Heißer Herbst im öffentlichen Dienst: Gewerkschaften fordern 4,8 Prozent mehr Geld
Die Gewerkschaften wollen mehr Geld für 2,3 Millionen Arbeitnehmer und argumentieren auch mit deren Rolle während des Lockdowns.
Nach der verbalen Kraftmeierei dieser Tage werden die Tarifparteien des öffentlichen Dienstes ein paar Wochen zur Abrüstung brauchen. Wenn nicht Monate. „Unsäglich", schimpfte der ansonsten bedächtige Chef des Beamtenbundes, sei das Gehabe der Arbeitgeber. „Nach dem Klatschen kam die Klatsche“, formulierte Ulrich Silberbach am Dienstag. Erst habe es Applaus für die Coronahelden des öffentlichen Dienstes gegeben und dann die Ansage der kommunalen Arbeitgeber, dass die Kassen leer seien und nur ein Inflationsausgleich möglich wäre. Also eine Nullrunde.
Für Verdi-Chef Frank Werneke ist das ein „Tritt vor das Schienbein“, auf den die Gewerkschaften jetzt mit einer mittelgroßen Lohnforderung reagierten: Sie wollen 4,8 Prozent mehr Geld für die 2,3 Millionen Arbeitnehmer der Kommunen und des Bundes; anschließend soll die Tariferhöhung ebenso auf die 225 000 Beamte beim Bund übertragen wie auf die Versorgungsempfänger.
Wirtschaft laufe wieder an
Bei der Vorstellung der Forderung malten Werneke wie Silberbach ein strahlendes Bild von der wirtschaftlichen Entwicklung, die „deutlich positiver ist, als ich vor einigen Monaten erwartet habe“ (Werneke). Ein kräftiger Aufschwung werden von der Binnennachfrage getragen, und die Binnennachfrage profitiere von der Einkommenserhöhung im öffentlichen Dienst. Deren Volumen wird aber in jedem Fall unter der Post bleiben, wo Verdi mit einer 5,5-Prozent-Forderung in die jetzt beginnenden Verhandlungen startet. Anders als den meisten Städten und Gemeinden geht es der Post sehr gut, und das spiegelt die Tarifforderung.
Was die Gewerkschafter bereits seit Monaten erbost, ist die Weigerung der kommunalen Arbeitgeber, sich wegen Corona in diesem Jahr auf eine Einmalzahlung für die Beschäftigten einzulassen und die „normale“ Tarifrunde auf 2021 zu verschieben. Darauf hatten sich die Tarifpartner der Metallindustrie im März verständigt. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) mit dem Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mägde (SPD) an der Spitze lehnten das ab und wollen stattdessen einen Tarifvertrag mit einer mehrjährigen Laufzeit.
Versammlungen kaum möglich
Aus taktischen Gründen, wie die Gewerkschaften glauben, da in der Coronazeit kaum Druck von der Straße, durch Personal- und Betriebsversammlungen oder Warnstreiks erzeugt werden könne. „Wir sind nicht schwach in dieser Tarifrunde“, sagte Werneke. Und auch die Vorsitzenden der Polizei- sowie der Lehrergewerkschaft betonten ihre Konfliktbereitschaft.
Ende Oktober auf der Zielgerade
Erstmal wird verhandelt. Drei Termine stehen bereits im Kalender, Ende Oktober wird sich zeigen, ob es ohne ein Schlichtungsverfahren zu einer Verständigung kommt. Dabei geht es den Gewerkschaften nicht nur um Geld. Die Arbeitszeit im Osten soll um eine auf 39 Stunden und damit auf Westniveau reduziert werden. Für die besonderen Coronahelden in der Pflege und im Gesundheitssektor überhaupt will Werneke an einem „eigenen Verhandlungstisch“ Verbesserungen erreichen.
Das betrifft Werneke zufolge Pausen- und Schichtzulagen und grundsätzlich „eine spezielle Pflegezulage“. Ferner gehören zum Forderungspaket eine Erhöhung der Ausbildungs- und Praktikantenentgelte um 100 Euro im Monat sowie eine Verbesserung der Regelungen zur Altersteilzeit. Und für die unteren Einkommensgruppen soll es mindestens 150 Euro mehr geben im Monat.
Ein Prozent kostet eine Milliarde
Die Kosten einer Tariferhöhung um ein Prozent beziffern die Gewerkschaften mit einer Milliarde Euro für die Kommunen und 270 Millionen für den Bund, sofern die Erhöhung 1:1 auf Beamte und Versorgungsempfänger übertragen wird. Allein auf die Kommunen machten 4,8 Prozent also 4,8 Milliarden aus.
Die VKA wirft den Gewerkschaften vor, „in der schlimmsten Rezession der Nachkriegszeit mit Arbeitskampf zu drohen“. Verhandlungsführer Mägde wünscht sich Verhandlungen, „die nicht auf dem Rücken der Allgemeinheit ausgetragen werden sollten“. Also keine Streiks. Dieser Appell gehört zur Tarifrunde wie lange Nachtsitzungen und die Ansage, man könne „nur das verteilen, was tatsächlich vorhanden ist“.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität