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Schluss mit der Schufterei: Eine Firmenrente soll den Ruhestand finanziell versüßen. Doch die hohen Kassenbeiträge belasten Rentner. Foto: Getty Images/i-Stock
© Getty Images/iStockphoto

Altersvorsorge: Hoffnung für Betriebsrentner

Von der Firmenrente geht der volle Krankenkassenbeitrag ab. Das zehrt ein Fünftel der Vorsorge auf. Die Politik packt das Thema jetzt an.

Seit 14 Jahren werden Ruheständler, die gesetzlich krankenversichert sind und eine Betriebsrente beziehen, zur Kasse gebeten: Auf ihre betriebliche Zusatzvorsorge müssen sie statt des halben den vollen Krankenversicherungsbeitrag von 14,6 Prozent und den Pflegesatz von 2,55 Prozent zahlen. Etwa 5,5 Millionen Rentner sind betroffen. Einige Hunderttausend davon – genaue Zahlen sind nicht bekannt – sind zusätzlich belastet: Sie hatten vor Jahren ihre Sparleistungen bereits aus dem Nettoeinkommen bezahlt, also aus dem zurückgelegten Geld schon einmal ihren Obolus für Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet. In der Leistungsphase zum Beginn der Rente schlagen die Sozialkassen erneut zu – und dies, obwohl die Krankenkassen derzeit wegen der guten konjunkturellen Lage im Geld schwimmen.

SPD UND LINKE MACHEN DRUCK

Einzelne Politiker aller Fraktionen wollen die hohe Belastung der Betriebsrentner nun reduzieren. Druck machen dabei vor allem die Linke und die SPD, doch auch 43 Abgeordnete der Union sprachen sich zuletzt für eine Neuordnung aus. Im Dezember 2017 hatte die Linke einen Antrag in den Bundestag eingebracht und die Groko aufgefordert, „einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die doppelte Beitragszahlung auf Direktversicherungen und Betriebsrenten in der Anspar- und in der Auszahlungsphase beendet“. Doch der Antrag wurde abgeschmettert. Zwei Mal bereits tagte der Gesundheitsausschuss des Bundestages zum Thema. Doch wie eine Entlastung konkret aussehen könnte, bleibt strittig. Auch Gewerkschaften, Sozial- und Arbeitgeberverbände kritisieren die derzeitige Praxis. Vor allem Geringverdienern bleibe durch die doppelten Beiträge wenig von der zusätzlichen Altersvorsorge, klagt der Deutsche Gewerkschaftsbund. Rechtlich sei an den hohen Beiträgen nichts zu beanstanden, räumt die IG Metall ein. Klagen der Gewerkschaften bis vor das Bundesverfassungsgericht blieben erfolglos. Aus diesem Grund, fordert die IG Metall, müsse jetzt schnell eine politische Lösung her.

WARUM BETRIEBSRENTNER ZAHLEN

Ursache der Doppelbelastung ist ein Gesetz der rot-grünen Bundesregierung aus dem Jahr 2003, das die damals schwierige Finanzlage der Krankenversicherungen stabilisieren sollte. Neben der Praxisgebühr und höheren Zuzahlungen nahmen die Sozialpolitiker von SPD und Grünen auch die Betriebsrenten ins Visier, auf die gesetzlich versicherte Rentner bis dahin nur den halben Beitragssatz zahlen mussten. Wurde die Zusatzvorsorge als Kapitalleistung auf einen Schlag ausgezahlt, konnten die Sozialkassen gar nicht zugreifen. Seit 2004 jedoch müssen Betriebsrentner, die in der GKV versichert sind, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag komplett zahlen. Es gilt dabei zwar eine Freigrenze, die 2018 bei exakt 152,25 Euro im Monat liegt. „Freigrenze“ ist dabei jedoch nicht mit Freibetrag zu verwechseln: Nur wer maximal 152,25 Euro Zusatzrente erhält, bleibt beitragsfrei. Wer jedoch nur einen Cent mehr kassiert, also 152,26 Euro oder mehr, muss die Betriebsrente komplett mit den Kassen teilen.

WAS VOM KAPITAL BLEIBT

Im Falle einer Kapitalausschüttung wird die Gesamtsumme fiktiv aufgesplittet. Der Rentner muss den Kassen dann 120 Monate, also zehn Jahre, jeden Monat Sozialbeträge für 1/120 der Auszahlung überweisen. Wer beispielsweise zu Rentenbeginn von seiner Direktversicherung 100 000 Euro erhält, muss davon über zehn Jahre deutlich mehr als 17 000 Euro an die Kassen abzweigen, das sind gut 140 Euro jeden Monat. Zusätzlich nagten in den vergangenen Jahren die Niedrigzinsen und zuletzt auch die Inflation wieder an den Ersparnissen. 2003 jedoch hatte die Regierung auch eine andere Lastenverteilung in der Gesellschaft im Visier und wollte Rentner stärker an den Kosten beteiligen, die sie als ältere Menschen zwangsläufig in einem höheren Ausmaß verursachen.

