Strom selber erzeugen: Dem Stromlieferanten den Rücken kehren
Wie kann ich Strom selber erzeugen? Solardach, Wärmepumpe, Redox-Flow-Batterie- es gibt diverse Möglichkeiten das Gewissen oder den Steuerberater zu besänftigen.
Sechs Prozent der Verbraucher produzieren bereits ihren eigenen Strom, hat eine neue Emnid-Umfrage im Auftrag des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZBV) ergeben. 41 Prozent würden das ebenfalls gern tun, scheuen aber die Ausgaben für die Technik.
Strom selber erzeugen: Welche Möglichkeiten gibt es?
Man darf unterstellen, dass viele der Millionen Bundesbürger, die sich in den vergangenen Jahren Solardachanlagen, Erdsonden oder Mikro-KWK-Anlagen zugelegt haben, nicht allein vom Gedanken an zukünftige Generationen getrieben worden sind: Manche motivieren laut Umfragen die steigende Energiepreise der Grundversorger, andere der Wunsch nach einem völlig energieautarken Leben. Letzteres – das sei hier schon verraten – ist für einen einzelnen Haushalt zwar theoretisch möglich, aber technisch und wirtschaftlich höchst anspruchsvoll.
Anders sieht es im Verbund mit Nachbarn aus. So gibt es heute von Sachsen-Anhalt bis in den Hochschwarzwald immer mehr, meist kleine Gemeinden und Ortsteile, die ihren Strom selber erzeugen. Das bedeutet nicht zwangsweise, dass sie ihre Strom- oder Fernwärmeleitungen zum etablierten Versorger kappen könnten (auch diese Dörfer gibt es). Es bedeutet eher, dass die Orte rechnerisch mehr regenerativ erzeugten Strom produzieren, als sie selbst verbrauchen – aber zu manchen Tageszeiten doch auf „Importe“ angewiesen sind.
So produziert etwa eine mit Flüssiggas gespeiste Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (KWK-Anlage) oder Biogasanlage genügend Wärme fürs lokale Hallenbad oder einen Mastbetrieb und liefert gemeinsam mit den Solaranlagen und dem Bürgerwindpark im Jahresschnitt genügend Strom, um damit auch die Nachbargemeinde zu versorgen.
Der überwiegende Teil der Haushalte, die ihren Strom selber erzeugen nutzt die Energie nicht für sich, sondern speist sie ins lokale Stromnetz ein und kassiert dafür die Einspeisevergütung für jede eingespeiste Kilowattstunde. Die Sätze sind nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) etwa bei Fotovoltaikanlagen für 20 Jahre ab Anschluss garantiert wird. Das dürfte sich vorerst auch nicht ändern.
Überlegungen des Bundesumweltministers, die garantierte Förderung nachträglich zu kappen, um die Kosten der Energiewende zu senken, hatte die Kanzlerin im Walkampf eine so deutliche Absage erteilt, dass es offener Walbetrug wäre, sollte es doch dazu kommen. Auch hätte ein entsprechendes Gesetz vor Gericht wohl kaum Bestand.
Die gängigste Lösung jener, die ihren Strom selber erzeugen ist die Installation einer Fotovoltaikanlage (PV-Anlage). Die umfasst die Solarpaneele auf dem Dach und einen Wechselrichter, der den produzierten Gleichstrom in haushalts- und netzüblichen Wechselstrom wandelt. Wer nicht direkt die Rendite aus der Einspeisevergütung – derzeit rund 15 Cent je eingespeister Kilowattstunde bei kleinen Dachanlagen mit 10 Kilowatt peak (kWp) Leitung – angewiesen ist, kann den Strom im Haus behalten. Entsprechend weniger teuren Haushaltsstrom (für derzeit rund 25 Cent) muss er einkaufen. Eine Lösung ist es, mit dem aktuell nicht genutzten Strom aus der PV-Anlage eine Wärmepumpe zu speisen. Die bezieht die Energie aus der Außenluft oder dem Boden und verteilt sie im Haus, etwa als Heizung, Warmwasser oder auch Kälte. Dazu braucht sie aber Strom, den man am besten aus einer PV-Anlage zieht.
