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Vom offenen Büro verspricht sich Partner-Geschäftsführer Stefan Franzke einen Kulturwandel.
© Mike Wolff

Berliner Wirtschaftsförderung: Ein Jahr des Umbruchs

Bei der Berlin Partnern war 2017 viel los: Führungschaos, Umzug und Tarifstreit. Trotzdem ist es ein Rekordjahr geworden, weil die Wirtschaft brummt und die Stadt Talente aus aller Welt anlockt.

Stefan Franzke hat das Jahr überlebt. Im April sah es nicht danach aus, als der Zoff an der Spitze der Berlin Partner, in Geschäftsführung und Aufsichtsrat, die Organisation belastete und Struktur und Strategie in Frage stellte. Ein paar Monate später, nach einem Wechsel im Aufsichtsrat und der Trennung von Co-Geschäftsführerin Andrea Joras, ist die Welt wieder in Ordnung im Ludwig-Erhard- Haus. Das „Umbruchjahr“, wie Franzke sagt, ist vorbei, und seine „Arbeitgeber“ sind zufrieden. „Ich freue mich darüber, dass wichtige Themen in diesem Jahr abgearbeitet wurden, dazu gehört der Umzug im Haus und der Tarifvertrag“, sagt Wirtschaftssenatorin Ramona Pop. Die Politikerin der Grünen ist stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats, der seit Mai von Jürgen Allerkamp, dem Vorstandsvorsitzenden der landeseigenen Investitionsbank Berlin (IBB), geführt wird. Er sei „sehr zufrieden“ mit der Wirtschaftsförderung, sagte Allerkamp dem Tagesspiegel. Die Zahlen sind prima, „trotz aller Umbrüche werden die Berlin Partner ein Rekordjahr erreichen“.

Ungleiche Bezahlung drückt die Stimmung

Der Erfolg muss nicht zwingend mit Allerkamps Aufsicht und Franzkes Geschäftsführung zusammenhängen, denn Berlin mit seiner Anziehungskraft lockt kreative Menschen aus aller Welt und ist mit der aktuellen Dynamik fast ein Selbstläufer. Obwohl die Wirtschaftsförderer mit ihrem Umzug beschäftigt waren und ein Tarifkonflikt auf die Stimmung drückte, betreuten die knapp 230 Mitarbeiter in diesem Jahr so viele Projekte mit so vielen Investitionen und Arbeitsplätzen wie noch nie. Der Erfolg sichert Franzkes Position, sodass der Aufsichtsrat vorerst keinen Co-Geschäftsführer sucht. Franzke, der seit dreieinhalb Jahren die Partner führt, hat einige Großbaustellen 2017 abschließen können. Zum Beispiel Geld. Eine Quelle der Missstimmung war im Ludwig-Erhard-Haus die unterschiedliche Bezahlung der Belegschaft: Die Berlin Partner in der heutigen Form sind das Ergebnis von Zusammenschlüssen verschiedener Organisationen mit speziellen Vergütungssystemen. So verdienen die früheren Mitarbeiter der ehemals bei der IHK angesiedelten Außenwirtschaftsförderung (BAO) deutlich mehr als die Leute der klassischen Wirtschaftsförderung. Und als vor einigen Jahren die Innovationsberater der Technologiestiftung (TSB) zu den Berlin Partnern wechselten, wurden dort Führungskräfte mit Gehaltserhöhungen verabschiedet. Alles in allem gibt es nunmehr sechs verschiedene Vergütungssysteme bei den Berlin Partnern mit bis zu 2000 Euro Einkommensunterschied/Monat bei vergleichbarer Tätigkeit, wie Verdi errechnet hat.

Das meiste Geld kommt vom Land Berlin

Franzke verständigte sich im Sommer mit Verdi auf einen Tarifvertrag, der neben jährlichen Erhöhungen um die drei Prozent eine Angleichung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes bis 2022 vorsieht und mithin das gesamte Vergütungssystem einheitlich und transparent macht. Das kostet Geld – vor allem das Geld des Steuerzahlers, der rund zwei Drittel des Budgets der Berlin Partner trägt. Etwa zehn Millionen Euro oder entsprechend ein Drittel zahlen die privaten Partner, das sind 280 Berliner Unternehmen und Institutionen. Von den öffentlichen Geldern, rund 20 Millionen, stammen etwa 80 Prozent vom Land Berlin, 15 Prozent von der EU und der Rest vom Bund sowie dem Land Brandenburg. Noch kostet das Partner-Personal 13 Millionen Euro, doch diese Summe wird Jahr für Jahr größer. „Im Koalitionsvertrag haben wir uns auf das Ziel einer vernünftigen Bezahlung der Beschäftigten bei den Zuwendungsempfängern des Landes verständigt, dazu gehören Kitas genauso wie die Berlin Partner“, sagt Wirtschaftssenatorin Pop dazu. Und Franzke erleichtert das Geld womöglich die Rekrutierung von Personal. „Es ist eine Riesenherausforderung, gute Leute zu finden“, sagte der Geschäftsführer.

