Sanierung in Lichterfelde: Am Rand gelegen, aber nicht aus dem Blick geraten
Die Märkische Scholle saniert ihre Siedlung in Lichterfelde-Süd. Sie soll ökologisch werden und trotzdem bezahlbar bleiben.
Noch ein paar Schritte weiter, und man hat Berlin verlassen. Am südlichen Ende des Ostpreußendamms in Lichterfelde-Süd, direkt an der Grenze zu Teltow, erstreckt sich eine Siedlung, die teils aus hübschen Wohnhäusern aus den 1930er Jahren besteht, teils aus nicht ganz so hübschen Nachkriegsbauten aus den 1960ern. Eine junge Familie mit zwei Kindern – vielleicht auf dem Weg zum Spielplatz – verlässt ihr Wohnhaus, ein älterer Mann steigt aus dem Auto, die Innenhöfe sind grün und ruhig. Die In-Viertel der Hauptstadt sind von dieser Anlage mit ihren 841 Wohnungen sehr weit entfernt.
Und doch ist die Siedlung der Genossenschaft Märkische Scholle bemerkenswert. Denn hier zeigt sich, dass die Modernisierung von in die Jahre gekommenem Wohnraum nicht zwingend zu stark steigenden Mieten und einem Austausch der Bevölkerung führen muss. Eine „Gartenstadt für alle Generationen“ will die Märkische Scholle mit ihrem Sanierungsprojekt entwickeln – und tut dies so erfolgreich, dass sie dafür überregional Aufmerksamkeit erregt. Gerade ist sie von einem breiten Bündnis aus Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, Handwerkskammer sowie Immobilien- und Bauverbänden als „Klimaschutzpartner 2015“ ausgezeichnet worden.
Als besonders preiswürdig bewertete die Jury dabei den ganzheitlichen Ansatz des Sanierungsvorhabens, bei dem einerseits hoch innovative Energietechnologien eingesetzt werden und andererseits die Sozialverträglichkeit berücksichtigt wird. Bereits im vergangenen Jahr hatte sich die Genossenschaft über den Berliner Umweltpreis des BUND Berlin in der Kategorie „Wirtschaft und Innovation“ freuen dürfen.
Neues Energiekonzept hilft, Nebenkosten zu sparen
Tatsächlich schafft es die Genossenschaft trotz der hohen Modernisierungsausgaben von 72 Millionen Euro, die Wohnkosten weitgehend stabil zu halten. Ihren Angaben zufolge steigt die bisherige Warmmiete einer quartierstypischen Einzimmerwohnung von 7,94 Euro pro Quadratmeter lediglich auf 8,25 Euro. Dass die Erhöhung so moderat ausfällt, hat zwei Gründe: Zum einen verzichtet die Genossenschaft darauf, die rechtlich zulässige Modernisierungsumlage auszuschöpfen. Täte sie dies, würde eine Quadratmetermiete von 12,92 Euro herauskommen.
Hinzu kommt ein erhebliches Potenzial bei den Nebenkosten: „Das autarke, regenerative Energiekonzept in den Gebäuden ermöglicht es, rund 1,50 Euro pro Quadratmeter allein schon bei der Energie einzusparen“, sagt Genossenschaftsvorstand Jochen Icken.
Erreicht wird dies mit einem Energiekonzept, das die Planer des Berliner Ingenieurbüros eZeit erarbeitet haben. Diesem Konzept zufolge stammt die Energie hauptsächlich aus Solaranlagen und Wärmerückgewinnung aus der Abluft. Gespeichert wird die Wärme in einem von eZeit entwickelten Erdwärmespeicher. Wie das funktioniert, erklärt eZeit-Geschäftsführer Taco Holthuizen: „Automatisch vom Energiemanager gesteuert, wird Energie, wenn sie nicht umgehend benötigt wird, im Boden neben dem Haus zwischengespeichert und von dort bei Bedarf wieder als Wärme in die Gebäude zurückgeleitet.“
34 kleine Wohnungen für Senioren
Aber nicht nur die Energiebilanz verbessert sich. Was seit Beginn der Bauarbeiten im Jahr 2014 passiert ist, erkennt man an der Ecke des Ostpreußendamms zur Schwelmer Straße: Dort stehen frisch sanierte dreigeschossige Wohnhäuser, die in den ausgebauten Dachgeschossen zusätzliche, relativ große Wohnungen erhalten haben. „Was uns in der Siedlung am meisten fehlt, sind familiengerechte Wohnungen sowie barrierearme, seniorengerechte Einheiten“, erläutert Vorstand Icken.
Tatsächlich ist fast jedes zweite Genossenschaftsmitglied in Lichterfelde-Süd über 65 Jahre alt. Für sie stehen künftig zusätzlich 34 kleine Wohnungen in zwei Neubauten in der Schöppinger Straße zur Verfügung, für die die Bauarbeiten bereits begonnen haben. Fertig gestellt sein werden diese Wohnungen im Frühjahr 2016.
"Wir werten den Standort auf"
Der einzige Neubau wird das nicht bleiben: Die Märkische Scholle plant, einige 1930er-Jahre-Häuser mit insgesamt 112 Wohnungen abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. Dies wird Icken zufolge jedoch nicht vor 2017 der Fall sein. „Der Abriss war eine schwierige, aber langfristig richtige Entscheidung“, ist er überzeugt. Denn die betreffenden Gebäude seien nicht nur in einem schlechten baulichen Zustand, sondern hätten auch keine Balkone und ineffiziente Grundrisse. „Eine Sanierung wäre ebenso teuer wie ein Neubau gewesen“, sagt Icken. „Dabei wären aber der ungenügende Schallschutz und die fehlende Barrierearmut erhalten geblieben.“
Gründlich angefasst werden müssen auch die Wohnhäuser, die stehen bleiben. Dabei renoviert die Genossenschaft nicht nur die Fassaden, sondern erneuert beispielsweise auch Elektrik, Bäder und Fenster. Bei den 1930er-Jahre-Gebäuden müssen die Bewohner daher in Ausweichwohnungen ziehen – eine große logistische Herausforderung, die bisher nicht ganz zur Zufriedenheit der Beteiligten klappte: „Unvorhergesehene Umstände“ hätten zu Verzögerungen bei der Rückkehr der Mitglieder in ihre alte Wohnung geführt, räumt der Vorstand im Mitgliedermagazin „Scholle-Blättchen“ ein.
Doch warum investiert die mit insgesamt 3500 Wohnungen relativ kleine Genossenschaft überhaupt so viel Geld in eine peripher gelegene Wohnanlage? „Auch eine solche Stadtrandlage hat ihre Klientel“, antwortet Jochen Icken. Nicht wenige Mitglieder seien in Lichterfelde-Süd stark verwurzelt, da schon ihre Eltern und Großeltern hier gewohnt hätten. „Wir werten den Standort auf und werden damit auch langfristig gute Vermietungserfolge erzielen“, ist Icken überzeugt. Einen langen Atem braucht die Genossenschaft allerdings: Die gesamte Modernisierungsmaßnahme erstreckt sich über rund zehn Jahre.
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