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Mit einem Traktor wird hier auf einem Feld bei Jacobidrebber (Niedersachsen) Gülle ausgebracht. Die Überdüngung ist Ursache hoher Nitratwerte im Trinkwasser.
© Ingo Wagner/dpa

Zu viel Nitrat: Giftiges Grundwasser

Vielerorts wird der Boden durch zu viel Gülle belastet. Das kann vor allem zur Gefahr für Schwangere und Kleinkinder werden. Jetzt soll es schärfere Regeln geben.

Berlin - Die Werse ist eigentlich ein hübsches Flüsschen im Münsterland, 67 Kilometer lang zieht sie sich durch den Kreis Warendorf und Münster, bis sie dann in der Ems endet. Doch kein anderer Fluss in Deutschland ist so sehr mit Nitrat belastet wie sie. Mehr als 88,5 Milligramm Nitrat pro Liter wurden 2014 in der Werse festgestellt – sie gehört damit zu den 28 Prozent der Messstellen in Deutschland, bei denen der zulässige Schwellenwert von 50 Milligramm pro Liter überschritten worden ist, wie der aktuelle Nitratbericht der Bundesregierung zeigt.

"Kaum Anzeichen für Verbesserung"

Der Grundwasserzustand in Deutschland habe sich weiterhin „nicht wesentlich verbessert“, kritisierte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), als sie am Dienstag den Bericht vorstellte. Schuld daran ist aus ihrer Sicht vor allem die Landwirtschaft, die Nährstoffe in Form von Gülle oder Kunstdünger auf die Felder bringt. „Die intensivierte Landwirtschaft kommt uns immer wieder teuer zu stehen“, bemängelte Hendricks. Auch an der Nord- und der Ostseeküste gebe es „kaum Anzeichen für eine Verbesserung“. Dort führe die Belastung mit Nitrat und dem ebenfalls zur Düngung benutzten Phosphor zu übermäßigem Algenwachstum. Deshalb will Hendricks die Düngeregeln nun verschärfen.

EU verklagt Deutschland bereits wegen zu hoher Werte

Tatsächlich muss die Bundesregierung dringend handeln, denn bereits im November ist die Bundesrepublik von der EU-Kommission verklagt worden, weil sie gegen die EU-Nitratrichtlinie verstößt. Im Falle einer Verurteilung würden Deutschland hohe Geldstrafen drohen. Am 25. Januar soll die Novelle des Düngerechts nun endlich im Kabinett behandelt werden und dann noch im ersten Quartal des Jahres in Kraft treten.

Doch Experten geht sie nicht weit genug. „Es ist nicht absehbar, dass sich mit der Novelle wesentlich etwas ändern wird“, vermutet Maximilian Hofmeier vom Umweltbundesamt. Die zulässigen Maximalwerte des Nährstoffeinsatzes müssten noch niedriger angesetzt werden, um flächendeckend den Schwellenwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter einhalten zu können. Wird diese Konzentration überschritten, kann dies laut EU-Kommission erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen haben, insbesondere bei Schwangeren und Kleinkindern.

Dabei ist Gülle grundsätzlich nicht schlecht für die Umwelt, denn Nitrat hilft Pflanzen beim Wachsen und wird deshalb häufig zur Düngung benutzt. Werden jedoch zu große Mengen auf die Felder gebracht, wird das Wasser verunreinigt, was die biologische Vielfalt in Gewässern gefährden kann. Wo intensive Landwirtschaft betrieben wird, ist die Nitratbelastung folglich auch am größten – etwa in bestimmten Regionen von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wo die Werse fließt.

Berlin bisher wenig belastet

Die Hauptstadt ist entsprechend wenig belastet. „Nitrate sind im Berliner Grundwasser kein Problem“, sagt Jörg Simon, Vorstandsvorsitzender der Berliner Wasserbetriebe und Vizepräsident Wasser/Abwasser des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft. Das liege in erster Linie daran, „dass es im Einzugsgebiet unserer Wasserwerke so gut wie keine landwirtschaftlichen Flächen gibt“. Das in den Berliner Wasserwerken aufbereitete Trinkwasser erreiche nicht einmal fünf Milligramm Nitrat pro Liter und liege damit weit unter dem zulässigen Wert von 50 Milligramm. Anders sehe es in den Gebieten mit sehr hoher Nitratbelastung aus. Bislang hätten die dortigen Wasserversorger das Problem mit kostenintensiven Reparaturmaßnahmen wie dem Mischen mit unbelastetem Wasser, der Bohrung neuer Brunnen oder einer Aufbereitung gelöst. „Das kann nicht so bleiben“, betont Simon.

Landwirte nutzen Güllebörsen zur besseren Verteilung

Um die Belastung besser zu verteilen, nutzen Landwirte bereits so genannte Güllebörsen. Der Dünger wird dann aus Regionen, in denen er viel eingesetzt wird, in Gebiete versteigert, wo es noch Bedarf gibt. Oder der Dünger aber wenig eingesetzt wird – mit der Folge, dass womöglich auch solche Felder gedüngt werden, die das gar nicht nötig hätten. Für Maximilian Hofmeier sind Güllebörsen deshalb auch eher nur eine „Symptombehandlung“, keine grundsätzliche Lösung, um die Nitratbelastung zu reduzieren. Wirksamer wäre dafür aus seiner Sicht, wenn weniger Fleisch konsumiert und damit auch weniger produziert würde.

Der Deutsche Bauernverband nennt die Vorwürfe von Umweltministerin Barbara Hendricks „pauschal“ und „nicht nachvollziehbar“. Zudem habe auch das Bundesumweltministerium zur Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens beigetragen. Würden nun die Regeln für die Düngeverordnung von Seiten der Länder weiter verschärft, berge dies „Rechts- und Planungsunsicherheiten für landwirtschaftliche Betriebe“. Deshalb plädiere der Verband dafür, die Novelle jetzt zügig zu verabschieden. Die Landwirtschaft wolle gemeinsam mit der Wasserwirtschaft Lösungen finden, um die Nitratkonzentration weiter zu verringern – und das ist nicht nur bei der Werse notwendig.

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