Wohnungsbau: Es wird eng
Vor allem in Ballungsgebieten wie Berlin gibt es zu wenige günstige Wohnungen. Der Raumnotstand ist Leitthema auf der Fachmesse Bautec, die noch bis Freitag läuft.
Die Nachfrage im Land steigt und steigt. Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem die Politik ihre Prognosen über die Bevölkerungsentwicklung und deren Bedarf an Wohnraum nicht nach oben korrigiert.
Am Freitag erst hat Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) eine neue Zahl ins Spiel gebracht: 1,3 Milliarden Euro müsse der Staat zusätzlich zu den bereits veranschlagten Mitteln in Neubauten und Stadtentwicklungsprojekte investieren, um den sozialen Frieden im Land zu wahren.
Wie groß der Druck auf dem deutschen Wohnungsmarkt ist, bekommt zunehmend auch die Bauwirtschaft zu spüren. Sie soll zeitnah das nachholen, was die öffentliche Hand über Jahrzehnte hinweg versäumt hat – Wohnraum auch für diejenigen zu schaffen, die nur wenig ausgeben können.
Der soziale Wohnungsbau ist Leitthema auf der Fachmesse Bautec
Während hierzulande in den vergangenen Jahren immer mehr hochpreisige Häuser und Eigentumswohnungen im Luxussegment entstanden sind, hat sich am anderen Ende nur wenig getan. „Der Nachholbedarf im sozialen Wohnungsbau ist riesig“, sagt Engelbert Lütke Daldrup, Staatssekretär für Bauen und Wohnen der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt.
Das Land muss nicht nur die Frage lösen, wo die sozial Schwächeren in Zukunft leben sollen – und wie es gelingen kann, möglichst schnell möglichst viel günstigen Wohnraum zu schaffen. Die Problematik ist Leitthema auf der Internationalen Fachmesse für Bauen und Gebäudetechnik Bautec, die von Dienstag bis Freitag in Berlin stattfindet.
Um den Bedarf zu decken, müssten pro Jahr etwa 80000 Sozialwohnungen entstehen
Mindestens 400 000 Wohnungen pro Jahr müssen nach aktuellem Stand gebaut werden, um den Bedarf in der Republik zu decken – 140 000 mehr als bisher entstehen. Dies hat eine Studie des Pestel-Instituts im Auftrag eines Bündnisses aus 29 Verbänden, Bauträgern, Wohnungsunternehmen, Immobilienbesitzern, Mieterorganisationen und Wohnungsunternehmen ergeben.
Besonders groß ist der Nachholbedarf bei günstigen Wohnungen, sind sich die Beteiligten einig. Deshalb müssten jährlich rund 80 000 Sozialwohnungen neu entstehen und zusätzlich weitere 60 000 bezahlbare Wohnungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt wie Berlin, schreiben die Autoren des Forschungsinstituts.
Ein Drittel des Einkommens als Wohnkosten gelten als angemessen
Was mit „bezahlbar“ gemeint ist, beantworten die Wissenschaftler nicht mit einer absoluten Zahl. Sie leiten vielmehr aus den „Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft“, die Ämter hilfsbedürftigen Haushalten zahlen, eine durchschnittliche Miete von 7,50 Euro je Quadratmeter bruttokalt im Neubau ab.
Allerdings reiche die Spanne von 3,50 Euro je Quadratmeter in ländlichen Kreisen bis neun Euro in Metropolen. Die Wissenschaftler betonen, dass dies ein Durchschnittswert ist, der bei Haushalten mit eigenständig erwirtschafteten Einkommen in Relation zum Haushaltseinkommen stehen muss. Etwa ein Drittel des Einkommens gilt als angemessen für die Kosten des Wohnens.
2015 wurden hierzulande vor allem Häuser und Eigentumswohnungen gebaut
Doch gerade das gibt der Markt in Deutschland derzeit nicht her: Gut 240 000 Wohnungen entstanden im vergangenen Jahr in Deutschland, die weit überwiegende Zahl davon waren Eigenheime oder Eigentumswohnungen in Ballungsgebieten – also solche Immobilien, an denen es gerade am wenigsten fehlt.
Dagegen mangelt es an Unterkünften für sozial Schwache, Zuwanderer und Flüchtlinge. Beispiel Berlin: In den Hangars des früheren Flughafen Tempelhof sowie in anderen Notunterkünften leben tausende Neu-Berliner aus Syrien, obwohl sie bereits einen Asylantrag gestellt haben und deshalb in reguläre Flüchtlingsunterkünfte umziehen sollten. Doch auch die sind überfüllt, weil es in der Stadt zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt.