Mit dieser Anlagenkombination gibt es Geld vom Staat
Mit der Kombination aus PV-Anlage und Wärmepumpe lässt sich zumindest ein konventioneller Neubau leicht auf den KfW-Standard 55 (Effizienzhaus) oder gar Standard 40 (Passivhaus) bringen. Die Zahl sagt aus, wie viel Energie prozentual im Vergleich zum „Standard-Haus“ nach Energie-Einsparverordnung (EnEV) verbraucht wird. Bauherren und Sanierer können sich so über die KfW-Tilgungszuschüsse von bis zu 50 000 Euro sichern.
Mehrere Tausend Euro Zuschuss erhalten Eigenheimbesitzer, die in erneuerbare Wärme investieren. Die Bundesregierung fördert derzeit besagte Wärmepumpen, Biomasseanlagen (Pelletheizungen) aber auch solarthermische Kollektoren, die Sonnenwärme direkt vom Dach in Wärme wandeln. Eine Übersicht über die Förderung von erneuerbarer Wärme bietet das für die Auszahlung zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa), das im Zusammenhang mit der legendären Pkw-Abwrackprämie Ruhm erlangte.
Stark im Kommen sind Stromspeicherlösungen fürs Eigenheim. Sie galten lange als zu groß, zu schwer und kaum bezahlbar. Aber wegen fallender Herstellerpreise und gestiegener Anwenderfreundlichkeit sind sie bei privaten Haushalten, die ihren Strom selber erzeugen wollen zunehmend gefragter. Damit lässt sich dann Sonnenstrom nachts verbrauchen, egal ob für die Waschmaschine oder das Elektroauto, das vielleicht einmal zum Kauf ansteht.
Zudem werden nun auch Speicher nach langem Gerangel innerhalb der Koalition nun gefördert. Die KfW hat das Kredit-Programm 275 („Speicher“) aufgelegt. Zudem lassen sich die Nettoinvestitionskosten, sofern sie der Speicher einige technische Kriterien erfüllt, bis zu 100 Prozent von der Steuer absetzen.
Der Grund ist, dass die Experten und Regierungen in den privaten Speichern einen Schlüssel zur Bewältigung der Probleme rund um die Energiewende sehen: Jede direkt vor Ort verbrauchte Kilowattstunde Strom muss nicht von der Gemeinschaft der Verbraucher vergütet werden, schont also die Geldbeutel aller. Zudem erhöht der Eigenverbrauch die Stabilität der lokalen Stromverteilernetze.
Es gibt konventionelle Blei-Akkus oder teurere und kleinere Lithium-Ionen-Akkus. Im Kommen sind sogenannte Redox-Flow-Batterien. Die sollen eine ähnliche Energiedichte wie Blei-Akkus haben, aber langlebiger sein. Und beim Preis sollen sie die Lithium-Ionen-Akkus bald deutlich schlagen. Als ein Problem bei allem Speichersystem gilt, dass sie in der Regel noch nicht intelligent mit dem Stromnetzbetreiber kommunizieren können und so nur bedingt zur Entlastung der Netze beitragen.
Vom heimischen Keller und Balkon aus Strom selber erzeugen
Viel Bewegung gibt es auch auf dem Markt für Anlagen zur ökologisch-freundlichen Wärmeproduktion. „Nur schätzungsweise etwa ein Viertel der Heizungen in deutschen Kellern ist auf dem Stand der Technik“, erklärt Philipp Vohrer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien. In Deutschland würde gut die Hälfte des Endenergieverbrauchs auf den Wärmebedarf entfallen. Die erneuerbaren Energien steuerten derzeit aber erst gut zehn Prozent zur Wärmeversorgung bei.
