Vermögensverteilung: Im Land der Erben
In Hessen werden die meisten Großerbschaften weitergegeben, in Berlin weitaus weniger. Generell wird sich das Vermögen hierzulande weiter konzentrieren.
In Berlin streiten sich die Menschen selten ums Erbe. Nun könnte man meinen, das liege an ihrem friedlichen, genügsamen Wesen. Daran, dass Geld für sie keine große Rolle spielt. Wahrer ist aber wahrscheinlich: Warum soll man sich streiten, wenn es gar nicht viel zu erben gibt?
Im bundesweiten Vergleich erben die Berliner etwas seltener als der Durchschnitt, und wenn sie erben, dann auch weniger als die Menschen in anderen Bundesländern. In Berlin erbt zudem nur knapp jeder zehnte Erbe mindestens 100000 Euro. Das ist nur eine halb so hohe Quote wie im Bundesdurchschnitt (16 Prozent). In Hessen, wo im Taunus bei Frankfurt am Main besonders viele Millionäre wohnen, gab es in fast jedem vierten Fall eine solch üppige Erbschaft. In Bayern und Hamburg in gut jedem Fünften, wie aus der Studie „Erbschaften in Deutschland“ hervorgeht. Die Quirin Privatbank hatte YouGov beauftragt, 7432 Interviews zu dem Thema zu führen. Die Erhebung sei repräsentativ.
Das Vermögen konzentriert sich weiter
Nach Meinung der Studienautoren entwickelt sich Deutschland zu einem Land von Erben. Die erste Nachkriegsgeneration konnte die recht lange Friedensphase immerhin nutzen, um sich einen gewissen Wohlstand aufzubauen – wovon nun ihre Nachkommen profitieren. Bislang hat mehr als jeder Dritte einmal in seinem Leben geerbt. Meist waren das Bargeld oder ein Bankguthaben, gefolgt von Immobilien und Schmuck. In Zukunft will allerdings jeder zweite Erwachsene etwas vererben. Am häufigsten in Baden-Württemberg (55 Prozent), seltener in Berlin (42 Prozent).
Eine Großerbschaft von mindestens 100000 Euro hat schon jeder Sechste in Deutschland bekommen. In Zukunft will diese Summe aber fast jeder Vierte an seine Geschwister oder Kinder weitergeben. Jeder Fünfte plant sogar, eine Viertelmillion zu vererben. „Die Themen Erben und Vererben werden in Deutschland immer wichtiger“, sagt Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Bank. Die Entwicklung zeigt aber auch: Das Vermögen einiger weniger wird sich hierzulande weiter konzentrieren.
Die Studienautoren erklären das mit dem steigenden Wert von Immobilien, die künftig in mehr als jedem zweiten Erbe enthalten sein sollen. Bislang waren Häuser, Grundstücke und Wohnungen nur in jedem dritten Erbe erhalten.
Schulz will Erbschaften stärker besteuern
Was Schmidt überrascht hat, war das „ausgeprägte Gerechtigkeitsempfinden der Deutschen“. Geht es um die Regelung des Erbes, gab jeder Zweite an, er halte eine gleichmäßige Verteilung des Vermögens unter den Erben für gerecht. 20 Prozent finden es in Ordnung, wenn Menschen, die es nötig haben, mehr bekommen oder sogar das gesamte Erbe. Kommt es zu Überraschungen für die Erben, sind Konflikte trotzdem programmiert. Wobei in Bremen (25 Prozent) fast doppelt so oft gestritten wird wie in Berlin.
Sollte Martin Schulz (SPD) die Bundestagswahl im September gewinnen, möchte er große Erbschaften stärker besteuern. Dabei soll es aber hohe Freibeträge geben, damit, „nicht das normale Haus der Eltern oder Großeltern betroffen ist“. Für viele Wähler dürfte das gerecht klingen, auch wenn sie es nicht so ganz verstehen. Laut der Studie fühlen sich nämlich 42 Prozent der Deutschen beim Thema Erbschaft nicht ausreichend informiert. Nach Meinung von Schmidt steigen also die künftigen Anforderungen an Bankberater, die zunehmend die Rolle des Finanz-Coaches für wichtige Lebens- und Finanzthemen ihrer Kunden übernehmen müssten. Der größte Beratungsbedarf besteht für sie bei der Erbschaftsteuer: Hier sind 33 Prozent der Befragten unsicher. Beim Thema Testament sind es 30 Prozent, bei Vollmachten 25 Prozent.