Raumfragen sind Machtfragen

Deshalb war es umso ärgerlicher, als 2016 einige Leistungsträger vom Hof gingen. Die Stimmung war damals schlecht, auch wegen des Zoffs in der Geschäftsführung, und der damalige Aufsichtsratsvorsitzende, der Medizintechnikunternehmer Andreas Eckert, kümmerte sich nicht wirklich. Heute, so hört man aus dem Ludwig-Erhard-Haus, ist die Stimmung deutlich besser. Auch deshalb, weil der umstrittene Umzug erledigt ist. Raumfragen sind immer auch Machtfragen, und wenn das eigene Büro verschwindet und es keinen festen Arbeitsplatz mehr gibt, hebt das nicht unbedingt die Stimmung. Der Anspruch des Chefs klingt gut, ist aber nicht jedem Betroffenen zu vermitteln. „Wir wollen über das Raumkonzept auch einen Kulturwandel erreichen“, sagt Franzke im Gespräch mit dem Tagesspiegel, und stellt sich seine Mitarbeiter als flanierende Mönche vor. „Ich mag Klöster, denn im Klostergang trifft man ständig Leute.“

Statt 5200 nur noch 3000 Quadratmeter

Vor knapp zwei Jahren begann die Raumplanung auch mit dem Ziel einer höheren Flächeneffizienz. Mehr als 140 Mitarbeiter waren nie gleichzeitig im Haus; die übrigen 85 dienstlich unterwegs, im Urlaub oder krank. Warum dann knapp 5200 Quadratmeter auf zwei Etagen vorhalten – zum Preis von rund 20 Euro/Quadratmeter? Heute belegen die Partner gut 3000 Quadratmeter auf einer Etage. Am Anfang der Planung war ein Drittel der Belegschaft gegen das offene Büro, berichtet Franzke, heute seien es noch zehn Prozent. „Das neue Bürokonzept ist offenkundig ein voller Erfolg“, freut sich Allerkamp – vor allem auch über das Ende der Selbstbeschäftigung. „2018 wird ein normales Jahr, da kann sich die Mannschaft wieder voll auf das Kerngeschäft konzentrieren“, meint der Aufsichtsrat. „Damit steigen aber auch die Erwartungen.“

Gegen IBB-Chef Allerkamp gab es Vorbehalte

Gegen Allerkamp selbst gab es Vorbehalte bei den Partnerfirmen, die seit jeher misstrauisch nach Belegen dafür suchen, dass die Politik zu viel Einfluss hat. Eine informelle Verabredung zwischen Politik und Wirtschaft sieht deshalb auch die Besetzung des Aufsichtsratsvorsitzes mit einer Person aus der Wirtschaft vor – wie zuletzt Eckert und davor der Ex-Schering-Manager Günter Stock und der Daimler- Mann Rolf Eckrodt. Inzwischen haben sich bei den Privaten, die vom Vorstandschef der Berliner Volksbank, Holger Hatje, angeführt werden, aber die Vorbehalte gegen den „Landesbanker Allerkamp“ gelegt. Der sei ja auch eine „unternehmerische Persönlichkeit“, heißt es bei den Partnern. Das „einzigartige Netzwerk unserer Partner“ (Franzke) hilft der Wirtschaftsförderung weltweit bei Kontakten, wenn es um die Vermarktung des Standorts geht. Und natürlich das Image. „Im Kern unserer Marketingstrategie steht Berlin als Synonym für Freiheit und Vielfalt“, sagt Franzke. „Eine Stadt, die Talente aus aller Welt anzieht.“ Und diese Talente und Start-ups „helfen bei der Digitalisierung der Berliner Industrie“. Dem Megathema der kommenden Jahre. Rund 100 Unternehmen betreut im Schnitt ein Mitarbeiter der Berlin Partner. 2018 hoffentlich ohne größere Ablenkungen.

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