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Der Salzstock Gorleben ist aus dem Verfahren ausgeschieden. 54 Prozent des Bundesgebiets sind noch vertreten.
© Thomas Trutschel/ Imago

Der Ton in der Endlagersuche wird schärfer: „Gorleben ist raus und alle sind auf einmal hellwach“

Am Freitag startet die Endlager-Konferenz. Verbände und Politiker fordern teils ihre Verschiebung – und kritisieren den wenige Monate alten Zwischenbericht.

Als die Geschäftsführer der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) Ende September in Berlin eine Deutschlandkarte in die Kamera hielten, waren größere Teile Sachsens eingefärbt, so wie 54 Prozent des Bundesgebiets (Background berichtete). Die Hervorhebungen geben Aufschluss darüber, welche Regionen sich geologisch für ein Endlager eignen, darunter eben auch Regionen des östlichen Bundeslandes. Doch wenn die Experten des sächsischen Landesamtes für Geologie auf die Regionen blicken, kommen sie zu einem anderen Ergebnis. Sie bemängeln die Karte und das kann man wohl auch als politisches Statement verstehen.

Gerade erst veröffentlichte das Amt ein 42-seitiges Papier samt Tabellen, Karten und ausführlichen Erläuterungen zum Untergrund des Landes. Fein säuberlich rechnen die Mitarbeiter die Fläche herunter, die die BGE in Sachsen noch im September als sogenannte Teilgebiete ausgewiesen hat. Diese sind im Standortauswahlgesetz definiert als Regionen, die gute geologische Voraussetzungen für die sichere Endlagerung hochradioaktiver Abfälle erwarten lassen.

Die sächsischen Geologen ziehen unter anderen Bohrdaten heran, die von der BGE bislang nicht ausgewertet worden sein sollen. Ganze Formationen „erfüllen die Wirtsgesteinsdefinition nicht“, heißt es. Am Ende seien in Sachsen, so die Rechnung, nur 5371 anstatt 11.526 Quadratkilometer geologisch geeignet. Die Abweichung erkläre sich dadurch, „dass die Wirtsgesteine Steinsalz, Tongestein und Kristallingestein in einigen Regionen der in Sachsen ausgewiesenen Teilgebiete nicht vorkommen“.  

„Bestenfalls die Vorstufe eines Zwischenberichts“

Die Stellungnahme des sächsischen Landesamtes zeigt, welche Diskussionen den Akteuren der Endlagersuche wohl bevorstehen. Der Suchprozess, vor Jahren neu aufgesetzt, hatte mit dem ersten Zwischenbericht eine wichtige Wegmarke genommen. 90 Gebiete im ganzen Bundesgebiet, Salz-, Ton- und Granitgesteine, kommen nach geologischen Kriterien als Standort für ein Endlager in Betracht. Neben Regionen im Norden oder Baden-Württemberg sind vor allem Gebiete in Sachsen und Bayern ausgewiesen. Derzeit entwickelt die BGE Methoden, um die Gebiete mit möglichen Standorten für ein Endlager weiter einzugrenzen und Regionen für den nächsten Schritt, die übertägige Erkundung, vorzuschlagen.

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Doch noch bevor es weitergehen soll, üben Verbände und Politiker massive Kritik. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht erhebliche Mängel in dem Bericht. „Da wesentliche gesetzliche Anforderungen nicht umgesetzt wurden, muss er als Vorstufe zum eigentlichen Zwischenbericht Teilgebiete gewertet werden“, formulierte der BUND am Mittwoch. Eine Aussage, inwieweit sich die von der BGE als günstig bezeichneten Teilgebiete wirklich für ein Atommülllager eignen, lässt sich laut BUND mit den verwendeten Daten überhaupt nicht treffen.

„Noch immer liegen viele geologische Daten gar nicht vor“, sagte auch der Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel (Die Linke). Der Bericht der BGE sei „bestenfalls ein Zwischenbericht auf dem Weg zu einem Zwischenbericht“.

Wichtige Wegmarke für Beteiligung der Öffentlichkeit

Der Zeitpunkt der Kritik ist wohlüberlegt. Am Freitag beginnt jene Konferenz, auf der über die Ergebnisse mit Politik und Wissenschaft, Kommunen und gesellschaftlichen Gruppen diskutiert werden soll. Zwei weitere Runden sind bis Juni geplant. Für die Endlagersuche ist die sogenannte Fachkonferenz Teilgebiete ein wichtiger Zwischenschritt. Die BGE muss die Ergebnisse der Konferenzen bei ihrer weiteren Arbeit berücksichtigen. 1592 Anmeldungen verzeichneten die Organisatoren, mehr als 500 allein von Vertretern der Kommunen.

