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Der Opel HydroGen4 ist ein Brennstoffzellenfahrzeug.
© Promo

Mobilitätswende: Fahren Autos künftig mit Wasserstoff?

Es könnte die Lösung für die Energiewende sein: Eine Brennstoffzelle verwandelt Sauerstoff und Wasserstoff in Energie und macht den Verkehr sauber.

Ammoniak ist als Grundstoff für Düngemittel eine der weltweit am meisten produzierten Chemikalien. Das Ammoniak wird heute vor allem aus Erdgas hergestellt, doch das wäre auch mit grünem Wasserstoff möglich. Zum Beispiel in Nordafrika. Marokko ist einer der größten Exporteure von Düngemitteln und deshalb auch einer der größten Importeure von Ammoniak.

Das muss nicht so bleiben, meint der Wasserstoffexperte Geert Tjarks. Da die Produktionskosten von Strom aus Solarkraftwerken in Marokko nur bei knapp zwei Cent liegen (in Deutschland sind es gut fünf Cent), machte es Sinn, den reichlich vorhandenen grünen Strom in Wasserstoff umzuwandeln und mit dem Wasserstoff dann Ammoniak zu produzieren.

Tjarks macht eine interessante Rechnung auf: Wenn Wasserstoff die heute in der Industrie verwendeten fossilen Energieträger ersetzen würde, dann könnte so viel CO2 vermieden werden, wie allein Deutschland in einem Jahr verursacht.

Der Maschinenbauingenieur Tjarks arbeitet bei NOW, dem „Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“, das mit 481 Millionen Euro Bundesmitteln bis 2022 ein paar Dutzend Projekte und Produkte fördert. Im Herbst will die Regierung eine abgestimmte Wasserstoffstrategie vorlegen und vermutlich noch viele Millionen für die vielversprechende Zukunftstechnologie drauflegen.

Wasserstoff und Brennstoffzelle könnten gravierende Probleme der Energie- und Mobilitätswende lösen: Der überschüssige Strom aus Wind- und Sonnenkraft kann als Wasserstoff gespeichert werden. Die Brennstoffzelle kann Fahrzeuge sauber antreiben. Nach einer Studie der Fraunhofer Gesellschaft sind Wasserstoffautos ab einer Reichweite von 250 Kilometer klimafreundlicher als Batteriefahrzeuge. Je höher die Reichweite, desto größer und schwerer muss die Batterie sein: Der mit Wasserstoff angetriebene Toyota Mirai wiegt rund 1700  Kilogramm und der Tesla mit Batterie etwa 2500 Kilogramm.

Chemische Reaktion bringt Energie: So funktioniert die Brennstoffzelle im Auto.
Chemische Reaktion bringt Energie: So funktioniert die Brennstoffzelle im Auto.
© Tsp / Böttcher

Die Tankzeiten eines Fahrzeugs mit Brennstoffzelle sind so wie bei Benzin- oder Dieselautos. Wasserstoff ist per Schiff global handelbar, und die Brennstoffzelle braucht weniger kritische Rohstoffe als eine Batterie. Platin ist ein Problem. Derzeit werden von dem Edelmetall rund 30 Gramm je Brennstoffzelle in einem Pkw benötigt. Platin ist teuer, aber auch gut recycelbar. Gravierender sind die Kosten des Tanks, der hohem Druck standhalten muss und aus Kohlefaser besteht. Mit höheren Stückzahlen wiederum fällt der Preis.

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„Wir wollen das Vorzeigeland für die Nutzung der Wasserstofftechnologie werden“, hat Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach kürzlich im Tagesspiegel gesagt. Der Chemieingenieur hätte gerne an jedem Windrad in der Mark einen Elektrolyseur, der den Strom in Wasserstoff umwandelt. „Dann wäre sofort Schluss mit dem Verschenken überschüssigen Stroms und dem Abstellen von Windrädern“, meint Steinbach, der nächste Woche seine Wasserstoffstrategie für Brandenburg vorstellt.