„Um diesen Anteil der Erneuerbaren zu steigern, stehen ausgereifte Technologien zur Verfügung“, sagt Vohrer. Dazu gehörten Holzheizungen und Wärmepumpen für Erd- und Umweltwärme ebenso wie Solarkollektoren. Die große Auswahl an unterschiedlichen Technologien zur Nutzung erneuerbarer Wärme könne an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden, sagt er. Vohrers Agentur für Erneuerbare Energien bietet online einen Konfigurator an, der eine erste Auskunft über Heizsysteme gibt, die zu Ihrem Haus passen. Das Tool richtet sich an Häuslebauer wie Modernisierer gleichermaßen.
Eine konventionellere Lösung zur kombinierten Wärme- und Stromerzeugung daheim bieten auch kleine Blockheizkraftwerke, die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung arbeiten: Mini- oder Mikro-KWK-Anlagen, früher nur für Wohnblocks oder Industrieanlagen konzipiert, eignen sich heute sogar für den kleinen Einsatz in Ein- bis Zweifamilienhäusern und zeichnen sich durch hohe Wirkungsgrade aus. Besonders wer einen überdurchschnittlich großen Wärmebedarf hat, etwa zum Beheizen eines Pools kann auf diesem Weg seinen Strom selber erzeugen und so eine Menge Energiekosten sparen.
Die Gasindustrie und Anlagenhersteller promoten diese Technologien. Viele davon, darunter die Berliner Gasag, fielen mit ihren ersten Geräten in den Markt aber auf die Nase – auch weil zugesagte Förderprogramme nicht kamen. Nun aber erobern auch diese Mikro-KWK-Anlagen Marktanteile. Neue Geräte überzeugen mit hohen Wirkungsgraden.
Wie Sie auch in einer Mietwohnung Strom selber erzeugen können
Wohnungsmieter hatten es bisher schwer, sich aktiv an der Energiewende oder überhaupt an der Stromerzeugung zu beteiligen: Dächer, Keller, wo man Anlagen installieren könnte, gehören dem Eigentümer. Doch es gibt Geräte auf dem Markt: Recht etabliert, aber eher eine Öko-Spielerei als ein Kostensparprinzip, sind mobile „Solar Charger“ diverser Hersteller für das Aufladen von Handys, Kameras und Tablet-PCs. Sie entlasten das Gewissen dennoch, bedenkt man, wie oft diese Geräte geladen werden müssen.
Etwas ernsthafter, aber definitiv nicht die Krönung der Ingenieursschöpfung, sind Solarmodule für den Balkon: Mini-PV-Anlagen. Die sind rund 80 mal 160 Zentimeter groß, wiegen knapp 20 Kilogramm und erzeugen eine Spitzenleistung von knapp 200 Watt. Das langt nicht, um einen Staubsauger oder gar eine Herdplatte zu speisen, aber um Akkus zu laden. Die Modelle kann man sogar an die Steckdose anschließen, damit sie den Strom in den Kreislauf des Hauses speisen – und so die Stromrechnung(aller Mieter im Haus) senken.
Allerdings können diese Mini-Anlagen Sicherungen und Schutzschalter Stromkreis des Hauses „überlisten“ und so selbst zum Sicherheitsrisiko werden, also Leitungen an anderer Stelle durchschmoren. Daher sollte vor dem Anschluss einer Mini-PV-Anlage an die Steckdose in jedem Fall der Hauseigentümer und ein Installationsbetrieb konsultiert werden.
Wenn man aber bedenkt, was sich allein in den vergangenen fünf Jahren auf dem Markt für private Stromerzeuger getan hat, dürfte es nicht mehr lange dauern, bis auch sinnvolle Geräte auf den Markt kommen, mit denen auch Otto-Normal-Mieter sich von seinem Stromversorger verabschieden und seinen Strom selber erzeugen kann.
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