Spanien und Griechenland: Wo die Jugend keine Chancen hat
In Spanien oder Griechenland reicht eine gute Ausbildung nicht, um Arbeit zu kriegen. Das könnte auch Deutschland schaden.
Berlin - Spanien ist Spitzenreiter in einer traurigen Bilanz: Nirgendwo in Europa sind so viele junge Menschen arbeitslos wie dort. Mehr als 44 Prozent der unter 25-Jährigen haben keinen Job. Zu Tausenden gehen die „Indignados“, die Empörten, landesweit auf die Straße und protestieren gegen Arbeitslosigkeit und die Sparmaßnahmen der Regierung. „Die Berufsperspektiven für junge Menschen sind dort total schlecht“, sagt Martin Schulz, Vorsitzender der Sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament. Er sieht die Zukunftsfähigkeit des Landes in Gefahr. „Das zerstört den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft.“
Dabei ist das keineswegs nur ein spanisches Problem: Auch in Griechenland, Irland, Italien oder Frankreich sehen viele junge Menschen keine berufliche Perspektive. „Wir brauchen in diesen Ländern nicht nur eine Sanierung der Staatshaushalte sondern auch Programme, die Beschäftigung schaffen und sichern“, fordert Europapolitiker Schulz.
In Deutschland werden am Donnerstag die Arbeitslosenzahlen für Juni vorgelegt. Die Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen lag zuletzt unter acht Prozent, Tendenz sinkend. „Deutschland hat den Vorteil, dass es ökonomisch gut dasteht“, sagt Werner Eichhorst vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA). „Wir leiden eher unter dem Fachkräftemangel.“ Dennoch gibt es auch in Deutschland junge Menschen, die keine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt haben. „Das sind diejenigen, die nicht ausreichend qualifiziert oder qualifizierbar sind“, sagt Eichhorst. „Für Jugendliche ohne Qualifikation wird die Situation in Zukunft immer schwieriger. Sie werden abgehängt.“
In Spanien gilt das auch für junge Leute mit hervorragender Ausbildung. Eichhorst erklärt das mit der starken Spaltung des spanischen Arbeitsmarktes: Auf der einen Seite stehen die Älteren mit gesicherten Arbeitsverhältnissen und gutem Kündigungsschutz, auf der anderen Seite die Jungen mit befristeten oder prekären Jobs. „Die Krise wird auf dem Rücken der Jungen ausgetragen. Sie bekommen keine Chance.“ Ähnlich sei das in Griechenland, Portugal oder Frankreich, wo es ebenfalls einen Kernbereich von Arbeitnehmern gebe – im Zentrum der Vater, der seine Familie ernährt. In schwierigen Zeiten falle es den Jugendlichen schwer, an diese sicheren Jobs zu kommen. „Die Folge sind hohe volkswirtschaftliche Kosten“, warnt der IZA-Experte. „Denn die gut ausgebildeten Kräfte bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück.“ Qualifikation werde verschleudert, hinzu komme das demografische Problem – denn absehbar werden Arbeitskräfte fehlen. „Eine mögliche Lösung könnte die weitere berufliche Qualifikation der jungen Menschen sein“, sagt Eichhorst. „Aber das kostet Geld.“ Oder etablierte Arbeitnehmer könnten zugunsten der Jungen auf Privilegien verzichten – auch das sei schwierig.
Viele junge Leute sehen daher nur einen Weg: ihre Heimat zu verlassen. Deutsch-Kurse sind in Spanien im Moment sehr gefragt. „Ich kann deutschen Arbeitgebern nur raten, sich in Spanien umzuschauen“, sagt Eichhorst. Einen Braindrain, also die Abwanderung hochqualifizierter Menschen von Spanien nach Deutschland, so wie es ihn etwa in Polen gibt, beobachtet er aber noch nicht.
Europapolitiker Martin Schulz fürchtet, dass Betroffene ganz aus Europa abwandern könnten. „Europa muss seinen jungen Menschen eine Perspektive geben“, sagt Schulz. In Ländern wie Spanien oder Griechenland werde derzeit nicht investiert, sondern vor allem gespart. „Die Bundesregierung sollte ihren Widerstand gegen die Eurobonds aufgeben“, fordert Schulz. So könnten sich Länder wie Spanien, Portugal oder Italien leichter refinanzieren. „Deutschland sollte einen Beitrag zur gesamteuropäischen Erholung leisten, denn nur eine Erholung bringt Jobperspektiven.“ Neben einem Währungsraum brauche Europa auch einen gemeinsame Wirtschaftszone. „Europa wird nicht funktionieren, wenn Deutschland mit dem Ferrari vor- und alle anderen mit dem Dreirad hinterherfahren“, sagt Schulz.
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