SPD will niedrigere Sozialbeiträge auf Betriebsrenten: "Wir müssen das korrigieren"
Für Betriebsrenten ist der Krankenkassen-Beitrag doppelt so hoch wie bei gesetzlichen Renten. Die SPD will diese Ungerechtigkeit beseitigen - und erhält Zustimmung aus der Union.
Es würde „den sozialen Frieden im Land stärken“, sagte SPD-Chefin Andrea Nahles schon im Bundestagswahlkampf, als sie noch Sozialministerin war. Es wäre ein Rezept gegen die „Vertrauenskrise“, in der sich die Altersvorsorge befinde, ist nun auch aus der Union zu hören. Wenn es bloß nicht so teuer wäre.
Knappe 2,7 Milliarden Euro würden der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) pro Jahr entgehen, wenn auf Betriebsrenten und Zahlungen entsprechender Versorgungswerke nicht mehr der volle, sondern nur noch der halbe Krankenversicherungssatz erhoben würde. Bisher hat das die Regierenden von Änderungen abgehalten. Trotz des Ärgers der Betroffenen, die seit 2004 von ihrer Zusatzrente doppelt so viel abgezogen bekommen wie von der gesetzlichen Rente. Trotz der offensichtlichen Ungerechtigkeit. Und trotz der nicht gerade förderlichen Wirkung auf den politisch erwünschten Abschluss von mehr zusätzlichen Altersvorsorgeverträgen.
"Ungerecht und ein unhaltbarer Zustand"
Doch nun prescht die SPD voran. Es sei „ungerecht und ein unhaltbarer Zustand“, dass bei Betriebsrenten der volle Krankenkassenbeitrag zu zahlen sei, sagte der Gesundheitsexperte und Fraktionsvize der SPD, Karl Lauterbach, dem Tagesspiegel. „Wir müssen das korrigieren und werden das jetzt mit der Union verhandeln.“ Das sei auch die Position von Nahles und Sozialminister Hubertus Heil. Schließlich spielten die Betriebsrenten eine zentrale Rolle, um das Rentensystem stabil zu halten. Er sei sehr zuversichtlich, sagte Lauterbach, eine Halbierung der Beiträge für Betriebsrentner zu erreichen – obwohl es der SPD wegen des Widerstands der Union nicht gelungen sei, dieses Anliegen im Koalitionsvertrag unterzubringen.
Tatsächlich gibt es auch in der Union den Wunsch, die Schieflage zu beseitigen. So fordern etwa Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) und die CSU-Sozialpolitikerin Emmi Zeulner in gleichlautenden Anträgen für die nächsten Parteitage von CDU und CSU ebenfalls halbierte Kassenbeiträge für Betriebsrentner. Begründung: Die Niedrigzinspolitik belaste ohnehin schon insbesondere „die zweite und dritte Säule unseres Altersvorsorgesystems“. Und die betriebliche Altersvorsorge leide „aufgrund teilweise mehrfacher Beitragsbelastungen zunehmend unter einem Akzeptanzproblem“.
Gesundheitsministerium: Solidargemeinschaft kann die Kosten nicht tragen
Im CDU-geführten Gesundheitsministerium dagegen herrscht Skepsis. Man könne nur darauf verweisen, heißt es dort, dass der Lauterbach-Vorschlag ziemlich teuer käme, dass die Solidargemeinschaft die Kosten nicht tragen könne, dass der Fraktionsvize damit ein SPD-Gesetz rückgängig machen wolle und dass der Konflikt mit einer Halbierung des Betragssatzes für künftige Betriebsrentner nicht befriedet wäre, weil dann auch „Altfälle“ auf Rückzahlungen bestünden. Eine komplette Rückabwicklung des Ulla-Schmidt-Gesetzes koste aber 40 Milliarden Euro.
Wegen der hohen Kosten hält auch der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales in der CDU-Fraktion, Peter Weiß, eine Halbierung der Beiträge auf Betriebsrenten für nicht möglich. Zudem gebe es, wenn man dem SPD-Vorschlag folge, gleich wieder ein anderes Gerechtigkeitsproblem, sagte er dem Tagesspiegel. Die ohnehin schon schlechter gestellten Beschäftigten ohne Betriebsrente hätten dann über höhere Kassenbeiträge auch noch für die finanzielle Besserstellung von Beschäftigten mit Betriebsrente aufzukommen.
Unionsexperte empfiehlt Kompromiss mit Freibeträgen
Um dennoch eine „Befriedung“ zu erreichen, schlägt Weiß vor, die bisherige Freigrenze von 152,25 Euro im Monat, bis zu der Betriebsrentenzahlungen schon heute beitragsfrei bleiben, zu einem Freibetrag umzuwandeln. Will heißen: Der Kassenbeitrag sinkt auch für diejenigen, die höhere Betriebsrenten erhalten. Mussten sie bisher ihre gesamte Betriebsrente voll verbeitragen, so würde das künftig nur noch für Einkünfte oberhalb des neuen Freibetrages gelten. „Damit würden“, so heißt es in dem Konzept, „kleine Betriebsrenten besonders geschont, höhere Betriebsrenten im Vergleich dazu aber angemessen an der GKV-Finanzierung beteiligt.“
Bei der Anwendung des neuen Freibetrags entstünden nur Mehrausgaben von 1,2 Milliarden Euro, wirbt Weiß für seinen Vorschlag. Und wenn man die Mindereinnahmen zur Hälfte über Steuermitteln ausgleiche, wäre angesichts der guten Einnahmesituation der Kassen „keine neue Beitragsrelevanz zu erwarten“.
Steigen bei einer Reform die Krankenkassenbeiträge für alle?
Ein Freibetrag sei „keine saubere Lösung“, weil er die Ungerechtigkeit nicht beseitige, kontert Lauterbach. Und eine Halbierung der Beiträge auf Betriebsrenten müsse keineswegs zu einer höheren Belastung für alle gesetzlich Versicherten führen. Zum einen halte die positive Einnahmeentwicklung der Krankenkassen an. Zum andern gebe es dort noch „großes Sparpotenzial“ bei den Arzneiausgaben.
Linnemann argumentiert ähnlich. Die Union müsse offensiv mit dem Thema umgehen, sagte er dieser Zeitung, denn es betreffe immer mehr Menschen. Er sei „guter Dinge, dass wir dafür bei den Parteitagen eine Mehrheit bekommen.“ Und was die Finanzierung betrifft, gebe es im System „noch viele Sparmöglichkeiten, ohne dass die Gesundheitsversorgung in Deutschland darunter leidet“.