Das Millionärs-Gen: So ticken Deutschlands Superreiche
Über die Hochvermögenden in Deutschland ist so gut wie nichts bekannt. Es gilt: Über Geld spricht man nicht. Was hinter dem Erfolg der Superreichen steckt.
Während in Deutschland über Armut recht viel bekannt ist und veröffentlicht wird, existieren über die Welt der Millionäre und Milliardäre nur Annahmen. Mutmaßungen. Es gibt kaum wissenschaftliche Studien, und seit 1997 die Vermögensteuer ausgesetzt worden ist, haben Ökonomen nicht einmal eine Datenbasis. „Gerade dieser Personenkreis ist aber von besonderer Bedeutung, weil er einen beträchtlichen Teil des Gesamtvermögens besitzt“, sagt Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
Im letzten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung sollte deswegen zum ersten Mal die Situation von Vermögenden untersucht werden. Weil Wolfgang Lauterbach von der Universität Potsdam als führender Reichtumsforscher in Deutschland gilt, befragte er mit Grabka 130 Frauen und Männer mit einem frei verfügbaren Geldvermögen von mindestens einer Million Euro. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Befragten überwiegend Männer (75 Prozent), mindestens 50 Jahre alt (75 Prozent), verheiratet (61 Prozent) und hoch gebildet (57 Prozent) sind. Zwei Drittel gaben an, dass sie durch eine Erbschaft oder Schenkung reich geworden sind. Für 60 Prozent war es entscheidend, dass sie sich als Unternehmer selbstständig gemacht haben. Diesen Grund nannten deutlich mehr Männer (67 Prozent) als Frauen (39 Prozent). Gleichzeitig war für 21 Prozent der Frauen die Heirat der Hauptgrund; von den Männern nur bei drei Prozent.
Vom Leben lernen
Weil er die Noch-Reicheren, die Vermögenselite, wo jeder mindestens zehn Millionen Euro besitzt, untersuchen wollte, hat Rainer Zitelmann, 59, eine Dissertation über die „Psychologie der Superreichen“ geschrieben und sie in dieser Woche als Buch veröffentlicht. Sein Doktorvater: Wolfgang Lauterbach. Ein halbes Jahr lang hat der Unternehmer und Autor mit 45 deutschen Multimillionären und Milliardären gesprochen. Die anonymen Interviews füllen 1740 Seiten.
Was ihn am meisten überraschte, war, dass die Mehrheit in jungen Jahren ehrgeizigen Breiten- oder Leistungssport betrieben hatte. Sie ritten, schwammen, spielten Tennis – zum Teil sehr erfolgreich. Womöglich lernten sie dadurch, mit Sieg und Niederlage umzugehen und sich gegen Konkurrenten durchzusetzen. Außerdem hätten die meisten der Interviewten schon während der Schul- und Unizeit alles mögliche verkauft, von Kosmetikartikeln bis Wohnwintergärten, von gebrauchten Felgen bis zu Autowaschanlagen.
Der Mehrheit wurde es zu Hause allerdings auch schon beigebracht. 60 Prozent der Gesprächspartner gaben an, dass ihre Väter selbstständig gewesen waren. Wobei sie keine großen Konzerne leiteten, sondern kleine Handwerksbetriebe oder Bauernhöfe. Sie lernten wahrscheinlich früh, was sie später brauchten: unternehmerisch zu denken. „Ich glaube, dass das, was in der Schule und an der Uni gelernt wird, sehr überschätzt wird“, sagt Zitelmann. Vielmehr hätte implizites Lernen, das Sammeln von Erfahrungen, eine bedeutende Rolle in den Biografien der späteren Millionäre gespielt.
Kontakte und Macht
Obwohl das Arbeitsministerium die Studie von Lauterbach gefördert hatte, fehlten in der veröffentlichten Version bestimmte Passagen – und zwar darüber, ob Menschen mit mehr Geld einen stärkeren Einfluss auf politische Entscheidungen haben als Einkommensschwache. Dies ging aus einem Vergleich der ersten, vom Bundesarbeitsministerium verfassten Version mit der zweiten Version der Regierungsanalyse hervor, bei dem das Kanzleramt und andere Ministerien mitschreiben konnten. Die Empörung war groß.
Tatsache ist: 64 Prozent der Befragten haben Kontakte zu Personen mit gesellschaftlichem Einfluss. Knapp jeder Vierte hat kommunale, etwas mehr als die Hälfte hat regionale bis überregionale und gut ein Sechstel internationale. Je größer das Vermögen ist, desto häufiger sind Verbindungen in Wirtschaft und Politik. Von jenen, die weniger als zwei Millionen Euro besitzen, stimmten 39 Prozent zu, dass sie Kontakte zu Politikern pflegen. Von denen, die mindestens zwei Millionen haben, waren es 48 Prozent.
Gewissenhaft und extrovertiert
In beiden Studien benutzten Lauterbach und Zitelmann den Big-Five-Test, mit dem fünf Charaktereigenschaften analysiert werden: Aufgeschlossenheit, Gewissenhaftigkeit, Geselligkeit, Verträglichkeit und seelische Verletzlichkeit. Übereinstimmend kommen sie zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der befragten Hochvermögenden sehr offen für neue Erfahrungen und pflichtbewusst ist, extrovertiert und psychisch stabil. Außerdem sind sie eher konfliktorientiert als ausgesprochen verträglich.
