Carsten Maschmeyer im Interview: „Ich habe einen langen Atem“
Der umstrittene Unternehmer Carsten Maschmeyer über Niederlagen, Investitionen in Start-ups und warum er über Berliner Gründer manchmal lachen muss.
Herr Maschmeyer, wie laut können Sie eigentlich brüllen?
Das ist eigentlich weniger meine Eigenschaft. Ich bin eher der analytische, abwartende Typ.
Das können Sie ab Herbst vor Millionenpublikum beweisen als Juror in der Vox-Show „Die Höhle der Löwen“, in der sich Start-ups um Investitionen bewerben. Wonach entscheiden Sie selbst, ob Sie Geld in ein junges Unternehmen stecken?
Das sind vor allem drei Gründe: Erst mal darf derjenige das Unternehmen nicht nur gegründet haben, weil er schon immer mal gründen wollte. Sondern er muss eine echte Idee, eine echte Erfindung mitbringen, mit der etwas besser, schneller oder günstiger wird. Zweitens favorisiere ich Geschäftsmodelle aus den Bereichen Health und Internet, letzteres ist für Start-ups ja so gut wie selbstverständlich. Und bekommt man im Bereich Health eine Zulassung beziehungsweise ein Patent, dann ist die Skalierbarkeit enorm.
Und drittens?
Der entscheidende Grund sind die Gründer selbst. Für mich gibt es keine guten Unternehmen, sondern nur gute Unternehmer. Wer die richtigen Ideen hat, der findet auch bei Problemen die richtigen Lösungen. Ich habe lieber ein First-Class-Team und ein Second-Class-Produkt als umgekehrt.
Mit Ihrem Unternehmen Alstin sind Sie in Deutschland an 14 Start-ups beteiligt, sechs der Unternehmen kommen aus Berlin, Freitag haben Sie sich beim Start-up Camp mit jungen Unternehmern ausgetauscht. Wie erleben Sie die Gründerszene in der Hauptstadt im deutschlandweiten und internationalen Vergleich?
Mich beeindruckt vor allem die Kreativität der jungen Menschen, auch wenn ich über manche Ideen schmunzeln muss.
Worüber zuletzt?
Das will ich nicht verraten. Mir gefällt aber, dass es nur wenige Copy Cats gibt, also Unternehmen, die nur die Ideen von anderen kopieren.
Aber gerade dafür ist Berlin doch dank der Samwer-Brüder und ihrem Unternehmen Rocket Internet bekannt.
Rocket Internet ist wahrscheinlich die beste Copy-Cat-Maschine Deutschlands, aber solche Geschäftsmodelle reizen mich nicht. Nachmachen ist für mich nicht fantasievoll. Ich sage jungen Menschen, die ein Start-up gründen wollen, deshalb immer: Erfinde – oder finde Erfinder. Und das gelingt vielen Berliner Start-ups erstaunlich gut, wie beispielsweise dem Limousinen-Service Blacklane und dem Unternehmen Barzahlen, das langfristig die klassische Bankfiliale teilweise ersetzen will. Beides sind Start-ups, an denen wir beteiligt sind. Weiter profitiert Berlin davon, dass es hier tolle Uni-Inkubatoren gibt, in denen sich Start-ups mit wissenschaftlichen und technischen Innovationen entwickeln können.
Wie viel Geld haben Sie bereits in Start-ups investiert?
Mehr als 100 Millionen Euro, aber konkreter will ich mich dazu nicht äußern. Das haben wir in der Familie schon immer so gehalten.
Sehr konkret sind allerdings die Reinfälle, die Sie mit einigen Ihrer Investitionen schon erlebt haben, beispielsweise mit den Start-ups Hausmed und dem Unternehmen 88TC88, was das „iTunes für China“ werden sollte. Auch der Einstieg beim ostdeutschen Fahrradhersteller Mifa war eine Pleite. Erst kürzlich gab es wieder Schlagzeilen um die Cum-Ex-Fonds der Sarasin-Bank, in die Sie investiert hatten. Wie unangenehm ist das für Sie als jemand, der sich gerne als Finanzguru inszeniert?
Nein, ich bin vielmehr stolz, dass wir eine so gute Quote bei unseren Start-ups haben. Normalerweise gilt bei der Finanzierung über Wagniskapital, das von zehn Start-ups neun schiefgehen und nur eines durch die Decke. Bei uns liegen dagegen mehr als die Hälfte der Investments auf Erfolgskurs. Aber das ist auch der Unterschied zwischen den USA und Deutschland. Hier blickt man oft mit Häme auf solche Investitionen, die nicht geklappt haben, und das schreckt dann leider potenzielle Investoren ab, was sich wiederum negativ auf die Gründerkultur in der Gesellschaft auswirkt.
Dennoch: Bisher ist Ihnen mit keinem Ihrer Start-ups ein großer Exit gelungen, womit Sie noch beweisen müssen, tatsächlich ein Händchen für das nächste große Ding zu haben.