RÜCKWIRKENDE BELASTUNG

Das Gesetz galt damals jedoch nicht nur für die Zukunft, sondern griff auch rückwirkend in bereits geschlossene Verträge ein. Denn als Rentner mussten die damalige Alterssparer sich plötzlich auf eine deutlich niedrigere Zusatzrente als erwartet einstellen. Damit wischte die Politik vor 14 Jahren die Finanzplanung von Millionen Alterssparern einfach vom Tisch. Nach Berechnungen der IG Metall kostete die Neuregelung die Rentner etwa ein Fünftel ihrer betrieblichen Vorsorge – bis heute.

PRIVATVERSICHERTE SIND VERSCHONT

Von der „Doppelverbeitragung“, wie der Vorgang im Beamtendeutsch genannt wird, sind nur gesetzlich Versicherte betroffen. Privat Versicherte müssen für Renten aus Direktversicherungen oder Pensionskassen keine Beiträge an ihre privaten Kassen abzweigen. Nicht betroffen sind künftig auch Riester-Renten, die über den Arbeitgeber abgeschlossen wurden. Sie bleiben seit Anfang des Jahres in der Auszahlungsphase frei von Kassenbeiträgen. Damit würden nun verschiedene Formen der betrieblichen Altersvorsorge nicht gleich behandelt, kritisiert der Linken-Abgeordnete Matthias Birkwald.

WER BESONDERS BETROFFEN IST

Zu jenen, die seit 2004 in der Spar- und in der Leistungsphase Sozialbeiträge abführen müssen, also doppelt zur Kasse gebeten wurden und werden, zählen vor allem ehemaligen Mitarbeiter der chemischen Industrie, die echte Eigenbeträge in die Pensionskassen einzahlten. Betroffen sind zudem Rentner, die ihre Betriebsrenten ab einem bestimmten Zeitpunkt alleine fortführten, etwa nach einem Arbeitgeberwechsel. Fast immer handelt es sich dabei um alte Verträge, denn 2002 wurde die Entgeltumwandlung eingeführt. Seither können Arbeitnehmer vier Prozent vom Brutto in die Altersvorsorge stecken, ohne dass sie dafür Sozialbeiträge zahlen müssen. Dafür sind die daraus ersparten Renten im Alter abgabepflichtig.

GIBT ES RÜCKZAHLUNGEN?

Politisch seien nun mehrere Wege möglich, sagt Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge (aba). Entschieden werden müsse zunächst, ob „die Doppelbelastung seit 2004 rückabgewickelt werden muss“. Dies würde bedeuten: Alle Betriebsrentner erhielten die halben Beiträge aus 14 Jahren erstattet. Die Kosten dafür würden sich auf etwa 40 Milliarden Euro summieren, bestätigte das Bundesgesundheitsministerium kürzlich. Eine Rückkehr zum rechtlichen Status des Jahres 2003, also halbe statt ganze Beitragssätze ab sofort plus Beitragsfreiheit für Kapitalausschüttungen, koste die Kassen jedes Jahr etwa 2,6 Milliarden Euro, rechnet Stiefermann vor. Für politisch denkbar hält der Fachmann auch eine Lösung, die die Freigrenze auf 250 Euro im Monat erhöhen würde: „Damit wären bis zu 40 Prozent der laufenden Betriebsrenten beitragsfrei.“ Allerdings müssten dann Ruheständler ab 250,01 Euro wieder für die komplette Rente Kassenbeiträge zahlen. Für sinnvoller hält Stiefermann eine Lösung, von der alle profitieren, also entweder die Rückkehr zum Status vor 2004 oder aber einen echten Freibetrag. Läge dieser etwa bei 150 Euro pro Monat, kostete dies die Kassen jedes Jahr 1,3 Milliarden Euro. Für denkbar halten manche auch eine Stufenlösung, die die gegenwärtige Freigrenze von 152,25 Euro in einen echten Freibetrag verwandeln und damit Betriebsrenten, die mehrheitlich unter 250 Euro liegen, rasch entlasten würde. Zweiter Schritt wäre dann die Rückkehr zum halben Beitragssatz. Davon, dass grundsätzlich Korrekturen nötig sind, ist Stiefermann überzeugt: „Die doppelte Beitragslast ist unsystematisch, unfair und schafft gravierende Fehlanreize gegen die wichtige Betriebsrente.“

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