Über den Persönlichkeitstest hinaus halten die Wissenschaftler fest, dass die Reichen ein großes Selbstbewusstsein haben. Sie sind bereit, gegen Widerstände zu handeln und Risiken einzugehen – und sich dessen bewusst. Diese Bereitschaft nehme im Laufe der Zeit allerdings ab. Wenn die Befragten Entscheidungen treffen, dann tut das die Mehrheit von ihnen aus dem Bauch heraus. Bei Umfragen in der Gesamtbevölkerung überwiegt hingegen der Anteil derer, die sagen, dass sie eher „nach dem Verstand“ entschieden.
Jemand, der vermögenden Menschen tagtäglich begegnet, ist Klaus Siegers, Chef der Weberbank. Die genannten Eigenschaften aus den Studien kann er generell bestätigen. Viele seiner Kunden seien äußerst ehrgeizig, diszipliniert, würden hart arbeiten – aber auch wissen, was sie können. „Das sind aber eben auch die Eigenschaften, die erfolgsführend sind“, sagt Siegers. „Wenn man denn Erfolg in Geld misst.“
Gelassen und zufrieden
Macht Geld glücklich? Lauterbach hat in seiner Studie herausgefunden, dass Hochvermögende durchaus zufriedener sind als die Gesamtbevölkerung. Während die Allgemeinheit auf einer elfstufigen Skala im Schnitt den Wert sieben und acht angab, wählten die befragten Millionäre häufiger die beiden obersten Werte. Dass Reiche überdurchschnittlich glücklich sein wollen, davon hat auch Weberbank-Chef Siegers gehört. „Das mag sein“, sagt er. „Sie haben aber auch ihre Sorgen. Die existieren unabhängig vom Kontostand.“
Vielleicht sei auch weniger ihr Reichtum der Grund für ihre Lebensfreude, und was sie sich damit leisten können, sondern ihre Einstellung. Viele seiner Kunden hätten durchaus schwere Zeiten und Krisen durchlebt. „Vermögende kennen nicht nur die Sonnenseite“, sagt Siegers. „Viele unserer Kunden sind aber sehr nervenstark.“
In den Interviews mit Zitelmann sagten die meisten ebenfalls, dass sie in Krisen ruhig und gelassen geblieben wären. „Einer hat mal 80 Millionen verloren, der andere war mal insolvent“, erzählt er. Zwar hätten ihm Gesprächspartner auch von schlaflosen Nächten berichtet, aber mehrheitlich hätten die Befragten gesagt, sie hätten auch in turbulenten Phasen ruhig schlafen und „abschalten“ können. Außerdem habe die Mehrheit der Befragten die Schuld an Rückschlägen und Verlusten nicht in äußeren Umständen oder bei anderen Menschen gesucht, sondern bei sich selbst und die Verantwortung übernommen. Und statt zu grübeln und mit sich zu hadern, hätten sie negative Dinge – so die Ergebnissen der Interviews und Persönlichkeitstests – schnell „abhaken“ können.
Die zehn reichsten Deutschen
In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl reicher Personen immer mehr angestiegen – auch in Berlin. Laut Weberbank gibt es bundesweit zwischen 1,2 und 1,3 Millionen Menschen, die über ein Nettovermögen von mindestens einer Million Euro verfügen – ohne Immobilien. In Berlin sollen rund 20 000 Millionäre leben. Dass so wenig über sie bekannt ist, liegt zum einen an den wenigen Daten. Ein anderer Grund sei, dass die Reichen Entführungen fürchten. Und weil man in Deutschland, anders als in den USA, eher über Krankheiten als über Geld sprechen würde.
Laut der letzten „Forbes“-Liste sind dies die zehn reichsten Deutschen:
1. Beate Heister (65) und Karl Albrecht junior (69) sind die Kinder des Aldi-Mitgründers Karl Albrecht senior, der im Juli 2014 verstarb. Netto-Vermögen: 23,8 Milliarden Euro.
2. Theo Albrecht junior (66) ist der Sohn des zweiten Aldi-Mitgründers Theo Albrecht senior, der in der Aufteilung des deutschen Marktes den nördlichen Teil übernahm. Netto-Vermögen: 18,7 Milliarden Euro.
3. Susanne Klatten (54) verdankt den Großteil ihres Vermögens ihrem Vater Herbert Quandt. Von ihm hat sie unter anderem Anteile an BMW geerbt. Netto-Vermögen: 17 Milliarden Euro.
4. Georg Schaeffler (52) ist ebenfalls Unternehmenserbe und besitzt mit seiner Mutter die Schaeffler Gruppe. Netto-Vermögen: 16,6 Milliarden Euro.
5. Dieter Schwarz (77) stieg 1973 in den Lebensmittelhandel seines Vaters ein. Als dieser 1977 verstarb, übernahm er die Leitung des Unternehmens. Netto-Vermögen: 14,3 Milliarden Euro.
6. Stefan Quandt (50) ist der Sohn von Herbert Quandt und Bruder von Susanne Klatten. Er hat den Großteil seines heutigen Vermögens wie sie geerbt. Netto-Vermögen: 14,8 Milliarden Euro.
7. Michael Otto (73) ist der Sohn von Werner Otto – Gründer des Otto-Versandhandels. Netto-Vermögen: 14,4 Milliarden Euro.
8. Heinz Hermann Thiele (75) ist Aufsichtsratsvorsitzender von Vossloh und Knorr-Bremse, wo er sich hochgearbeitet hat. Netto-Vermögen: 10,8 Milliarden Euro.
9. Klaus-Michael Kuehne (80) übernahm 1966 die Leitung des Logistikunternehmens seines Großvaters. Netto-Vermögen: 9,2 Milliarden Euro.
10. Hasso Plattner (73) verließ im Jahr 1972 seinen Arbeitgeber IBM, um gemeinsam mit vier seiner Kollegen SAP zu gründen – den größten deutschen Softwarehersteller. Netto-Vermögen: 9 Milliarden Euro.
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