Ich mache das ja auch erst seit vier Jahren. Und bei Start-ups gilt die Regel: Fünf Jahre wird investiert, weitere fünf Jahre wird der Exit angestrebt. Ich habe da auch einen sehr langen Atem. Und ich strebe nicht immer einen Exit an. Wenn sich eine Firma hervorragend entwickelt und hochprofitabel ist, kann ich die doch auch lebenslänglich behalten.
Sie sind als Unternehmer umstritten – auch wegen der AWD-Geschäfte. Gegen Ihr Engagement bei der Vox-Show gab es sogar eine Online-Petition. Wollen Sie „Die Höhle der Löwen“ deshalb auch zur Imagepflege nutzen?
Die Leute haben vielleicht viel über mich gelesen, aber wenn sie mich jetzt in der Sendung authentisch erleben, können sie sich ihr eigenes Bild machen. Das sollte man abwarten. Entscheidend für die Gründer wird auch sein, ob ich nur meine Visitenkarte abgebe oder ob ich mich wirklich um sie kümmern werde. Nicht nur mit Geld, sondern auch mit unternehmerischem Rat und meinem Netzwerk. Und das habe ich weiterhin vor.
Sie selbst haben in Ihrer Kindheit Hunger, Armut und Einsamkeit erlebt, sich aus diesen Verhältnissen hochzuarbeiten, war immer Ihr Antrieb. Ist der Wunsch nach Reichtum eine gute Voraussetzung, um erfolgreicher Unternehmer zu werden?
Mich hat der Wunsch nach Erfolg, und besser zu sein als andere, angetrieben. Das schlägt sich dann natürlich auch in dem Wert einer Firma und ihrer Gewinnentwicklung nieder. Deshalb ist Ehrgeiz sicher eine Eigenschaft, die Unternehmensgründer mitbringen sollten. Dazu kommt Durchhaltevermögen und Mut, auch ungewöhnliche Entscheidungen zu treffen.
Ist der große Unterschied zwischen dem jungen Unternehmer Maschmeyer damals und den Start-up-Gründern heute aber nicht vor allem auch, dass die Jungen zunächst weniger ans Geld denken und eher deshalb gründen, weil das als sexy gilt?
Das sind zwei verschiedene Punkte. Ich habe in der Finanzbranche angefangen, was automatisch mit dem Thema Geld assoziiert ist, weil das Produkt eben Geld ist. Diese jungen Start-up-Gründer heute wollen auch Geld verdienen, aber sie wollen gleichzeitig cool sein und in gewisser Weise gegen das Establishment rebellieren. Sich vom Angestellten zum Abteilungsleiter hochzuarbeiten, sich in den Anzug zu quetschen und von acht bis 17 Uhr am Schreibtisch zu sitzen, ist für sie nicht erstrebenswert. Ich kann das mittlerweile ganz gut verstehen.
Wenn Sie heute selbst ein Start-up gründen würden, dann im Bereich Finanzen?
Nein, ich würde das branchenunabhängig sehen. Ich stelle mir immer vor, dass es eine echte Erfindung sein muss, wie ein Geschäft, bei dem die Leute Schlange stehen für das Produkt oder den Service.
Nach diesen Ideen wird auch im Silicon Valley gesucht, wo Sie vergangene Woche gewesen sind. Wollen Sie Ihr Engagement in den USA ausweiten?
Das wird sich zeigen, aber im Silicon Valley kann man sehr gut Trends und Zukunftsentwicklungen ableiten.
Und was haben Sie aufgespürt?
Ganz klar, Apps sind nicht mehr im Fokus. Großer Trend sind gerade Dienste rund um den Bereich eCommerce. Auch die Sharing Industry bietet noch enormes Potenzial, wie beispielsweise der kalifornische Fahrdienst Uber und die deutsche Limousinen-Plattform Blacklane beweist. Dinge selber zu besitzen, um sie nur hin und wieder zu benutzen, sehen die meisten jungen Leute nicht als sinnvoll an.
Gibt es konkret ein Unternehmen, in das Sie investieren wollen?
Da möchte ich nicht zu viel verraten, denn wir sind ja alle im Wettbewerb und jeder möchte den nächsten Trend als Erster erkennen. Das ist so wie im Fußball, da verrät man als Verein auch nicht, an welchem Stürmer man gerade dran ist. Was ich im Vergleich zu den USA aber in Deutschland vermisse, ist der gelassenere Umgang mit Niederlagen.
Inwiefern?
In den USA wird es nahezu als Qualifikation gesehen, wenn man mit seinem Start-up gescheitert ist. Ich habe dort Leute erlebt, die gesagt haben: Ich hab schon zweimal ein Unternehmen gegründet, zweimal bin ich pleitegegangen, jetzt weiß ich, wie's geht. In Deutschland würde so jemand kaum noch eine Chance bei den Banken bekommen. Wir brauchen aber mehr Gelassenheit im Umgang mit Niederlagen und sollten uns auf die Erfolge konzentrieren, wenn wir die Gründerkultur in Deutschland vorantreiben wollen.
Sonja Álvarez