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Arbeitsministerin Andrea Nahles.
© dpa

Arbeitswelt: Experimente mit der Arbeitszeit

Mehr Männer in Teilzeit, mehr familienfreundliche Modelle für Frauen - Ministerin Andrea Nahles will die Arbeitswelt reformieren. Ihre Ideen sind umstritten.

Der Opa von Arbeitsministerin Andrea Nahles war Schmied. Mittags aß er immer ganz schnell, erzählt sie, um zurück in der Werkstatt zu sein, bevor das Feuer aus ging. Während er nur über den Hof gehen musste, verließen ihre Eltern jeden Morgen das Haus. Arbeits- und Privatleben waren streng voneinander getrennt. Und heute, da wollten Arbeitnehmer entweder beide Welten – etwa mit Homeoffice-Tagen – wieder näher beieinander haben oder würden sich die deutliche Grenze zurück wünschen.

Die SPD–Politikerin wollte mit der Anekdote das Thema der Konferenz veranschaulichen, auf der sie am Dienstag sprach: Arbeitszeiten neu gestalten. Schon Ende November schlug Nahles ein „Wahlarbeitszeitgesetz“ vor. In einer zweijährigen Probephase sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verschiedene Alternativen zum Acht-Stunden-Tag testen. Für das Pilotprojekt will Nahles im Bundeskabinett eine Experimentierklausel verabschieden lassen. Zur Zeit laufe das Auswahlverfahren für interessierte Betriebe.

„Diktat der Uhrzeit“ überwinden

„Wenn es sich bewährt, können wir über weitere Schritte nachdenken“, meinte Nahles. Sie sei überzeugt, dass es zur Lebensrealität vieler Menschen passe, nachmittags das Kind von der Kita zu holen und abends dann noch ein, zwei Stunden zu arbeiten. „Ich bin Mutter einer sechsjährigen Tochter, mein Büroleiter hat vier Kinder. Wir arbeiten alle irgendwie so“, sagte sie. Das „Diktat der Uhrzeit“ müsse überwunden werden.

Natürlich seien dabei klare Grenzen nötig – „vor allem für die maximale Länge der Arbeitszeit“. Es müsse auch eine gesicherte Ruhezeit geben. DGB-Chef Reiner Hoffmann kritisierte die geplante Experimentierklausel. Eine Verlängerung der täglichen Höchstarbeitszeit könne missbraucht werden, sagte er.

Was Hoffmann teilte, war die Ansicht, dass die Menschen „mehr Lebenszeit“ bräuchten. Für die Familie, ehrenamtliches Engagement oder einfach für sich selbst. 60 Prozent der Deutschen arbeiten länger als vereinbart, insgesamt leisten sie rund 1,8 Milliarden Überstunden. „Wenn eine Partei im Bundestagswahlkampf mehr Zeit versprechen würde, wären die Chancen gar nicht so gering“, meinte Hoffmann.

Nahles: Mehr Männer in Teilzeit

Der DGB-Vorsitzende forderte die Bundesregierung außerdem auf, den Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit schnell umzusetzen. Nahles hatte einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem Beschäftigte für eine Weile in Teilzeit arbeiten – und danach wieder zu ihrer vollen Arbeitszeit zurückkehren können.

Den Entwurf sehe Nahles auch als Beitrag dafür, „Männer zur Teilzeit zu ermutigen oder wenigstens zur Reduktion der Arbeitszeit“, sagte sie am Dienstag. Viele Männer wollten das auch. Andersherum möchte ein Drittel der Teilzeitbeschäftigten, was meist Frauen sind, gern länger arbeiten. „Wenn Männer nicht mehr fürchten müssen, aus der Teilzeit nicht wieder herauszukommen, wäre damit eine hohe Hürde abgebaut.“ Das Ergebnis sei eine gerechtere Aufgabenverteilung.

Sollte Nahles mit dem Entwurf und der Experimentierklausel bis zur Wahl im September scheitern, könnte sich ja eine „bessere neue Regierung“ um das Thema Arbeitszeit kümmern. Das Publikum lacht. „Okay, es kann natürlich auch schlimmer kommen“, sagte Nahles. „Trumpy-Boy lässt grüßen.“

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