Ort für alle“, mit Raum für politische Auseinandersetzungen. Wohl nicht nur Lompscher findet, dass man seit dem Abschluss des ersten Bürgerdialogs 2015 nun langsam in eine Phase eintreten solle, in der es um Leitlinien geht, die auch einmal realisiert werden können.

Neue Urbanität vor dem Roten Rathaus

Dem Tagesspiegel liegt nun exklusiv ein Entwurf des Architekten Gerd Eckel vor, den dieser für die „Stiftung Zukunft Berlin“ gezeichnet hat. Er entwirft einen „Platz der Demokratie“, der Berlin vor dem Roten Rathaus zu neuer Urbanität und spielerischer Leichtigkeit verhelfen soll.

Weiße Segel als Überdachungen, über Masten gespannt, sind hier zu sehen, wie man es etwa aus dem Olympiastadion in München kennt. Bei Dunkelheit sollen die Segel Leuchtkräfte entfalten – durch Scheinwerfer angestrahlt, die an den Stützenfüßen in den Boden eingelassen sind. Der Sockel des Fernsehturms soll am unteren Teil des Turmschaftes mit Licht-Projektionen „bespielt“ werden. Unter einem westlichen Segel stellt sich Eckel Einrichtungen der Gastronomie in Verbindung mit dem (teils umzunutzenden) Erdgeschoss der an der Rathausstraße stehenden Gebäude vor. Unter dem östlichen Segel sollen großformatige Tafeln mit Fotografien zur Geschichte des Kerns von Berlin aufgestellt werden. Dort integriert: ein Kiosk mit dazu passender Literatur, Reiseführern, Zeitungen.

Wolf-Dieter Heilmeyer unterstützt den Entwurf mit seiner „Initiative Schlossbrunnen“. Der Archäologe und frühere Direktor des Antikenmuseums der Staatlichen Museen zu Berlin ist inzwischen im Ruhestand und streitet mit der Publizistin Lea Rosh, dem früheren Präsidenten der Freien Universität Berlin, Rolf Kreibich, Klaus-Henning von Krosigk, dem ehemaligen Gartenbaudirektor im Landesdenkmalamt Berlin, und anderen für einen „Platz der Berliner Aufklärung“. Der Ort müsse genug Fläche für ein intensives, vielschichtiges, städtisches Leben bieten, das in die Stadt und über sie hinaus strahlt, findet Heilmeyer: „Er sollte ein Versammlungsplatz werden für öffentliche Feiern, für politische und kulturelle Veranstaltungen, für Gedenkstunden, Ansprachen, Demonstrationen, Bürgertreffen, für Licht- und Musikfest, smart City, für Public Viewing.“

Der Neptunbrunnen steht im Weg

Der Platz der Demokratie soll der zentrale Platz der Stadt werden, den sie bisher nicht besitzt, findet Eckel. „Früher war das mal der Platz vor dem Rathaus Schöneberg“, sagt der Architekt auf Anfrage: „Weil dort (vor dem Roten Rathaus, d. Red.) bis zu 80 000 Menschen bei großen Demonstrationen zusammenkommen sollen – so die mir von der Stiftung Zukunft gestellte Aufgabe – gibt es auf der eigentlichen Fläche weder einen Brunnen noch Bäume. Der Neptunbrunnen, der einer aufwendigen Instandsetzung bedarf, sollte zur Schloßfreiheit zurückkehren, von der er stammt.“ Dieses Ziel verfolgt auch Heilmeyer mit seiner Initiative. Mit der Beseitigung des Schlosses hatte der Schlossbrunnen 1951 seine ursprüngliche Funktion auf dem Schlossplatz verloren. Als „Neptunbrunnen“ übernahm er in der Hauptstadtplanung der DDR gegenüber dem Rathaus eine Ersatzfunktion. „Heute aber schränkt dieser Standort ohne Bezug auf das Schloss den kulturellen Wert dieses bedeutenden Monuments für die Stadt ungebührlich ein“, schreiben Heilmeyer und die Initiatoren Schlossbrunnen in ihrem Konzept: „Bei der Planung eines intensiv genutzten Versammlungsplatzes vor dem Roten Rathaus stünde der Brunnen sogar im Weg und bliebe auch inhaltlich ein Fremdkörper.“

