Berlins Wirtschaftsförderer im Umbruch: Schwierige Beziehung
Ramona Pop hat bei den Berlin Partnern mit Stefan Franzke ihr erstes großes Problem zu lösen.
Auch die zweite Verhandlungsrunde blieb ohne Ergebnis. Am vergangenen Freitag trafen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber, um über die Arbeitsbedingungen der 200 Beschäftigten der Berlin Partner zu sprechen: Arbeitszeit und Urlaubsdauer, Zuschläge, Qualifizierungsfragen und Zuschüsse bei längerer Krankheit. Erst wenn bei diesen Punkten irgendwann ein Kompromiss gefunden ist, kommt mit dem Geld der dickste Brocken auf den Tisch. Denn die Einkommen der Beschäftigten unterscheiden sich erheblich, nach Angaben von Verdi um bis zu 2000 Euro bei vergleichbarer Tätigkeit. Die Spannweite bei den Projektmanagern zum Beispiel reiche von 3000 bis 6000 Euro brutto. Das ist nicht gut für das Binnenklima. Dazu drücken Führungsprobleme und der Umzug innerhalb des Ludwig-Erhard-Hauses auf die Stimmung. Künftig arbeiten die Wirtschaftsförderer auf viel weniger Platz als bislang. Passen da noch alle hin? Was wird überhaupt aus den Partnern, die wieder mal ins Gerede gekommen sind?
Jürgen Allerkamp wird neuer Aufsichtsratschef
Am 2. Mai trifft sich das Präsidium des Aufsichtsrats, um eine Entscheidung über den Aufsichtsratsvorsitz zu treffen. Jürgen Allerkamp, Vorstandschef der Investitionsbank Berlin (IBB) und bereits Aufsichtsrat der Partner, wird Andreas Eckert ablösen, Vorstandsvorsitzender der Medizintechnikfirma Eckert & Ziegler. Eckert war Ende 2014 von der damaligen Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) als Nachfolger des ehemaligen Schering-Vorstands Günter Stock für die Aufsichtsratsspitze gewonnen worden. Ein Irrtum, wie man heute weiß. Eckert kümmerte sich zu wenig und war nicht der richtige Mann für den komplizierten Job, in dem man mit Wirtschaft und Politik können muss. Und Eckert hatte keine glückliche Hand bei der Auswahl der zweiten Geschäftsführerin, Andrea Joras, die seit Mitte 2015 Stefan Franzke unterstützen sollte, der wiederum seit 2014 als Geschäftsführer fungiert. Die Doppelspitze funktioniert nicht, und dem Vernehmen nach scheidet Joras, die von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zu den Partnern kam, in absehbarer Zeit aus. Das lässt ihr Vertrag offenbar zu. Bei Franzke ist es schwieriger, sein Vertrag läuft noch drei Jahre. Und die Aufsichtsräte sind sich auch nicht einig, ob man in der aktuell unübersichtlichen Situation Franzke noch braucht.
Verdi spricht von einer intransparenten Führungskultur
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, der angeblich knapp ein Drittel der Beschäftigten angehört, spricht von einer „intransparenten Führungskultur“ und einem „fraglichen Umgang mit der Mitbestimmung“. Das habe neben der „starken Ungleichbehandlung und Schlechterstellung zum Tarifvertrag“ zu vielen Kündigungen geführt. Bei den Partnern selbst ist von „ganz normalen Fluktuationsbewegungen“ die Rede. Vom Aufsichtsrat wird der neue Vorsitzende Allerkamp am 12. Mai den Auftrag bekommen, Struktur, Organisation und Führung der Partner zu untersuchen. Womöglich wird dann auch die Trennung von Joras beschlossen. Die Leistungsbilanz des Duos Franzke/Joras ist nicht übel – aber was hilft das, wenn die beiden mehr gegen- als miteinander arbeiten?
Die Zahl der Ansiedlungen hat sich seit 2014 verdoppelt
Im vergangenen Jahr haben die Wirtschaftsförderer 302 Projekte betreut, „die insgesamt 6775 neue Arbeitsplätze in Berlin realisieren“. Ob das für die größte Wirtschaftsförderungsgesellschaft Deutschlands mit einem Etat von rund 30 Millionen Euro in der mit Abstand größten Stadt ein Erfolg ist, hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Immerhin verdoppelte sich die Zahl der Ansiedlungen 2016 im Vergleich zu 2014 auf 126 Unternehmen. Dadurch wurden erstmals seit fünf Jahren wieder mehr Arbeitsplätze in neu angesiedelten Unternehmen geschaffen als durch das Wachstum der schon ansässigen Firmen. Positiv ist ferner die Start-up-Orientierung und der Erfolg bei der Akquisition von Geld: „Mit rund 49 Millionen Euro konnten die Drittmittelgelder um über 30 Prozent erhöht werden“, vor allem mit Projekten in der Gesundheitswirtschaft und der Optik. Beides sind Cluster oder Schwerpunktbereiche der regionalen Wirtschaftsförderung, auf die sich Berlin mit Brandenburg vor einigen Jahren verständigt hat.
