Ohne Emissionen: Testfahrt für Brennstoffzellen-Zug in Berlin
Technik der Zukunft? Auf der Heidekrautbahn war am Montag ein Zug unterwegs, der mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle betrieben wird.
Eine ganz kleine Eisenbahn testet ganz große Technik. Erstmals fuhr am Montag ein von Brennstoffzellen angetriebener Zug in Berlin-Brandenburg, und zwar auf der von der privaten Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) betriebenen Heidekrautbahn im Nordosten Berlins. Sie könnte in wenigen Jahren die erste Strecke sein, die mit der neuen Technik betrieben wird.
Noch fahren Nebenbahnen in Deutschland mit Diesel, knapp 40 Prozent des deutschen Eisenbahnnetzes sind nicht elektrifiziert. Und Dieselzüge stinken genau so wie Dieselautos oder Kreuzfahrtschiffe – es wird nur eine Frage der Zeit sein, wann die Diskussion um Emissionen auf der Schiene beginnt. „Elektrisch fahren ohne zu elektrifizieren“, beschrieb NEB-Geschäftsführer Detlef Bröcker das Prinzip. Der vom französischen Konzern Alstom entwickelte „Coradia iLint“ ist der weltweit erste Zug, der mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle betrieben wird. Die Zellen erzeugen die elektrische Energie für den Antrieb. Der Zug basiert auf der bewährten Diesel-Lint, ist also kein Exot, sondern alltagstauglich, wie Alstom verspricht. Am 11. Juli 2018 erhielt der iLint die deutsche Zulassung. Seit September fährt das Modell bei der Privatbahn EVB im Auftrag des Landes Niedersachsen auf der Strecke Buxtehude–Bremerhaven–Cuxhaven.
„Unsere Technologie ist einsatzbereit“, sagte Jörg Nikutta, Geschäftsführer für Alstom in Deutschland. Gerade auf Strecken in der Großstadt seien emissionsfreie und leise Lösungen wichtig.
Mit einer Füllung kommt der Zug etwa 1000 Kilometer weit
NEB-Chef Bröcker will den „iLint“ ab 2022 auf der Heidekrautbahn (RB27) einsetzen. Bekanntlich wird die so genannte Stammstrecke der NEB von Basdorf nach Berlin-Wilhelmsruh wieder aufgebaut. Die Züge sollen dann abwechselnd nach Karow und nach Wilhelmsruh (mit Halt am Märkischen Viertel) fahren. Brandenburgs Infrastruktur-Ministerin Kathrin Schneider lobte die Alstom- Technik am Montag als „das konkreteste Projekt“. Mit einer Füllung Wasserstoff kommt der Zug etwa 1000 Kilometer weit. Batteriezüge dagegen haben nur etwa 40 bis 100 Kilometer Reichweite, je nach Stand der Batterietechnik, sagte Schneider. Stadler hatte im Herbst, ebenfalls auf der Heidekrautbahn, einen batteriegetriebenen Triebwagen vom Typ Flirt vorgestellt. Zuvor hatte Bombardier seinen Batteriezug auf der Fachmesse Innotrans im September vorgestellt. Schneider sagte, es wäre Fahrgästen nicht zu vermitteln, wenn ein Zug mit leeren Batterien liegen bliebe.
Etwas ausgewogener argumentierte VBB-Chefin Susanne Henckel. „Wir freuen uns, diesen innovativen Wasserstoffzug heute einmal testen zu können“, teilte sie mit. Die Technologie könne eine sinnvolle Alternative zur Elektrifizierung der Strecke sein, wenn es gelinge, den Wasserstoff aus erneuerbaren Energien möglichst direkt vor Ort zu erzeugen. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel verwies sie aber auch auf die Probleme, die die Wasserstofftechnik mit sich bringe, wie die Sicherheit der Tanks bei Unfällen.
Züge sind leiser als ein Diesel
Auch wenn noch nicht entschieden ist, ob Brennstoffzelle oder Batterien oder auch beiden Techniken die Zukunft gehört – die Zeit des Dieseltriebwagens geht zu Ende. Wasserstoffzüge fahren komplett emissionsfrei, aus dem Zug dampfen lediglich kleine Wölkchen Wasserdampf. Batteriezüge haben den Nachteil, dass die Batterien nicht 30 Jahre halten, also die Lebensdauer eines Zuges. Zudem ist die Umweltbilanz der großen Batterien schlecht. Dafür kann ein Zug deutlich effizienter mit Batterien als mit Wasserstoff betrieben werden. Einen Vorteil haben beide Techniken gemein: Sie sind deutlich leiser als ein Diesel.
Schneider sagte, dass die Energie für den Wasserstoffzug möglichst mit Windrädern im Barnim erzeugt werden solle. Die NEB will mit der Barnimer Energiegesellschaft (BEG), einem Unternehmen des Landkreises, kooperieren. Zum Einsatz soll ausschließlich „grüner“ Wasserstoff kommen, der in der Region durch Elektrolyse mit Strom aus Windenergie gewonnen wird. Etwa drei Windräder werden benötigt, um den Strom für vier Wasserstoffzüge der NEB zu erzeugen. Bröcker und Schneider hoffen, dass der Bund Fördergelder dazu gibt, um die Technik zu testen. „Am Anfang ist es sicher etwas teurer“, sagte der NEB-Chef. Schneider sagte zu, dass Brandenburg als Besteller die zusätzlichen Kosten erst einmal übernehmen wird.
Zwölf Newsletter, zwölf Bezirke: Unsere Leute-Newsletter aus allen Berliner Bezirken können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de