Finanzaufsicht Bafin warnt vor "ernster" Lage: Angst um die Betriebsrente
Die Finanzaufsicht Bafin warnt vor Zahlungsschwierigkeiten. Die Grünen wollen jetzt wissen, welche Pensionskassen betroffen sind.
Die Unsicherheit ist groß, die Sorge um die Betriebsrente wächst. Auch bei der Finanzaufsicht Bafin. „Die Lage ist heute noch ernster als vor zwei Jahren. Und wenn die Zinsen auf dem aktuellen Niveau bleiben, wird sie sich noch weiter verschärfen“, warnte kürzlich Deutschlands oberster Versicherungsaufseher, Frank Grund. Ein Drittel der 137 Pensionskassen, die die Betriebsrenten von acht Millionen Bundesbürgern ansparen oder auszahlen, steht bereits unter „Manndeckung“ der Bafin. Bei einigen Kassen ist die Situation besonders dramatisch. Zwei kleine Pensionskassen stehen angeblich kurz davor, Leistungen an heutige und künftige Betriebsrentner zu kürzen. Doch um wen es sich handelt, sagt die Bafin nicht.
„Bei der Bafin wird mir zu wenig für den Schutz der Versicherten unternommen“, sagte Gerhard Schick, Finanzexperte der Bundestagfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, dem Tagesspiegel. Seine Fraktion hat nun eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, um zu erfahren, wie ernst die Lage ist, welche Kassen betroffen sind und wie viele Bürger um ihre Altersvorsorge bangen müssen.
Finanzkrise trifft jetzt die Altersvorsorge
Bei zehn Prozent der Pensionskassen, sagt die Bafin selbst, ist die Lage „sehr ernst“. Die Grünen wollen wissen, um welche Anbieter es sich handelt und wie viele Menschen dort versichert sind. Zudem soll die Bundesregierung Auskunft darüber geben, wie viele Menschen mit Kürzungen ihrer Betriebsrenten oder ihrer Ansprüche auf eine spätere Rente rechnen müssen. „Die Lage bei vielen Pensionskassen ist ernst“, gibt Schick zu bedenken. „Die Finanzkrise, die vor zehn Jahren mit Bankenpleiten sichtbar wurde, hat sich verlagert und trifft immer stärker die betriebliche Altersvorsorge“, warnt der Finanzexperte. „Ich finde die Versicherten haben ein Recht darauf zu erfahren, wie es um ihre Kasse steht. Für viele Menschen sind die Zahlungen an Pensionskassen schließlich ein wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge.“
Probleme gibt es schon länger
Schon vor zwei Jahren hatte die Bafin ungewöhnlich scharfe Worte gewählt: Man habe mehr als eine Handvoll der deutschen Pensionskassen unter „Manndeckung“ nehmen müssen, so Grund. Kürzlich verschärfte der Versicherungsaufseher seine Wortwahl weiter: „Ohne zusätzliches Kapital von außen werden einige Pensionskassen nicht mehr ihre vollen Leistungen erbringen können.“ Die Lage sei noch ernster als vor zwei Jahren.
Woher die Probleme kommen
Grund für die Probleme ist vor allem die aktuelle Zinssituation. Gerade Rentenversicherer müssen häufig recht hohe Renditeversprechen an Altkunden erfüllen. 3,2 Prozent müssen die Pensionskassen derzeit im Schnitt erwirtschaften, um nicht nur jüngere Verträge mit geringeren Verpflichtungen, sondern auch alte Verträge mit noch hohen Garantien bedienen zu können. Angesichts der niedrigen Renditen sicherer Anlagen wird dies immer schwieriger. Zusätzlich müssen die Pensionskassen mit der steigenden Lebenserwartung zurechtkommen. Was dies für die Beschäftigten bedeutet, hängt von ihren Verträgen und vom Arbeitgeber ab.
Was die Schieflagen bedeuten
Vor allem ältere Arbeitnehmer sind hier im Vorteil: Denn fix versprochene Rentenzusagen sind grundsätzlich einzuhalten, verlangt das Betriebsrentengesetz. Gerät eine Pensionskasse also in Schieflage und muss sie Zahlungen kürzen, dann springt im Normalfall der Arbeitgeber ein, der den Rentnern die Differenz zwischen versprochenen und tatsächlich ausgezahlten Renten notfalls aus dem Betriebsvermögen erstatten muss. Jüngere Arbeitnehmer erhalten dagegen inzwischen meist keine konkreten Rentenversprechen mehr. Sie werden sich also unter Umständen auf sinkende Betriebsrenten einstellen müssen – es sei denn, die Lage an den Zinsmärkten ändert sich nachhaltig.
