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Im Frühjahr wird mehr Gülle benötigt als im Winter.
© Patrick Pleul/dpa

Güllebörsen: Wie Mist zu Geld werden kann

Wer Tiere hat, produziert auch Mist. Nicht alle Bauern wissen, wohin damit. Deswegen gibt es Güllebörsen - dort lässt sich mit Gülle Geld verdienen. Zumindest theoretisch.

Es dampft auf dem Acker, die Nase zieht sich zusammen. Was hier auf dem Boden verteilt wird, ist Gülle - oder, wie Fachleute sagen: „Frischmasse“ oder „Wirtschaftsdünger“. Hier wird nach Meinung von Bauern und Verfahrenstechnikern nichts „entsorgt“, sondern „sinnvoll verwertet“. Für alle anderen Menschen handelt es sich schlicht und einfach um Mist. Dass man daraus aber durchaus ein Geschäft machen kann, zeigen sogenannte Güllebörsen.

Gülle... was? Güllebörsen handeln mit Mist, denn manche Bauern haben zu viel davon - und müssen ihn loswerden. Ein Betrieb darf nämlich nur viele Schweine oder Rinder halten, wenn er auch genug Fläche hat, um den entsprechenden Mist auszubringen. Das schreibt die Düngeverordnung vor, um Böden etwa vor zu viel Nitrat zu schützen. Hat der Bauer nicht genug Land, muss er sicherstellen, dass die Gülle andernorts fachgerecht ausgebracht wird. Er braucht einen Partner.

Und manche Betriebe, die vom Ackerbau leben, können den natürlichen Dünger gut gebrauchen. Also wird Gülle gehandelt. Das klingt nach einem Hof mit großen Tanks und gewaltigem Gestank - sieht aber in der Praxis ganz anders aus. Bernd Stania sitzt in einem Ein-Mann-Büro im niedersächsischen Vechta, auf dem Schreibtisch stehen Computer-Monitore, in den Regalen Akten. Pausenlos klingelt das Telefon - Landwirte aus den Kreisen Vechta und Cloppenburg suchen Abnehmer für ihre Gülle. Zu sehen sind weder Misthaufen noch Transportfahrzeuge.

„Wir vermitteln nur. Wir bringen das zusammen, was zusammengehört“, sagt Stania, er ist Geschäftsführer der Naturdünger-Verwertungs GmbH. Sein Geschäft ist es, Handelspartner und Transport zu organisieren. Schon seit 1988 macht er den Job: „Mittlerweile ist das nicht mehr so einfach“, erklärt der Agrarexperte. Die Menge an Gülle habe zugenommen - Abnehmer zu finden, sei aber schwierig.

Carl-Hendrik May von der Nährstoffbörse Nordrhein-Westfalen spricht ebenfalls von einem großen Netzwerk - aus Höfen, Vermittlern, Laboren, Verbänden. Und was muss man hinblättern für 100 Liter Gülle?

„Da gibt es eigentlich keinen festen Preis“, sagt May. Da spiele zum Beispiel die Menge, die Jahreszeit (im Frühjahr braucht man Dünger dringender als im Winter) und die Qualität eine Rolle, also der Nährstoff- und Wassergehalt. „Es gibt schlussendlich keinen einheitlichen Preis für Gülle. Der wird immer regional zwischen Angebot und Nachfrage gebildet“, erklärt May.

Wie sehr die Verhältnisse schwanken, zeigt ein interessantes Detail: Es ist nicht einmal festgelegt, welche Seite bezahlen muss. Manchmal zahle der Landwirt, der Mist abzugeben habe, manchmal der Bauer, der ihn dringend für den Ackerbau benötige, sagt May.

„Im Prinzip muss der abgebende Betrieb alle Kosten tragen“, sagt Mays niedersächsischer Kollege Stania. Zumindest in seiner Region sei das so. „Wenn Sie weiter fahren, kann es sein, dass der aufnehmende Betrieb drei oder vier Euro zahlt - das ist aber selten.“ Wenn man etwas über Wirtschaft lernen will, sind Güllebörsen daher einen Blick wert.

Dass manchmal der Abnehmer und manchmal der Anbieter zahlt, gibt es nach Ansicht des Ökonomen Justus Haucap nur selten. „Ich glaube, das prominenteste Beispiel ist die Strombörse“, erklärt der Forscher von der Universität Düsseldorf. Dort sehe man immer mal, dass Unternehmen bei geringem Stromverbrauch dafür zahlten, ihren produzierten Strom aus dem Netz loszuwerden.

Auch in der Entsorgungswirtschaft komme das vor - teils sei Müll recycelbar und damit etwas wert. Manchmal nicht, dann zahlten Unternehmen für die Entsorgung. Man spreche auch von „negativen Preisen“, sagt Haucap.

Egal, wer am Ende wen bezahlt: Immer geht ein großer Teil der Kosten für den Transport drauf. Denn Gülle weit durchs Land zu fahren, ist aufwendig. Strecken von 150 Kilometern seien keine Seltenheit, sagt May. Holland habe viel Viehhaltung, im Norden das Emsland und die Osnabrücker Region: „Deswegen gilt eine große West-Ost-Bewegung der Nährstoffströme, beziehungsweise ein Nord-Süd-Gefälle.“ Bezahlt werden müssen Lkw, Fahrer, Sprit. Und die Lastwagen fahren ja meist leer zurück, auch das ist wenig wirtschaftlich.

Die Idee, die hinter der Güllebörse steckt, klappt deswegen in der Praxis nicht immer. „Das funktioniert ja grundsätzlich schon auf regionaler Ebene, könnte aber noch viel besser funktionieren. Die Landwirte möchten das auch“, erklärt Ingenieurin Saskia John, die früher an der Universität Bremen zu dem Thema forschte. Aber es gebe eben auch einige Hürden: der Transport sei teuer, die Zusammensetzung der Nährstoffe schwanke oft, und der Markt sei sehr saisonal. Und beim Preis gibt es Konkurrenz zu mineralischen Düngern. „Das ist bisher das größte wirtschaftliche Hemmnis.“

John hat sich deswegen mit der Frage beschäftigt, wie man Gülle in Wasser und Nährstoffe trennen könnte. Dann könnte man Dünger in festerer Form konzentriert transportieren - und müsste nicht so viel Wasser durch die Gegend fahren. Die Transporte seien ja nicht nur teuer, sie belasteten auch die Straßen und die Umwelt, weil je Kilogramm Dünger mehr Sprit verbraucht und mehr Kohlendioxid ausgestoßen werde, erklärt die Ingenieurin. Gülle derart gezielt zu komprimieren, ist ökonomisch aber noch schwierig, wie sie sagt. Und das Geschäft mit dem Mist ist ohnehin ein schwieriges. (Elmar Stephan und Julia Kilian, dpa)

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