Ärger für Minister Scheuer: Bahn-Lobby wehrt sich gegen Mautpläne
E-Lkw sollen von der Maut befreit werden. Damit breche Bundesverkehrsminister Scheuer den Koalitionsvertrag, sagen Kritiker.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will alle Elektro-Lkw komplett von Mautabgaben befreien. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, der im Schnelldurchgang verabschiedet werden soll — und die Bahn-Lobby noch mehr verärgert. In den letzten Tagen hat bereits Scheuers Ankündigung scharfe Kritik ausgelöst, dass die zugesagte Halbierung der Trassenpreise für Züge erst 2019 kommen soll.
Die Bahnbranche sieht in diesen Vorgängen eine krasse Benachteiligung des umweltschonenden Bahnverkehrs und einen Bruch des Koalitionsvertrags von Union und SPD. „Rückenwind für die Güterbahnen sieht anders aus“, kritisiert die Allianz pro Schiene, ein Bündnis von zwei Dutzend Verkehrs- und Umweltorganisationen. Der Verlust von Marktanteilen sei programmiert, befürchtet Geschäftsführer Dirk Flege, falls „die neue Regierung verkehrspolitisch nicht schnellstens die Kurve kriegt“.
Nur drei Tage zur Prüfung des Entwurfs
Die komplette Mautbefreiung für Elektro-Lkw ist im „Fünften Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes“ vorgesehen. Der Entwurf mit Datum vom 27. April wurde 32 Verbänden erst am Freitag zugeschickt. Das Verkehrsministerium fordert eine Stellungnahme bis zum heutigen Mittwoch. Damit blieben den Verbänden wegen des Wochenendes und Feiertags nur drei Arbeitstage zur Prüfung der komplexen Materie. „Unzumutbar“, kommentiert Flege.
Die Allianz pro Schiene begrüßt zwar, dass in die neuen Lkw-Mautsätze, die ab 2019 gelten sollen, erstmals auch Lärmkosten des Straßenverkehrs einbezogen werden. Damit schöpfe die Regierung endlich Spielraum aus, den die EU-Gesetze hier bieten. In der kompletten Mautbefreiung für E-LKW sieht das Bündnis aber einen Bruch des im „Masterplan Schienengüterverkehr“ gefundenen Kompromisses, den die Bahnbranche im Sommer 2017 mit Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gefunden hatte.
Demnach sollen E-LKW „ausschließlich“ bei Zulieferungen und Abholungen von Bahnfracht mautbefreit sein. In Scheuers Entwurf ist nun aber die komplette Mautbefreiung bei allen Transporten vorgesehen. Diese einseitige Bevorteilung des Straßenverkehrs konterkariere das ausdrückliche Ziel des Koalitionsvertrags, mehr Verkehr auf die umweltfreundliche Schiene zu verlagern, kritisiert Flege. Zudem werde damit der Koalitionsvertrag gebrochen, wonach der Masterplan Schienengüterverkehr vollständig und dauerhaft umgesetzt wird.
Auch Fernbusse sollen keine Maut zahlen
Die Bahn-Lobby weist zudem darauf hin, dass für E-LKW weiterhin keine Kennzeichnungspflicht vorgesehen sei, was Kontrollen durch die ohnehin unterbesetzten Behörden erschwere und Missbrauch Tür und Tor öffne. Zudem werde mit dem Gesetzentwurf die Mautlücke zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen nicht geschlossen; diese Lkw sollen auch ab 2019 keine Maut zahlen. Auch Fernbusse, die den Personenzügen viele Kunden abjagen, sollen weiter mautbefreit sein.
Bisher sind erst wenige E-LKW unterwegs, in Zukunft könnten diese Fahrzeuge aber große Teile des Gütertransports auf den Straßen übernehmen. Die Regierung will die Umstellung durch geringere Abgaben fördern. Flege befürchtet indes, dass auch hier der Grundsatz gelte: einmal mautbefreit, immer mautbefreit. So zahlten Fernbusse noch immer keine Nutzungsgebühr, obwohl Flixbus mehr als 90 Prozent Marktanteil habe. Binnenschiffe seien bereits 1868 von Wegekosten befreit worden, Flieger zahlten seit dem Chicagoer Abkommen von 1936 keine Kerosinsteuer.
Scheuer breche den Vertrag "gleich zweifach"
Das Verkehrsministerium breche den Koalitionsvertrag „gleich zweifach“, so die Allianz pro Schiene. Denn auch die im Masterplan als „Sofortmaßnahme“ zugesagte Halbierung der Schienenmaut solle laut Scheuer nun erst 2019 kommen. Das hatte der Minister vorigen Freitag in einer nichtöffentlichen Sitzung des Verkehrsausschusses im Bundestag eingeräumt, was scharfe Kritik bei der Opposition und in Bahnkreisen auslöste.
Kaum im Amt, ignoriere Scheuer verbindliche Vereinbarungen, kritisiert Alexander Kirchner, Vorsitzender der Gewerkschaft EVG und Vizechef des Aufsichtsrats der bundeseigenen Deutschen Bahn AG. Die für die Halbierung der Schienenmaut nötigen 350 Millionen Euro seien im Bundeshaushalt 2018 nicht eingestellt. Zudem greife die vereinbarte Förderrichtlinie E-Mobilität des Ministeriums nicht und so blieben zugesagte Mittel für neue E-Loks aus. Die Mittel habe Dobrindt aber im Juni 2017 vor den Bundestagswahlen fest versprochen.
Das Verkehrsministerium verweist knapp auf „das parlamentarische Verfahren“. Für die Aufstellung des Bundeshaushalts sei das Finanzministerium zuständig. Das Bundeskabinett will an diesem Mittwoch die Eckwerte des Haushalts 2019 beschließen. Der Sprecher der Grünen für Verkehrspolitik, Stephan Kühn, stellt fest: „Scheuer hat seine erste Bewährungsprobe nicht bestanden.“