Berliner Wachstum: Turbulentes Halbjahr gut überstanden
Die Wirtschaftsförderer Berlin Partner betreuen Projekte mit 6000 neuen Arbeitsplätzen. Senatorin Pop erwartet 2,2 Prozent Wachstum im laufenden Jahr.
Ramona Pop lachte spontan auf, als Stefan Franzke seine Ausführungen mit einem vielsagenden Satz begann. „Wir haben alle Anstrengungen unternommen, um diese Zahlen gut aussehen zu lassen“, bekannte der Geschäftsführer der Berlin Partner am Montag bei der Vorlage der Halbjahresbilanz. Die Wirtschaftsförderer haben viel mehr Projekte mit mehr Arbeitsplätzen und einem höheren Investitionsvolumen betreut als vor einem Jahr. Für Franzke, seit drei Jahren Chef der Partner, ist es das beste Halbjahresergebnis, und für Pop, seit Dezember im Senat für die Wirtschaftspolitik zuständig, sowieso. Die hübschen Zahlen kommen wie bestellt, denn die vergangenen Monaten waren turbulent: An der Spitze des Aufsichtsrats gab es ebenso Verwerfungen wie in der Geschäftsführung, und wieder einmal gab es Diskussionen über Struktur und Arbeitsweise der Wirtschaftsförderer.
Wechsel an der Aufsichtsratsspitze
Dann wurde der Aufsichtsratsvorsitzende Andreas Eckert abgelöst von Jürgen Allerkamp, dem Vorstandsvorsitzenden der landeseigenen Investitionsbank Berlin. Und Andrea Joras, die der Aufsichtsrat vor zwei Jahren als Ko-Geschäftsführerin an die Seite Franzkes geholt hatte, räumte vor zwei Wochen ihren Schreibtisch. Ob es künftig wieder eine Doppelspitze gibt, werde der Aufsichtsrat entscheiden, hielt sich Senatorin Pop am Montag bedeckt.
Tarifkonflikt vor der Lösung
Eine weitere Quelle der Missstimmung im Haus hat Franzke mit Verdi angepackt: Die Berlin Partner in ihrer jetzigen Struktur sind entstanden durch mehrere Fusionen und Übernahmen, zuletzt kamen die Technologieförderer der Technologiestiftung Berlin hinzu. Aufgrund unterschiedlicher Historien gibt es zum Teil gravierende Entgeltunterschiede in der Belegschaft. Mit Verdi habe man sich inzwischen verständigt auf eine prozentuale Erhöhung um 2,3 Prozent für alle im kommenden Jahr. Über mehrere Jahre und in Stufen sollen dann die Einkommen an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder herangeführt werden, kündigte Pop an. Wenn die Zahlen so gut bleiben, dürfte das finanzierbar und politisch durchsetzbar sein.
Fachkräfte sind der Standortfaktor Nummer eins
Die Berliner Wirtschaft wächst in diesem Jahr womöglich um 2,2 Prozent und damit wieder deutlich stärker als der Bundesdurchschnitt, hier gehen die Prognosen von 1,5 und 1,8 Prozent aus. Für ihre Politik hat Pop vorrangig drei Handlungsfelder identifiziert: „Köpfe sind der Wirtschaftsfaktor Nummer eins“, entsprechend müsse man sich weiterhin um Talente bemühen, die entweder aus den Berliner Unternehmen und Hochschulen kommen, oder zuziehen. Gemeinsam mit der IHK und der Ausländerbehörde habe man beispielsweise den Business Immigration Service verbessert. Punkt zwei auf der Agenda der Wirtschaftssenatorin ist die Industrie, vor allem das Digitalisierungsthema. Bis Anfang kommenden Jahres will die Grünen-Senatorin einen überarbeiteten Masterplan Industrie mit neuen Schwerpunkten vorlegen.
Es wird eng in der Stadt
„Adlershof und Buch sind fast voll“, beschrieb Pop den absehbaren Flächennotstand und bekräftigte die Nachnutzung Tegels unter anderem durch Industrie und die Beuth-Hochschule. „Flächenknappheit und Bequemlichkeit könnten die Dynamik gefährden“, meinte Pop. Im Moment sieht es danach aber nicht aus. Vor allem die Expansion der ansässigen Unternehmen, auf die der größte Teil der von den Berlin Partnern betreuten Projekte im ersten Halbjahr entfällt, belegen den Optimismus in der Wirtschaft, wie Franzke meinte. Gleichzeitig haben die Wirtschaftsförderer aber auch mit 60 Ansiedlungen so viele neue Projekte in den ersten sechs Monaten betreut wie im gesamten Jahr 2014.
Jeder dritte Job in einem Start-up
Franzke nannte drei herausragende Investitionen aus den vergangenen Monaten. Hella Aglaia entwickelt in Tempelhof Software für autonomes Fahren und will dazu die Belegschaft um 200 auf 500 erweitern. Eine Tochter des Autozulieferers Phoenix kümmert sich mit 50 Mitarbeitern in Adlershof um industrielle Cyber-Sicherheit. Und schließlich aus dem Bereich der FinTechs, in dem Berlin besonders stark ist, die Simplesurance Group, die inzwischen mit mehr als 150 Mitarbeitern am Standort Berlin Versicherungsprodukte für den E-Commerce entwickelt. Und noch immer gibt es viel Schwung in der Start-up-Szene. Jeder dritte Arbeitsplatz in Berlin-Partner-Projekten entsteht Franzke zufolge in einer Jungfirma.