Deutschland wächst um 300000 Menschen pro Jahr
Um 300 000 Menschen wächst die Republik pro Jahr, sagen Wissenschaftler. Sie alle brauchen eine Bleibe. Ohne Förderung sei eine so starke Ankurbelung des Wohnungsbaus aber nicht zu erreichen, schreiben die Autoren der Pestel-Studie. Mehr als sechs Milliarden Euro an Fördergeldern müssten fließen, damit Bauträger und Genossenschaften die erforderlichen 80 000 Sozialwohnungen jährlich errichten. Die Bundesregierung hat nun reagiert und eine neue steuerliche Förderung in Gesetzesform gegossen.
Und die Ministerialen haben aus der Vergangenheit gelernt, als die Subventionen auch gleich die Baukosten in die Höhe trieben. Um dies zu vermeiden, sollen die Steuervorteile künftig nur für Neubauten gelten, die für maximal 2200 Euro pro Quadratmeter errichtet werden. Wird diese Baukostengrenze überschritten, ist der Anteil der Aufwendungen oberhalb der Kappungsgrenze von der steuermindernden Wirkung ausgenommen, ab Baukosten von 3000 Euro je Quadratmeter ist der Neubau sogar komplett von der Förderung ausgeschlossen.
Einen Teil der Baukosten können Bauherren von der Steuer absetzen, wenn sie die Wohnungen vermieten
Die neue Sonderabschreibung ermöglicht es den Bauherren, 29 Prozent der Baukosten in Höhe von 2000 Euro je Quadratmeter innerhalb der ersten drei Jahre nach Fertigstellung vom zu versteuernden Einkommen abzuziehen. Weitere Bedingung für den Erhalt der Subvention: Der Bauantrag muss in diesem oder in den kommenden beiden Jahren gestellt sein.
Außerdem können die finanziellen Vorteile maximal bis zum Jahr 2022 genutzt werden. Voraussetzung außerdem: Die neu entstehenden Wohnungen müssen zehn Jahre lang vermietet werden – und dürfen nicht selbst genutzt oder verkauft werden. In den Genuss der Förderungen kommen Regionen, in denen die Miete fünf Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegen – oder wo die Mietpreisbremse eingeführt ist, wie etwa in Berlin.
In Berlin wurden 2015 weniger Wohnungen gebaut als geplant
Überhaupt Berlin: Was haben Bausenator Andreas Geisel und sein Vorgänger Michael Müller (beide SPD) nicht alles angekündigt, um den Wohnungsbau zu beschleunigen. Doch herausgekommen ist das Gegenteil: Bis Ende September 2015 wurden weniger Neubauten genehmigt und gebaut als eigentlich vorgesehen.
Von den ursprünglich knapp 15 000 geplanten neuen Wohnungen wurden nur 11 500 gebaut. Dass die negative Bilanz nicht zum ganz großen Politikum wurde, lag an der stark gestiegenen Zahl der ausgebauten Dachgeschosse und anderen Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden, die den Bestand um weitere knapp 3400 Wohnungen erhöhten.
Zur Dämpfung der sozialen Wohnungsnot wird das aber nicht beitragen: Dachgeschosse gehören zu den vergleichsweise teuren Bauprojekten und reihen sich überwiegend in das Angebot an luxuriösen und für die meisten Wohnungssuchenden unerschwinglichen Immobilien ein, an denen es laut Maklern inzwischen keinen Mangel mehr gibt.
Der Berliner Senat setzt auf große Siedlungen
Derweil wächst der Druck auf den Berliner Senat. Angesichts eines geschätzten jährlichen Bevölkerungszuwachses von 40 000 Menschen müssten in der Stadt pro Jahr 20 000 neue Wohnungen entstehen, sagt Staatssekretär Lütke Daldrup.
Die öffentliche Hand werde dabei nicht umhinkommen, in Zukunft auf den freien Flächen der Stadt eine Vielzahl von Menschen unterzubringen. „Wir werden wieder damit beginnen müssen, größere Quartiere in der Stadt zu bauen“, sagt der Staatssekretär über das Bauen der Zukunft. An zehn Standorten in der Stadt könnten also Siedlungen mit rund 5000 Wohnungen für bis zu 10 000 Menschen entstehen.
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