In der Lausitz tut sich schon was. Das Bundeswirtschaftsministerium hat den Standort Schwarze Pumpe als eines von bundesweit 20 „Reallaboren der Energiewende“ ausgewählt. Das sogenannte Referenzkraftwerk Lausitz soll die künftige Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energieträger mit Wasserstoff als chemischen Speicher abbilden. Der Projektaufwand beläuft sich auf knapp 100 Millionen Euro, etwa vier Fünftel davon trägt der Steuerzahler. In spätestens fünf Jahren soll eine wettbewerbsfähige Anlage stehen und mindestens 100 Megawatt Energie liefern. Und wenn alles nach Plan läuft, ersetzt dann irgendwann der grüne Wasserstoff die Braunkohle.

Auch andere Verkehrsbereiche werden grüner

Nicht nur Autos können mit Wasserstoff angetrieben werden. Auch andere Bereiche in der Verkehrsbranche könnten durch die Brennstoffzelle sauberer werden.

Busse und Bahnen: Köln und Wuppertal fahren vor

Viele Verkehrsunternehmen würden gerne saubere Busse einsetzen – aber wo gibt es die? Aktuell sind 15 Brennstoffzellenbusse unterwegs – im ganzen Land. Doch langsam tut sich was: Das belgische Unternehmen Van Hool liefert 30 Wasserstoffbusse an die Regionalverkehr Köln GmbH und weitere zehn nach Wuppertal. Die Fahrzeuge sind mit Brennstoffzellenmodulen der kanadischen Firma Ballard Power Systems ausgestattet sowie mit einem Elektromotor von Siemens. Die Busse mit 29 Sitz- und 46 Stehplätzen werden mit 38 Kilogramm Wasserstoff betankt – das reicht für 350 Kilometer. Ein Bus kostet rund 650.000 Euro – doch dank der Fördermittel von EU und Bundesregierung sinken die Anschaffungskosten für die Verkehrsbetriebe auf rund 300.000 Euro. Damit kostet ein H2-Bus noch etwas mehr als ein vergleichbares Dieselmodell.

Ein Wasserstoffzug ist rund ein Drittel teurer als ein Diesel. Das Land Niedersachsen bezahlt mit 81 Millionen Euro die Anschaffung von 14 Wasserstoffzügen, die Alstom in Salzgitter baut. Seit September letzten Jahres sind die weltweit ersten Züge mit Brennstoffzelle im Linienbetrieb zwischen Cuxhaven, Bremerhaven, Bremervörde und Buxtehude unterwegs. Die Züge ersetzen Dieseltriebwagen und fahren 140 km/h. Eine mobile Tankstelle versorgt den „Coradia iLint“ mit gasförmigem Wasserstoff. Eine Tankfüllung reicht für 1000 Kilometer. Von 2022 an sollen weitere 27 Brennstoffzellenzüge auf vier Regionalstrecken im Taunus eingesetzt werden – das wäre dann die größte Brennstoffzellenflotte der Welt.

Schiffe: Zuerst auf Kanälen und Flüssen

Schiffe sind schmutzig. Sie verbrennen Diesel und Schweröl und blasen Schwefeldioxid, Stickoxid, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und Rußpartikel in die Luft. Im Dachprojekt „e4ships – Brennstoffzellen im maritimen Einsatz“ haben sich Werften, Reedereien, Brennstoffzellenhersteller, Zulieferer und Schiffsgutachter verbunden, um das Klima zu schützen und die „Zukunftsfähigkeit der maritimen Industrie“ mit einem sauberen Antrieb zu gewährleisten.

In Berlin befasst sich das Forschungsvorhaben „Elektra“ mit dem Bau eines hybrid betriebenen Frachtschiffes: Brennstoffzellen und Akkumulatoren treiben den Motor an. Erforscht wird „das dynamische Zusammenwirken der Energiequellen im Hinblick auf die maximale Reichweite des Kanalbinnenschubboots“. Die Entwicklungsphase ist vorbei, derzeit wird das Schiff in Genthin gebaut und soll 2020 zu Wasser gelassen werden.

