Bundesagrarministerin Julia Klöckner im Porträt: "Hunger haben wir net"
Die Bauern loben sie, in der Partei mag man sie. Doch von der Agrarministerin erhoffen sich viele mehr.
Es gibt Zeitschriften, in denen Spitzenpolitiker eher selten auftauchen. Die „Frau im Spiegel“ gehört dazu. Doch vor wenigen Monaten überraschte das Fachblatt für Adelsgeschichten, Kochrezepte und Gesundheitstipps mit einer Story über Bundesagrarministerin Julia Klöckner und ihren Freund Ralph Grieser. „Ihr großes Glück“, titelte die „Frau im Spiegel“ und freute sich so sehr über das „Exklusivinterview“ mit der Ministerin, dass Klöckner Popgeiger David Garrett und selbst das norwegische Königspaar Sonja und Harald als Titelstorys verdrängte. Seitdem weiß man, wen die CDU-Politikerin liebt (den Inhaber eines Oldtimerzentrums in Mülheim-Kärlich) und wie ein perfekter Tag beginnt (Kaffee und selbst geschnibbelter Obstsalat vom Lebenspartner).
Rundgang auf der Grünen Woche: "Hunger haben wir net"
Seit März ist Julia Klöckner im Amt, den traditionellen Rundgang auf der Grünen Woche hat sie tapfer überstanden. Das Hochamt auf der weltgrößten Ernährungsmesse ist eine extreme Herausforderung für Magen und Moral: Alkoholfreies Proteinbier, zuckerfreies Porridge, Mini-Salami, Wein und Torte sind am frühen Freitagmorgen eine gewöhnungsbedürftige Kombination. Klöckner steckt das locker weg. „Also, Hunger haben wir net“, sagt sie – und lächelt. Wie so oft.
Die Pfälzerin ist die Strahleministerin im Kabinett Merkel. Und auch wenn sie das nun wirklich nicht mehr hören kann: Die Amtszeit als Weinkönigin war ein gutes Training für öffentliche Auftritte. Ein „Lebensministerium“ ist das Agrar- und Ernährungsministerium für sie. Dass die Winzerstochter gutes Essen und Trinken zu schätzen weiß, glaubt man ihr, auch wenn sie stolze 17 Kilogramm abgenommen hat. Klöckner verbindet Bodenständigkeit und Lebenslust. Das hat sie gemeinsam mit Ilse Aigner, ihrer Vor-Vor-Vorgängerin. Unter Aigner war Klöckner einst Parlamentarische Staatssekretärin in ebenjenem Haus, in das sie Jahre später als Chefin zurückgekehrt ist.
In Rheinland-Pfalz hat es nicht geklappt
Zwischen Abschied und Rückkehr liegen zwei verpatzte Landtagswahlen in Klöckners Heimatland Rheinland-Pfalz. Gegen Malu Dreyer zog Klöckner den Kürzeren, obwohl sie im Wahlkampf vorübergehend sogar von Angela Merkels Flüchtlingspolitik abgerückt war – zumindest ein wenig. Klöckners Plan „A2“ war ein Mittelweg zwischen Merkels Kurs und dem „Plan B“ der CSU. Geholfen hat ihr das nicht. Ein drittes Mal in Rheinland-Pfalz dürfte es für die Frau von der Nahe nicht geben.
Bleibt die Bundespolitik, um Karriere zu machen. Modern und konservativ zugleich, das ist das Etikett, das man Klöckner anheften könnte. Nicht schlecht eigentlich für eine CDU, die auf der Suche nach Selbstvergewisserung und Orientierung ist, die Zukunftsthemen sucht, aber auch die Tradition bewahren möchte. Da wäre Klöckner genau richtig mit ihrer Wertschätzung für die Scholle und die gleichzeitige Begeisterung für die Digitalisierung. Wenn es Jens Spahn nicht gäbe. Der Gesundheitsminister reist auf demselben Ticket wie seine Parteifreundin. Mit der Kandidatur für den Parteivorsitz hat sich Spahn jedoch für Größeres empfohlen, auch wenn seine Zeit dieses Mal noch nicht gekommen war.
