Die Junkfluencer: Foodwatch fordert Regelungen für Influencer-Marketing
Social-Media-Marketing für ungesunde Lebensmittel ist ein großes Geschäft. Kritiker:innen fordern, Kinder besser zu schützen.
Simon Desue zeigt sich vor seiner Handykamera mit einem 20- Euro-Schein in der Hand. Er legt ihn in eine Box der Marke Haribo und sagt, mit dieser könne er alles verdoppeln. In der nächsten Videosequenz sehen Zuschauer:innen zwei 20-Euro-Scheine in dem Behälter.
Desue strahlt in die Kamera und sagt, er möchte unbedingt die Zahl seiner Lieblingsgummibärchen verdoppeln. Zum Ende des Videos sehen Zuschauer:innen, wie er sich in Dutzenden Haribo-Tüten wälzt. Das Video wurde auf der Social-Media-Plattform Tiktok über 300.000 Mal aufgerufen. Das sind deutlich mehr Aufrufe, als viele Zeitungen in Deutschland Abonennt:innen haben. Über 50.000 Nutzer:innen haben das Video mit „Gefällt mir“ versehen.
Simon Desue ist nicht irgendein Tiktok-Nutzer. Er ist einer der bekanntesten deutschen Influencer, seit es Influencer gibt. Auf all seinen Kanälen zusammen erreicht er knapp 12 Millionen junge Menschen. Das Video hat er nicht aus Spaß hochgeladen, sondern im Rahmen einer Werbekooperation mit Haribo. Sogenanntes Influencer-Marketing, indem Influencer Werbung für Produkte machen, ist in Deutschland laut Expert:innen mittlerweile ein Milliardengeschäft.
Der Verein Foodwatch kritisiert fehlende Regelungen des Influencer-Marketings in der Lebensmittelbranche. Diese würden dazu führen, dass Kinder gezielter Werbung für ungesunde Lebensmittel dauerhaft ausgesetzt sind. Foodwatch hat in einer mehrmonatigen Recherche tausende Posts und Videos reichweitenstarker Influencer:innen analysiert.
Kinder und Jugendliche vertrauen Influencern
Wenn Kinder und Jugendliche sehen, wie ihre Vorbilder Süßigkeiten konsumieren, möchten sie das oft auch. Das war auch schon im Fernsehen oder in Zeitschriften der Fall, doch Influencer-Marketing hat mehrere Besonderheiten. Zielgruppen lassen sich hier gezielter ansprechen. Wenn Unternehmen junge Männer erreichen wollen, wenden sie sich an Simon Desue, um an Make-up interessierte junge Frauen zu erreichen, kooperieren sie mit anderen.
Die Community von Simon Desue, seine Follower, die er selbst die Young Movement Gang nennt, vertraut ihm. Über Social Media können sie mit ihm kommunizieren, seine Aktionen nachahmen, Videos liken und teilen. Er wirkt authentisch. Wenn sie so sein wollen wie er, kaufen sie die Produkte, die er ihnen präsentiert.
15 Prozent sind übergewichtig
Dabei kann ein zu hoher Zuckerkonsum fatale Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder haben. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit an der Kinderklinik der Universität München, erklärte am Mittwoch in einer Pressekonferenz von Foodwatch, dass Kinder und Jugendliche heutzutage zwei bis vier Mal so viel Zucker konsumieren, wie die Weltgesundheitsorganisation als Obergrenze empfiehlt.
Das sorge nicht nur dafür, dass schon jetzt 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig seien. Sie würden auch in diesem Alter ihre Essgewohnheiten entwickeln, die sie ihr ganzes Leben lang behalten können. Während der Wachstumsphase sind sie außerdem noch mehr als Erwachsene angewiesen auf die richtigen Nährstoffe.
Ungesunde Lebensmittel sollen nicht mehr an Kinder vermarktet werden
Footwatch fordert deshalb, dass keine ungesunden Lebensmittel mehr an Kinder vermarktet werden. Die Kritik richtet sich vor allem an Bundesernährungsministerin Julia Klöckner. Auch die Verbraucherzentrale Bundesverband sagt, es sollen nur Lebensmittel an Kinder vermarktet werden, die den Nährwertkriterien der Weltgesundheitsorganisation entsprechen.
„Bislang hat die Bundesregierung auf die freiwillige Selbstbeschränkung der Wirtschaft gesetzt, um die Vermarktung unausgewogener Lebensmittel an Kinder zu begrenzen“, sagt Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands. Dabei brächten unausgewogene, hoch verarbeitete Produkte oft höhere Gewinnmargen als gesunde Lebensmittel. Es sei deshalb klar, dass Selbstverpflichtungen nicht funktionieren können. „Die Bundesregierung muss die Gesundheit von Kindern endlich besser schützen und das an Kinder gerichtete Lebensmittelmarketing streng regulieren“, sagt er.
Julia Klöckner will weitere Beschränkungen
Julia Klöckner sagte am Mittwoch, dass auch ihrer Meinung nach an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung stärker in den Blick genommen werden müsste: „Ich meine, hier sind weitergehende Beschränkungen notwendig. Dies gilt gerade auch für den digitalen Bereich, der für den Medienkonsum von Kindern immer relevanter wird.“ Werbung dürfe Kinder nicht dazu verleiten, sich ungesund zu ernähren.
Den Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft fordert sie auf, die Verhaltensregeln zu verschärfen. „Ganz konkret fordere ich Nachbesserungen bei der Altersgrenze und bei der Werbung für Lebensmittel mit ungünstiger Nährstoffzusammensetzung. Weiter ist wichtig, dass verschärfte Verhaltensregeln in der Praxis auch streng angewandt werden.“
Kooperation mit McDonalds
Auf Tiktok folgte hinter Desues Video mit Haribo-Produkten eine weitere Aufnahme, die in Kooperation mit einem Unternehmen entstand, in diesem Fall mit McDonalds. Desue aß gemeinsam mit seiner Freundin eine Wurst bei McDonalds und rief seine Follower zu der #issmirwurst Challenge auf. Eine halbe Millionen Aufrufe hat allein dieses Video. Das Vorbild, das Simon Desue für junge Männer ist, ist Julia Beautx für junge Frauen.
Über drei Millionen Follower hat sie auf Tiktok, knapp drei auf Instagram. In einem Video, das schon 2018 auf dem Youtube-Kanal ihres Kollegen Jonas Ems hochgeladen wurde, machen Julia Beautx und Jonas Ems knapp zwölf Minuten lang Challenges. Immer im Vordergrund eine ganze Menge lilafarbener Milka-Schokoladetafeln. Am Ende des Videos bauen sie einen 1,20 Meter hohen Turm aus Schokoladentafeln. Über 23.000 Nutzer:innen gefällt das. Viele dürften minderjährig sein.
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