Auch bei Kreuzfahrtschiffen, die wegen ihrer Emissionen zunehmend in die Kritik geraten, wird über Brennstoffzellen nachgedacht. Für die Komplettversorgung auf hoher See wird das so bald nichts, doch ein Teil der erforderlichen Energie könnte Wasserstoff beziehungsweise Methanol bereitstellen – zum Beispiel im Hafen, der dann nicht mehr verpestet würde. Methanol ist flüssig und lässt sich leichter lagern als Wasserstoff. Im Projekt „RiverCell“ wird ein Flusskreuzfahrtschiff mit Brennstoffzellen für den Antrieb des Schiffs und den Betrieb des Hotels an Bord ausprobiert. Verschiedene Werften und Reiseveranstalter sind beteiligt, dazu die TU Berlin und die Berliner Behala.

PKW und LKW: Experimente für exklusive Kunden

Die Produktion ist teuer, die Infrastruktur fehlt, eine kostensenkende Massenfertigung ist nicht in Reichweite. Es gibt gute Gründe, warum Brennstoffzellen-Fahrzeuge Seltenheitswert haben. Doch ein paar Modelle gibt es schon auf dem Markt – für Kunden, die Vorreiter sein wollen und die das nötige Kleingeld haben. Die Pkw-Hersteller kommen vor allem aus Asien: Hyundai, Toyota, Honda. Auch Mercedes hat ein Fuel-Cell-Modell im Angebot. Der Rest sind Ankündigungen. So will zum Beispiel BMW in Kooperation mit Toyota „bis 2025“ den X5 als SUV mit Brennstoffzelle bauen – in Kleinserie. Und damit fangen die Einschränkungen schon an. Auch der Mercedes-Benz GLC F-Cell wurde bislang nur ausgewählten Kunden in einer Kleinserie angeboten, in sieben deutschen Städten – darunter Berlin – können sie das SUV im Rahmen eines speziellen Leasingprogramms („Full-Service- Mietmodell“) erwerben.

Frei verfügbar sind nur Hyundai und Toyota. Honda verkauft seinen Clarity Fuel Cell in den USA, nach Europa gelangten nur Einzelstücke im Rahmen des „HiFive-Projekts“ der Industrie und Autobranche. Hyundai hat zuletzt mit dem Geländewagen Nexo schon sein zweites Modell nach dem Vorgänger ix35 Fuel Cell präsentiert. Der Nexo kostet 69 000 Euro – abzüglich des Umweltbonus von 4000 Euro. Bislang wurden 55 Nexo und 19 ix35 (65 450 Euro) gefördert. Schon seit 2014 im Angebot ist der Toyota Mirai für 78 600 Euro Listenpreis – das erste H2-Serienmodell weltweit. Der Mirai ist zu teuer, um mit der Kaufprämie gefördert zu werden. In Berlin kann man das Modell zum Beispiel in der Flotte von Clever Shuttle sehen. 2020 soll eine Neuauflage auf den Markt kommen. Toyota hat angekündigt, zu den Olympischen Spielen in Tokio 2020 ein Großaufgebot an Wasserstofffahrzeugen zu präsentieren. Die Japaner wollen außerdem ihr Brennstoffzellen-Portfolio ab 2025 deutlich ausbauen, dann mit SUVs, Pick-ups und Nutzfahrzeugen.

Schon seit zwei Jahren arbeitet Toyota an Brennstoffzellenantrieben für schwere Trucks. Im Frühling zeigten die Japaner zusammen mit dem US-Hersteller Kenworth die zweite Generation eines H2-Schwerlasters. Auch Hyundai hat 2018 auf der Nutzfahrzeug-IAA einen H2-Truck auf Grundlage des Nexo-Baukastens präsentiert. Im Transporterbereich wollen DHL, Streetscooter und Ford gemeinsam einen „H2 Panel Van“ entwickeln. Auf dem Nutzfahrzeugmarkt gibt es keine Serienmodelle, obwohl Experten der Wasserstofftechnologie hier größerer Chancen einräumen. Die Hardware lässt sich leichter verbauen und die im Vergleich zur Batterie größere Reichweite entspricht den Nutzungsanforderungen der Transporteure und Logistiker. Der Nachteil: Der Antrieb ist für schwere Lasten zu schwach. Bosch und Daimler wollen dennoch bis 2022 eine Lösung auf den Markt bringen. Über Preise wurde noch nicht gesprochen.

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