Der Raum für Klöckner ist in der Partei durch Spahns Bewerbungstour eng geworden, eine relevante Hausmacht hat sie in der Fraktion nicht. Dabei ist sie durchaus beliebt. Auf Parteitagen erzielt sie regelmäßig das beste Wahlergebnis, wenn es um die Parteivizeämter geht. Nur im Dezember musste sie Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier ausnahmsweise den Vortritt lassen, den der Parteitag für seine Wahlanstrengungen belohnen wollte. Sie wurde Zweite, Jens Spahn kandidierte übrigens nicht.
Warten auf den ganz großen Wurf
Auch in ihrem Amt als Landwirtschaftsministerin warten viele noch auf den ganz großen Wurf. Zwar zollen ihr selbst Kritiker Respekt dafür, dass sie sich in Themen schnell einarbeiten kann und zu Sitzungen gut informiert erscheint. Aber: Für das Tempo, das sie anfangs vorgelegt hat, sind die Resultate bescheiden.
Etwa beim Thema Glyphosat. Gerade einmal einen Monat nach Amtsantritt stellte Klöckner ein Eckpunktepapier vor, wie sie das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel in Deutschland zurückdrängen wollte. Es folgte Streit mit Umweltministerin Svenja Schulze, seitdem ist Funkstille. Oder in Sachen Tierwohllabel. Schon bald nach Amtsbeginn trommelte die Ministerin Lobbyisten zusammen und erklärte ihnen, dass es beim Tierwohllabel nicht mehr um das „Ob“, sondern nur noch um das „Wie“ gehe. Jetzt, Monate später, gibt es zwar einen konkreten Plan, wie das Siegel aussehen soll, doch der Handel ist schneller. Die großen Supermarktketten drucken ab April ihr Tierwohlsiegel auf die Fleischpackungen – ein Jahr bevor das Staatslabel auf den Markt kommt.
"Frau Klöckner muss jetzt liefern", sagt Deutschlands oberster Verbraucherschützer
„Frau Klöckner verschafft sich Raum und Gehör“, sagt Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Man merke, dass ihr die Themen wichtig sind. „Es besteht aber die Gefahr, dass sie von den Wirtschaftsverbänden und Unternehmen überholt wird. Das fände ich nicht gut.“ Das Glas, meint Müller, sei noch halb voll und nicht halb leer. „Aber Frau Klöckner muss jetzt liefern: Verbraucher erwarten Ergebnisse, Frau Klöckner muss zeigen, dass sie wirklich etwas verändern kann.“
Mit dieser Meinung steht Deutschlands oberster Verbraucherschützer nicht allein da. „Ich spreche Frau Klöckner nicht den Willen zum Umbau der Landwirtschaft ab“, sagt Felix Prinz zu Löwenstein, Chef des Bio-Branchenverbands BÖLW. „Aber wir sehen bisher nicht, wie das passieren soll.“
Eine Geschmacksnanny wolle sie nicht sein und auch keine Ernährungspolizei, das betont die Ministerin stets. Und so hat sie auch darauf verzichtet, der Ernährungsindustrie klare Vorgaben zu machen, wie sie Fett, Zucker oder Salz in ihren Produkten senken sollen. Stattdessen setzt Klöckner auf eine Selbstverpflichtung der Hersteller. Und muss darauf hoffen, dass diese tatsächlich liefern.
Einsatz für die Bienen
Dabei kann sie zupacken, das hat die 46-Jährige bewiesen. Bienen etwa liegen ihr am Herzen, die wichtigsten Bienengifte hat sie für den Einsatz auf dem Feld verboten. Und auch bei der Dürrehilfe hat Klöckner geliefert. Beim Bauernverband weiß man, was man an ihr hat. „Julia Klöckner hat aufgrund ihrer starken kommunikativen Fähigkeiten die Landwirtschaft in den Fokus der Medien und damit auch der Gesellschaft gebracht. Das tut uns gut, denn dadurch erfahren wir hoffentlich auch wieder mehr Wertschätzung für unsere Leistungen“, sagt Bauernpräsident Joachim Rukwied. Als „Lebensministerin“ spreche sie den Bauern aus dem Herzen, „denn wir sind es, die die Lebensmittel produzieren“. Etwa Obst für das Liebesfrühstück zu zweit.
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