Bafin fordert Finanzspritzen
Die Bafin drängt die schwächelnden Kassen schon länger dazu, von ihren Trägern und Aktionären Finanzspritzen einzufordern, um das Geschäft wieder zu stabilisieren. Allerdings sind die Unternehmen nur verpflichtet, ein Minus bei der versprochenen Rente auszugleichen, nicht aber, die Finanzlage der Pensionskassen zu stärken. Zahlen können Arbeitgeber auch nur, wenn es sie noch gibt, wenn sie nicht pleitegegangen und selbst liquide sind. Bei sieben Prozent aller Bezugsberechtigten hat die Bafin aktuell erhebliche Zweifel, ob die Arbeitgeber Hilfe leisten. Dies gilt laut Finanzaufsicht vor allem für Kassen, die mit einer großen Zahl von Unternehmen zusammenarbeiteten. In 17 Fällen haben Pensionskassen in den vergangenen vier Jahren bereits den sogenannten Rentenfaktor zulasten künftiger Rentner gekürzt, um gravierendere Probleme abzuwenden. Der Rentenfaktor setzt die eingezahlten Beiträge in ein Verhältnis zu den späteren Auszahlungen in der Rentenphase. Wird er gesenkt, schrumpft die Rente.
Hilft Protektor?
Ginge eine Kasse komplett pleite, spränge in einigen Fällen der Sicherungsfonds Protektor ein, dem etwa 20 Pensionskassen angeschlossen sind. Rentner erhielten ihre betriebliche Zusatzrente dann direkt von dieser Unterstützungseinrichtung. Diese Kassen müssen, wie die Lebensversicherer, seit 2011 auch zusätzliche Reserven aufbauen, um die Zinsebbe leichter in den Griff zu bekommen. Die meisten Pensionskassen sind jedoch als Vereine organisiert und können im Notfall problemlos ihre Leistungen kürzen oder höhere Beiträge verlangen. In beiden Fällen müssen Arbeitgeber notfalls versprochene Rentenlücken auffüllen. Pensionskassen sind in Deutschland eine besonders beliebte Form der betrieblichen Altersvorsorge, neben Pensionsfonds, Direktversicherungen oder Unterstützungskassen. Häufig lagern Unternehmen bestimmter Branchen oder Berufsgruppen ihre tarifvertraglich oder auch freiwillig eingeräumten Beiträge zur Altersvorsorge an eine Kasse aus.
Wer schon gekürzt hat
Größte Pensionskasse ist, gemessen am verwalteten Vermögen von knapp 27 Milliarden Euro, der BVV Versicherungsverein für das Bankgewerbe, gefolgt von den Pensionskassen von Allianz, Bayer, BASF und Hoechst. Die BVV hatte bereits 2016 Konsequenzen aus dem Zinstief ziehen müssen und zum 1. Januar 2017 ihre Rentenzusagen um gut 24 Prozent deutlich nach unten korrigiert – zwar auch für Altverträge, aber nur für Beiträge, die nach diesem Zeitpunkt eingezahlt wurden. Die meisten Banken hatten umgehend zugesagt, etwaige Rentenlücken zu übernehmen. Insgesamt betreut die Pensionskasse 757 Unternehmen, 352 000 Versicherte und 111 000 Rentner. Auch die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, die gut 350 000 Angestellte im öffentlichen Dienst versichert, hat bereits Mitte 2016 die Verzinsung schlagartig gesenkt. Dies bedeutete in manchen Fällen, dass die erwartete Rente um zwei Drittel schrumpfen könnte. Allerdings sind solche Berechnungen stets nur Momentaufnahmen.
Keine Kündigung, sagen Verbraucherschützer
Verbraucherschützer raten trotz dennoch von einer vorschnellen Kündigung der Betriebsrente ab. „Kündigungen sind nur in Einzelfällen möglich“, sagte der Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, Niels Nauhauser, der „Bild“-Zeitung. In der Regel komme nur eine Einstellung weiterer Beitragszahlungen möglich. Sparer sollten ihre Altersvorsorge als Ganzes auf den Prüfstand stellen. Nicht jede Betriebsrente ist empfehlenswert, meinen Verbraucherschützer. Besonders reine Entgeltumwandlungen – also betriebliche Vorsorgen ohne Zuschüsse der Arbeitgeber – lohnten sich häufig nicht. Betriebsrenten sind in der Auszahlungsphase steuerpflichtig, zudem ist jenseits niedriger Bezüge bis 148,75 Euro pro Monat der volle Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung fällig. Umgekehrt kann jeder Beschäftigte aber auch 3120 Euro pro Jahr steuer- und beitragsfrei in eine Betriebsrente stecken.