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Die Jugendarbeitslosigkeit in Europa ist hoch. Nicht nur in Griechenland treibt dies die Menschen zu Demonstrationen auf die Straße.
© dpa

Jugendarbeitslosigkeit: Europas verlorene Generation

In der EU sind 5,5 Millionen junge Menschen arbeitslos. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) kritisiert den Sparkurs in den Ländern.

Deutschland hat die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Mit 7,9 Prozent lag die Quote im März sogar eine Stufe niedriger als in langjährigen Musterländern wie Österreich und den Niederlanden. Für den Rest der Welt hingegen schlägt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) nun drastisch Alarm. Gerade in den Industriestaaten, allen voran in der Europäischen Union, verharre die Jugendarbeitslosigkeit seit der Krise auf „dramatisch hohen Niveaus“ – 2011 bei durchschnittlich 18 Prozent. Die reale Lage sei aber „noch schlechter, weil sich junge Menschen in massiver Zahl vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben“.

So steht es in einem neuen Report der Ilo über die Beschäftigungsperspektiven für junge Menschen im weltweiten Vergleich. Besonders ernüchternd fällt der Blick in die Zukunft aus: Bis zum Prognosehorizont im Jahr 2016 sehen die Forscher der in Genf ansässigen Uno-Organisation keine Aufhellung des trüben Bilds. Für Europa insgesamt sehen sie für die nächsten knapp fünf Jahre allenfalls marginale statistische Verbesserungen voraus - die aber den extremen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit seit der Krise nicht im Ansatz ausgleichen würden.

Mit welch massiver Dynamik das Problem gerade in der Euro-Zone zugenommen hat, zeigen auch die jüngsten Daten von Eurostat: Bereits vor der Krise war die Jugendarbeitslosigkeit in der Währungsunion mit gut 15 Prozent bedenklich hoch. Inzwischen jedoch hat sie die Marke von 22 Prozent überschritten.

In Europa droht nun eine neue „Lost Generation“ heranzuwachsen, warnt die Ilo in ihrer Studie. Diese womöglich verlorene Generation, das sind zurzeit allein in der Euro-Zone 3,3 Millionen Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren und 5,5 Millionen in der gesamten EU, noch nicht mitgerechnet jene, die schon resigniert die Jobsuche aufgegeben haben.

Als besonders bedenklich stufen die Forscher das Anwachsen einer Teilgruppe dieser Generation ein. Während vor 20 Jahren der Erfolgstyp „Yuppie“ von sich reden machte, wird der neue Typus in der Fachwelt unter dem Namen „Neet“ geführt – „not in Education, Employment or Training“. Für Europa schätzt die Ilo den Anteil der „Neets“ auf 14 Prozent der jungen Menschen.

Das Gefälle in Europa löst Wanderungsbewegungen aus

Der neue Ilo-Report zeigt aber nicht nur Daten auf. Er liefert mit seinen Empfehlungen an die Politik außerdem Zündstoff für die aktuelle Auseinandersetzung um einen Kurswechsel in der Euro-Zone hin zu mehr staatlicher Wachstumsförderung. Anfang kommender Woche (28./ 29. Mai) befasst sich der Gipfel der EU- Staats- und Regierungschefs mit dieser Frage. Die Empfehlungen der Ilo zur Jugendarbeitslosigkeit sind deutlich: Das Thema habe zwar in vielen Ländern formal einen hohen Stellenwert. Doch fehle es an der Umsetzung konkreter Maßnahmen und einer ausreichenden Finanzierung dafür. „Der seit der Wirtschaftskrise eingeschlagene Sparkurs behindert eine rasche Erholung der Arbeitsmärkte für Jugendliche“, moniert der Report.

Die Ilo empfiehlt unter anderem einen Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik. So könnten Unternehmen durch Lohn- und Ausbildungszuschüsse oder entsprechende Steuervorteile angeregt werden, mehr junge Menschen einzustellen und damit das große „Überangebot an jungen Arbeitskräften“ besser aufzufangen.

Hierzulande bewertet die Opposition den Ilo-Bericht als klare Bestätigung ihrer Strategie zur Bekämpfung der Euro- Krise. SPD-Chef Sigmar Gabriel: „Der Bericht zeigt aber auch: Man kann gegensteuern – wenn man denn will“ , sagte er dem „Handelsblatt“. „Wir brauchen vor allem ein Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Ländern wie Griechenland oder Spanien, wo inzwischen jeder zweite Jugendliche keine Arbeit hat.“ Insgesamt zeige der Bericht, „dass wir mit unserer Forderung, die Konsolidierungspolitik um einen Pakt für Wachstum und Beschäftigung zu ergänzen, richtig liegen“.

Zumindest einigen der Millionen perspektivlosen Jugendlichen kann aber auch Deutschland Mut machen. Denn hierzulande fehlen Lehrlinge und junge Fachkräfte. Vor diesem Hintergrund hat etwa die deutsch-spanische Außenhandelskammer in Madrid zu Jahresbeginn ein neues Programm gestartet, das spanischen Jugendlichen zu einer Perspektive in Deutschland verhelfen soll: Die Teilnehmer erhalten zunächst in ihrer Heimat einen Sprachkurs, dann ein drei- bis viermonatiges Praktikum bei einem Unternehmen in Deutschland, und wenn alles klappt, sind sie anschließend fit für einen regulären Ausbildungsplatz.

Wie viel Bewegung das Gefälle zwischen Deutschland und dem übrigen Europa auslöst, zeigt auch die jüngste Zuwanderungsstatistik. Danach wanderten 2011 so viele Menschen ein wie seit 15 Jahren nicht mehr. Die Gesamtzahl der Beschäftigten stieg hierzulande binnen Jahresfrist um 1,7 Prozent an. Die Zahl der Griechen, die hier arbeiten, erhöhte sich jedoch um 8,1 Prozent, die der Spanier um 9,4 Prozent. (HB)

D. Creutzburg, H. Anger

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