Aufgaben und Struktur von ZAB und Berlin Partner unterscheiden sich erheblich
Gesellschafterstruktur, Größe, Aufgaben und Etat der Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB) und der Berlin Partner unterscheiden sich erheblich, die ZAB hat knapp 100 Mitarbeiter und mit 8,6 Millionen Euro weniger als ein Drittel der Mittel der Berliner Partner zur Verfügung. Dafür zahlt in Berlin die Privatwirtschaft rund zehn Millionen Euro ins Jahresbudget ein. Von den öffentlichen Geldern (rund 20 Millionen Euro) stammen etwa 80 Prozent vom Land Berlin, rund 15 Prozent von der EU und der Rest vom Bund und dem Land Brandenburg. Der Berliner Zuschuss kommt vom nächsten Jahr an direkt aus dem Haushalt und nicht mehr von der landeseigenen Investitionsbank IBB. Diese Art der Umwegfinanzierung war vor vielen Jahren gewählt worden, um den Landeshaushalt zu entlasten. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) begründet die Rückverlagerung in den Haushalt und damit ins Abgeordnetenhaus mit einer entsprechenden Forderung der Bankenaufsicht.
Wird der Senat sich stärker einmischen?
Die Frage ist nun, ob sich dadurch die Arbeitsbedingungen der Berlin Partner verändern. Ob der Senat respektive das Parlament sich stärker einmischen und mithin Beweglichkeit und Kreativität im operativen Geschäft der Förderer eingeschränkt werden. Denn die Organisation als Public-Private-Partnership mit 270 Mitgliedern aus Wirtschaft und Wissenschaft ist einzigartig – und hat sich bewährt, weil die klassische Wirtschaftsförderung in Behördenhand ergänzt wird durch ein privatwirtschaftliches Netzwerk. Das war nicht immer so. Die jetzige Organisation der Partner ist das Ergebnis von mehreren Zusammenschlüssen. 2003 ging die bis dahin bei der IHK angesiedelte Berliner Absatzorganisation (BAO), eine Einrichtung der Außenwirtschaftsförderung, in der landeseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft auf.
Die IHK mischt seit Jahren mit
Der damalige IHK-Präsident Werner Gegenbauer steckte hinter der Fusion, und es war auch Gegenbauer, der Mitte 2004 Roland Engels aus der Geschäftsführung der IHK an die Spitze der Wirtschaftsförderung bugsierte. In der neuen Funktion managte Engels ein Jahr später die Integration der Partner für Berlin – Gesellschaft für Hauptstadtmarketing, die 1994 als Nachfolgegesellschaft der Olympia Marketing GmbH gegründet worden war. Nachdem der Zusammenschluss einigermaßen gelaufen war, wechselte Engels dann 2007 ins Management der Gegenbauer-Gruppe. Werner Gegenbauer war inzwischen nicht mehr Präsident der IHK, doch auch unter seinem Nachfolger Eric Schweitzer und mit dem Kammergeschäftsführer Jan Eder mischte die IHK mit bei der benachbarten Wirtschaftsförderung, die durch ihren Einzug ins Ludwig-Erhard-Haus der Kammer half, das viel zu teure „Gürteltier“ an der Fasanenstraße mit Mietern zu füllen. Die in diesen Monaten laufenden Umbauten und Umzüge haben den Zweck, die Mietbelastung für die Berlin Partner zu reduzieren. Im Sommer 2013 präsentierte sich die damalige Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) als Macherin. In nur acht Monaten sei gelungen, was zuvor acht Jahre diskutiert worden war, lobte sich die Senatorin und meldete Vollzug beim Wechsel von 70 Technologieförderern von der Technologiestiftung Berlin (TSB) zu den Partnern. Deren Geschäfte führte damals Melanie Bähr – wieder eine ehemalige IHK-Mitarbeiterin. Ein Jahr später kam Franzke von der Wirtschaftsförderung Hannover nach Berlin, und Bähr ging später wieder zurück zur Kammer.
Die Integration der Technologieförderer hält manch einer für gescheitert
Die Integration der Technologieförderer dauert an, für manche ist sie gescheitert. Vielleicht braucht es aber schlicht Zeit, um die auf Fördermittelakquise und Projektarbeit fokussierten Technologen mit den Marketingleuten und Unternehmensbetreuern zu verbinden. „Die reden eher mit Wissenschaftlern von Fraunhofer als mit Unternehmensvertretern“, sagen Kundige über die Arbeit der früheren TSB-Mitarbeiter. Dabei war das der Sinn der Sache: Den unzulänglichen Transfer aus der Wissenschaft in die kleinteilige Berliner Wirtschaft zu verbessern. Dazu kann man Technologieberater gebrauchen, vielleicht ähnlich organisiert wie die Firmenbetreuer der Partner in den einzelnen Bezirken. Aufsichtsratschef Allerkamp wird sich gemeinsam mit der Geschäftsführung darum kümmern. Ob Stefan Franzke noch dazugehört, entscheidet auch die IHK: Jan Eder ist einer der einflussreichsten Berater von Ramona Pop.