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Manchmal fehlt was. Wer mit dem Studium allzu große Probleme hat, sollte sich anders orientieren.
© imago/Steinach

Beratung für Studienabbrecher: „Ein Abbruch ist kein Weltuntergang"

Wer sein Studium schmeißt, muss nicht verzagen. Hochschulen unterstützen Zweifler auf ihrem Weg in den Wunschberuf.

Mit dem Studium in Biochemie hadert der junge Berliner schon lange. Der Studienplan ist jedes Semester eng getaktet, etliche Klausuren stehen an, Laborseminare, Exkursionen. Zeit für anderes bleibt kaum. Als er dann durch die Prüfung fällt, werden die Zweifel an der Studienwahl noch größer. Schließlich entscheidet er sich, nicht weiter zu studieren und stattdessen in einen Betrieb zu gehen.

Es sind Fälle wie diese, von denen die Mitarbeiter der Beratungsstellen für Studierende an den Universitäten immer wieder berichten. Entscheidungen zum Studienabbruch entwickeln sich meist über Monate hinweg. Viel Stress, wenig Erfolg, kaum Spaß am Lernen führen dazu, dass sich Studierende auch nach etlichen Semestern und sogar bestandenen Prüfungen gegen ein Fachentscheiden oder sogar komplett die Universität oder Hochschule verlassen.

„Das vorzeitige Ende des Studiums ist kein Weltuntergang“, sagt Hedda Zechner von der Humboldt-Universität (HU) Berlin und nimmt Zweiflern damit schon einmal die größte Sorge. Seit 2015 leitet sie das Projekt „Dropout“. Die Die Beratung richtet sich an Menschen, die Studienzweifel haben und neue Perspektiven suchen. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Stefanie Jungbauer bietet sie einmal in der Woche eine Sprechstunde an. Im Schnitt kommen fünf ratsuchende Studierende vorbei.

In die Beratung kommen sowohl Studienanfänger, als auch Leute, die bereits einige Semester hinter sich haben. Alle Fächer sind vertreten: von Naturwissenschaften, Sozial- und Geisteswissenschaften bis zu Medizin und Jura. Manche haben sich bereits entschlossen das Studium abzubrechen, andere sind noch unsicher. Meist reicht eine Beratungsstunde.

Der Wunsch nach mehr Praxis

Jeder Fall ist individuell. Die Gründe wie auch die Motivation für oder gegen ein Studium unterscheiden sich. „Aber wir können allen Perspektiven bieten“, sagt Zechner. „Wir hören zu und bewerten die Studierenden nicht.“ Sie sieht ihre Aufgabe darin, den Zweiflern Mut zu machen – und mit dem Tabu Studienabbruch zu brechen.

Die Studienberaterinnen machen den Studierenden klar, dass sie nicht die ersten sind, die die Universität vorzeitig verlassen, um zum Beispiel eine Ausbildung zu machen. Tatsächlich kommt es häufiger vor, dass nicht etwa der Wechsel an eine andere Hochschule ansteht, sondern der Wunsch nach mehr Praxis erfüllt werden will. Oftmals orientieren sich die nächsten beruflichen Schritte dann ohnehin an den bisherigen Studienfächern: Juristen satteln zum Beispiel auf Notarfachangestellte um, Wirtschaftswissenschaftler denken über eine Ausbildung im Unternehmen nach. Aber es gibt auch diejenigen, die noch gar nicht wissen, was sie nach dem Studienausstieg machen wollen.

„Wenn es keine konkreten Alternativen gibt, fällt die Entscheidung besonders schwer“, sagt Hedda Zechner. Sie erarbeitet dann gemeinsam mit den Studierenden deren Stärken und Schwächen, Interessen und Wünsche. „Wir helfen dabei, die Gedanken zu ordnen.“ Denn genau diese Klarheit fehlt häufig, wenn eine Neuorientierung bevorsteht. „Ein Studienabbruch bedeutet nicht, im Leben komplett versagt zu haben“, sagt Zechner –und: „Ein Studium ist nicht immer der einzige Weg zur Erreichung der individuellen Ziele.“

„Bin ich hier richtig?“

Das sieht auch Sabina Bieber so, Dezernentin für Studienangelegenheiten an der Universität Potsdam. Insbesondere, wenn gleich zu Beginn des Studiums klar wird, dass der Weg an die Universität nicht der passende war. „Bin ich hier richtig oder soll ich mich lieber umentscheiden? Am Studienanfang sind solche Fragen keine Seltenheit“, sagt Bieber.

Bevor sie das Amt der Dezernentin übernahm, war Bieber 20 Jahre lang Studienberaterin. Zweifel am gewählten Fach, Überlegungen, die Uni zu verlassen und etwas ganz anderes zu machen – all das hat es aus ihrer Sicht schon immer gegeben. Doch heute stünden Studierende auch vor anderen Fragen, meint Bieber. Das liege vor allem an der Studienreform: Für einen Bachelor braucht man in der Regel nur sechs Semester. Viele ziehen diese verhältnismäßig kurze Zeit einfach durch, auch wenn sie von Fach und Hochschule nicht wirklich überzeugt sind. Danach stellt sich die Frage, ob sie noch einen Master anschließen oder die Uni verlassen wollen. „Die Entscheidung ist ein Prozess. Für den sollten sich die Studierenden Zeit nehmen und am Ende hinter ihrem Entschluss stehen“, sagt Bieber. „Wir begleiten sie auf ihrem Weg, aber wir nehmen ihnen die Entscheidung nicht ab.“ Dazu gehört zunächst herauszufinden, woher die Unzufriedenheit mit dem Studium überhaupt kommt. Liegt es am Fach, an den Dozenten, an Lernstress und Leistungsdruck?

Über ihre berufliche Zukunft müssen sich die meisten Studienabbrecher in Zeiten des Fachkräftemangels ohnehin kaum Sorgen machen. In vielen Unternehmen wird gerade ihre Bewerbung gern gesehen – vor allem, wenn sie darin den Wunsch äußern, aus der theoretischen Lehre in die Praxis zu wechseln. Schließlich bringen sie nicht nur erstes Fachwissen mit, sondern haben an den Hochschulen bereits gezeigt, dass sie selbstständig lernen können – und den Mut bewiesen, neue Wege einzuschlagen.

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