Der Platz sollte für Berlins Bürger und Gäste der Stadt modern gestaltet werden. „Die Segel“, schreibt der Architekt zum Platz der Demokratie über seinen Entwurf, „haben nicht nur die Aufgabe, den schrecklichen Anblick der stadtunverträglichen Plattenbauten zu mildern – die, was das Nicolaiviertel betrifft, sogar unter Denkmalschutz stehen – und nicht nur vor Regen zu schützen: Sie tragen dazu bei, den Platz von dem Durchzug zu befreien, den die groben Plattenbauriegel bewirken, indem sie den Luftstrom nach oben ableiten.“

Die von Eckel vorgesehenen „Archäologischen Fenster“ sollen nicht nur den Blick auf die Vergangenheit der Stadt gewähren. Die auf ihnen ruhenden Plattformen sollen gleichzeitig Podien für Ansprachen auf Demonstrationen sein, für Diskussionen von einem Podium zum anderen und Auftritte von Musikern usw.

Das Haus Hoher Steinweg 15

Ein „Archäologisches Fenster“ ist Eckel besonders wichtig: Das Fenster zum Haus Hoher Steinweg 15. „Von diesem Gebäude aus dem frühesten 15. Jahrhundert, dem vermutlich ältesten Bürgerhaus Berlins, sind im Erdreich noch Mauern und gotische Pfeiler mit den Ansätzen von Kreuzrippengewölben vorhanden, die recht gut konserviert sind“, hat Eckel recherchiert. Das Haus Hoher Steinweg 15 sei in Berlin das erste, das massiv – das heißt ohne Fachwerk – gebaut worden sei. Deshalb habe es auch den Krieg ganz gut überstanden, bis der Chefarchitekt des Ost-Berliner Magistrats, Herbert Henselmann, es 1956 „unter denkmalpflegerischer Aufsicht … beseitigen“ ließ. Dieser Fundort ist allerdings noch nicht konserviert; er muss zunächst freigelegt und gesichert werden. Anders verhält es sich mit dem nah am Roten Rathaus gelegenen „Fenster“, das die bereits konservierten Grundmauern und Pfeiler des mittelalterlichen Rathauses zeigt. Nach dem bisherigen Stand der Planungen sollen diese Ausgrabungen von einem Gang des U-Bahnhofs aus erlebbar sein.

Die Oberfläche des Platzes soll wellig „wie ein Tuch“ auf das hindeuten, was sich darunter befindet: ein bis 1956 noch ablesbarer Grundriss der Stadt an dieser Stelle. Er könnte durch unterschiedliche Pflasterung in hellen und dunkleren Tönen dargestellt werden.

Die Sitzstufen an der Ecke der Spandauer und Karl-Liebknecht-Straße zitieren schließlich die Idee eines Amphitheaters in einer für diesen Platz verträglichen Dimension, so der Architekt Eckel.

Neue Straßenführung erforderlich

Neu diskutieren möchte die Initiative Schlossbrunnen die geplante Straßen(bahn)führung. Nach der aktuellen Planung soll eine Straßenbahntrasse von der Karl-Liebknecht-Straße kommend die Spandauer Straße entlang gebaut werden, an der Kreuzung mit der Rathausstraße nach Osten abbiegen, vor dem Roten Rathaus eine Haltestelle (in Kombination mit den U-Bahn-Zugängen) bekommen und dann am südöstlichen Platzrand entlang weiter verlaufen bis zur Vereinigung mit den im nordöstlichen Platzbereich bereits befindlichen Gleisen. „Diese Straßenbahnführung verhindert und vernichtet jede menschenfreundliche Entwicklung dieses bislang unwirtlichen und kriminalitätsbelasteten Platzes“, schreibt Eckel. Die Initiative Schlossbrunnen sieht dadurch die Gesamtzusammenhänge des Platzes der Demokratie buchstäblich zerschnitten. Die Straßenführung zwischen Werderschem Markt, Breite Straße und Rathausstraße müsse neu geordnet und „eine hohe Aufenthaltsqualität des Schlossplatzes“ als wichtigem Zugang zum Humboldtforum und zu den zentralen Stadtquartieren Berlins – wie Rathausplatz, Petriplatz, Gendarmenmarkt – geschaffen werden.

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