Plan gegen Stau: EU möchte Autofahrer mit Pkw-Maut in Bus und Bahn zwingen
Das Europaparlament will einen radikalen Plan vorlegen, um die Stadtluft zu verbessern. Es geht um eine Pkw-Maut. Die Kanzlerin hatte diese bisher ausgeschlossen.
Bei Lastwagen gibt es das schon lange, bei Pkws soll es in den nächsten Jahren möglich werden: In die Berechnung der Maut sollen externe Faktoren wie der Ausstoß von Lärm und Schadstoffen einfließen. Außerdem sollen in allen Ländern der EU die Betreiber von Straßen auch zusätzlich noch Staugebühren erheben können. Auf besonders vom Verkehr belasteten Strecken in Ballungsgebieten sollen so zusätzliche Staugebühren für Pkw von bis zu 67 Cent je Kilometer auf Autobahnen und 198 Cent je Kilometer auf Hauptstraßen möglich sein. Außerhalb von Städten sind Stauzuschläge von bis zu 34 Cent auf Autobahnen und 66 Cent auf Hauptstraßen geplant. Für Nutzfahrzeuge, Busse und schwere Lastwagen sollen die Staugebühren mit Faktoren bis zum 2,9 Fachen multipliziert werden.
Mit dieser Position zu Staugebühren will das Europaparlament in die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten für neue EU-weite Regeln für Straßenbenutzungsgebühren ziehen. Dies soll nach Informationen des Tagesspiegels am Montag im EU-Parlament in Straßburg bekannt gegeben werden.
Im vergangenen Jahr hatte die EU-Kommission ihren Vorschlag für die EU-weite Erhebung von Straßennutzungsgebühren vorgelegt. Demnach soll für Lastwagen EU-weit Maut zur Pflicht werden. Ab 2020 soll dies auch für Busse gelten. Die Kommission will zudem in allen Fahrzeugkategorien einen Systemwechsel durchsetzen: Künftig soll die Maut nicht mehr zeitlich, sondern nach der tatsächlich gefahrenen Strecke bemessen werden. Vignettensysteme, wie sie etwa die Bundesregierung für Pkw plant, sollen spätestens 2026 auf streckenbasierte Systeme umgestellt werden.
Die EU-Kommission verfolgt ähnliche Pläne
Die EU-Kommission will eine Pkw-Maut nicht zur Pflicht machen. Wie das Parlament auch macht sie sich aber für Staugebühren stark, die die Mitgliedsländer zusätzlich zur Maut auf besonders befahrenen Strecken erheben können. In Schweden etwa werden Staugebühren bereits in den Innenstädten von Stockholm und Göteborg erhoben. Sie müssen von allen Autofahrern gezahlt werden, die montags bis freitags von 6.00 Uhr bis 18.29 Uhr in die Stadt fahren wollen. An Wochenenden, Feiertagen und Vorfeiertagen werden keine zusätzlichen Gebühren fällig. Ziel der Staugebühr ist, das Verkehrsaufkommen drastisch zu senken. Zu Zeiten, wo am meisten Autos in die Stadt oder wieder hinaus fahren, sind die Staugebühren am höchsten: Von 7.30 Uhr bis 8.29 und von 16 Uhr bis 17.29 Uhr muss in Stockholm ein Aufschlag von umgerechnet 3,70 Euro gezahlt werden. Ab 18 Uhr nur noch rund 1,50 Euro.
Gegen den Widerstand der Christdemokraten hat sich das EU-Parlament darauf festgelegt, EU-Mitgliedsländern die Staugebühren zu ermöglichen. Markus Pieper (CDU), im Europaparlament Experte für Mittelstandspolitik, nennt die Pläne „weltfremd“. Autofahrer würden gleich doppelt bestraft, zum einen über den Verlust an Zeit, wenn sie im Stau stehen, zum anderen indem sie über die Staugebühren abkassiert werden. Pieper fordert die Mitgliedstaaten stattdessen auf, „kluge Verkehrsinfrastrukturpolitik zu betreiben“ und mit neuen Straßen, wo sie nötig sind, für Entlastung zu sorgen.
Beifall von den Grünen
Der grüne Verkehrsexperte Michael Cramer widerspricht: „Es wird höchste Zeit, dass der Autofahrer für die Verursachung von externen Kosten wie Lärm, Stau sowie den Ausstoß von Stickoxiden und CO2 herangezogen wird.“ Dies sei auch klimapolitisch geboten: „Der Verkehr ist der einzige Sektor, der seit 1990 den Ausstoß von CO2-Emissionen gesteigert hat. Ohne eine Veränderung bei der Mobilität werden wir den Klimawandel nicht stoppen.“ Es sei ein „Skandal“, so Cramer weiter, dass unter dem damaligen deutschen Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Lastwagenmaut auf der „klimaschädlichen“ Straße um 13 Prozent gesenkt und die Maut auf der „umweltfreundlichen Schiene“ dagegen um 16 Prozent erhöht wurde. Es sei höchste Zeit, dass die Vorschläge der Kommission umgesetzt werden und damit auch in Deutschland die angedachte Vignettenlösung wieder vom Tisch sei.
Damit die Staugebühr und die anderen Mautpläne EU-weit Gesetz werden, müssen zwei Co-Gesetzgeber zustimmen: Das Parlament muss mehrheitlich einwilligen, zudem müssen 16 von 28 Mitgliedstaaten zustimmen, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung stellen. In den Hauptstädten stoßen die Maut-Pläne allerdings auf große Widerstände, wie zu hören ist. Österreich, das in der zweiten Jahreshälfte die Geschäfte im Rat, dem Gremium der Mitgliedstaaten, führt, ist gegen die Abschaffung der Vignettensysteme. Daher wird in Brüssel damit gerechnet, dass das Gesetzgebungsverfahren frühestens nach der Europawahl im Juni 2019 in Gang kommt.
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