Dem Vernehmen nach ist die BGE mit Anfragen aus zahlreichen Gemeinden konfrontiert, die nicht nachvollziehen können, warum ihre Regionen noch im Verfahren sind. „Der Salzstock Gorleben ist raus und alle sind auf einmal hellwach - weil es jetzt wirklich jeder andere Ort werden könnte“, hieß es politischen Kreisen.

„Die Fachkonferenz Teilgebiete muss auf einen Zeitpunkt verschoben werden, an dem virtuelle Formate zumindest wieder durch Präsenzveranstaltungen ergänzt werden können“, sagte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt am Mittwoch. Interessierte bräuchten mehr Zeit, um sich einzuarbeiten. Der Linken-Abgeordnete Zdebel bemängelte: „Unter diesen Bedingungen dann noch eine Bürgerbeteiligung anzuordnen, die nur per Video erfolgt und vor dem Hintergrund der massiven Belastungen und Einschränkungen durch die Coronakrise keine Grundlage für eine wirkliche Diskussion ist – das kann nicht gut gehen.“

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base) verteidigte die Online-Konferenz. Das Amt habe die Erörterung des Zwischenberichts sicherzustellen, sagte eine Sprecherin des Base.

Alte Bruchlinien der Endlagersuche werden deutlich

Die Stellungnahme des sächsischen Landesamtes für Geologie kann allerdings auch als Hinweis verstanden werden, dass die alten Bruchlinien bei der Endlagersuche immer noch bestehen. Sachsen ist eines der Länder, die in der Endlagerkommission vor Jahren versuchten, Granit als mögliches Wirtsgestein für das Endlager auszuschließen. Gerade in Sachsen kommen aber eben auch solche Gesteinsformationen vor. Die Suche ist im Land ohnehin äußerst unbeliebt. Schon wenige Stunden nach Veröffentlichung des Zwischenberichts im vergangenen September kritisierten die Landräte aus Bautzen, Görlitz und Nordsachsen das Ergebnis, schlossen ein Endlager schon wegen der Herausforderungen des Strukturwandels aus.

Neben Sachsen hatte einst auch Bayern in der Endlagerkommission versucht, Granit aus dem Verfahren auszuschließen. Für dieses Gestein hatte die BGE ein riesiges Teilgebiet ausgewiesen, das sich über den gesamten Norden des Freistaats bis nach Baden-Württemberg zieht. Auch hier regt sich starker Widerstand. Niederbayerische Landräte und Landtagsabgeordnete verabschiedeten schon im September ein Papier, in welchem sie Granitgestein im Bayerischen Wald für ungeeignet erklärten. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kritisierte wenige Wochen später den Ausschluss des Salzstocks Gorleben aus dem Verfahren.

Bayern weisen Berechnungen wohl ebenso zurück

Beobachter der Debatte wird es wenig verwundern, dass wohl auch das Bayerische Landesamt für Umwelt den Bericht kritisch sieht. Nach Informationen von Tagesspiegel Background befand man im zuständigen Landesamt, das ausgewiesene Teilgebiet sei viel zu groß.

Nach Angaben der BGE habe man die Kriterien im Zwischenbericht möglichst einheitlich angewendet. Zudem habe das sächsische Landesamt Arbeiten ausgeführt, die teilweise erst später erfolgen sollen. „Es ging in diesem ersten Schritt nicht darum, den Endlagerstandort zu finden, sondern einerseits Gebiete auszuschließen, die im weiteren Verfahren sicher nicht in Frage kommen und solche aufzuführen, bei denen sich nähere Untersuchungen lohnen“, sagte BGE-Geschäftsführer Steffen Kanitz. Nun würden die Gebiete mit Hilfe von Sicherheitsuntersuchungen und erneut mit Hilfe von geowissenschaftlichen Kriterien eingegrenzt.

„Wir müssen alle verstehen, dass wir uns mit dem Zwischenbericht ganz am Anfang dieser sehr komplexen Endlagersuche befinden und zum jetzigen Zeitpunkt noch längst nicht alle Daten in die Suche eingeflossen sind“, sagte Sylvia Kotting-Uhl, Bundestagsabgeordnete der Grünen. Bereits im nächsten Schritt würden sehr viele Regionen aus der Suche herausfallen.

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