Von Robo-Advisor bis Smartphone-Bank: Diese Start-ups waren Vorbild für „Bad Banks“
Sie arbeiten die Nächte durch, dafür gibt es Yoga im Büro: So wird in „Bad Banks“ die Fintech-Szene dargestellt. Ein Realitätscheck.
Der Frust der Banker ist groß. „Let's face it, Investmentbanking ist tot“, sagt Adam, einer der Protagonisten in der zweiten Staffel von „Bad Banks“. „Wir stehen auf einem sinkenden Schiff.“ Glaubt man den Machern der Serie über die Finanzwelt, dann war Frankfurt am Main gestern. Wer das Bankgeschäft von morgen bestimmen will, der muss nach Berlin. Zu den Fintechs, den Start-ups aus dem Finanzbereich. Oder wie es Adam ausdrückt: „In Berlin bauen sie den geilen Inkubator auf und wir warten hier auf den Untergang.“
Aus der Luft gegriffen ist das nicht. Knapp 300 Start-ups aus dem Finanzbereich gibt es in Berlin inzwischen – mehr als in Frankfurt am Main, Hamburg und München zusammen. Wie die Bank in der Serie haben das auch in der Realität die Investoren erkannt. Seit 2012 haben Wagniskapitalgeber fast fünf Milliarden Euro in Berliner Fintechs investiert.
Wohl auch deshalb haben sich die Macher der Serie von der Hauptstadt inspirieren lassen. Drehbuchautor Oliver Kienle war zu Recherchezwecken zum Beispiel bei dem Berliner Fintech-Inkubator Finleap zu Besuch. Allein unter seinem Dach sind in den vergangenen sechs Jahren 17 Finanz-Start-ups entstanden – vom Kontowechselservice bis zur eigenen Bank für Start-ups. Wer Finleap besucht, entdeckt einige Details, die es in die Serie geschafft haben.
Da steht in der Küche das kostenlose Müsli bereit, es gibt Yoga in der Mittagspause, Kicker und Tischtennis und auf dem Dach wachsen im Sommer Kräuter und Gemüse. Auch in der Serie machen die Gründer Sport im Büro und bedienen sich an der Snacktheke. „Das ist etwas klischeehaft, aber es entspricht der Realität“, sagt Finleap-Sprecherin Ina Froehner.
Zwei Unterschiede gibt es allerdings. Finleap ist aus der Gründerszene heraus entstanden, dahinter steht also anders als in der Serie keine Bank. Und: Bei „Bad Banks“ sitzt der Inkubator in einem futurischen Bau, den man in Berlin vergeblich sucht. Aufgenommen worden sind die Außenszenen in Luxemburg, wo der Kubus zur Universität gehört und als Veranstaltungsraum für Konzerte genutzt wird. Der Hauptsitz von Finleap wirkt dagegen fast unspektakulär – dabei ist seine Geschichte bezeichnend: In dem klobigen Fünfziger- Jahre-Hochhaus an der Hardenbergstraße hatte lange Zeit die Berliner Bank ihren Hauptsitz. Als sie unterging, zogen die Gründer ein.
"In Zukunft geht keiner mehr auf die Bank"
Denn wie in der Serie steckt auch in der Realität die Bankenwelt im Umbruch. Später als andere Branchen haben die Geldhäuser auf die Digitalisierung reagiert. Dabei nutzen schon heute die meisten Kunden für ihre Bankgeschäfte das Smartphone, in die Filiale kommen sie nur noch selten. „In Zukunft geht keiner mehr auf die Bank, um sein Konto zu eröffnen“, sagt bei „Bad Banks“ der frühere Chef der Investmentabteilung, der nach einem Abstecher ins Gefängnis ein Startup übernimmt. Bankfilialen hält er für „fucking old school“ – „jeder hat sein Konto auf seinem Handy“.
Auch deshalb schwenken in der Serie wie im echten Leben einige Banker um. Bei „Bad Banks“ ist der Gründer des Start-ups Greenwallet ein früherer Investmentbanker, der die Seiten gewechselt hat. Karriere hat er zuvor bei Goldman Sachs gemacht – so wie in der Realität Erik Podzuweit. Bevor er das Fintech Scalable Capital aufgebaut hat, hat auch er bei Goldman Sachs gearbeitet: erst zwei Jahre in London, dann fünf in Frankfurt, wo sein Chef Jörg Kukies hieß – heute Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Doch Podzuweit hat es statt in die Politik in die Gründerszene gezogen. „Ich habe gesehen, wie im Internet neue Geschäftsmodelle entstehen. Da wollte ich dabei sein“, sagt er. Nach einem Zwischenstopp bei Westwing, einem Onlinehändler für Möbel, gründete er 2014 mit Mitstreitern Scalable Capital.
Das ist – wie die Start-ups in der Serie – ein Roboadvisor. Legen Sparer ihr Geld bei ihm an, wird es vom Computer je nach Risikobereitschaft automatisch investiert. Oder wie es Gründer in der Serie erklären: „Wer sein Geld anlegen will, muss nicht mehr so einem Aasgeier von Banker trauen, der dich eh nur abzocken will, sondern einem Algorithmus.“
Anleger vertrauen dem Algorithmus statt dem Banker
Tatsächlich sind in den vergangenen Jahren in Deutschland mehrere solcher Roboadvisor entstanden. Rund 20 sind derzeit am Markt. Doch werden sie überleben? „Alle Roboadvisor haben dasselbe Problem“, sagt Hauptfigur Jana in „Bad Banks“. „Es gibt zu viele und sie sind quasi identisch.“ Ihre Prognose: Sie werden sich in den nächsten Jahren gegenseitig kannibalisieren. Scalable-Capital-Gründer Podzuweit hält das für eine treffende Analyse. „Von den 20 Roboadvisorn wird eine Hand voll überleben“, meint auch er. „Die, die es aber tun, haben eine echte Chance, den Markt zu verändern.“
Viel wird dabei davon abhängen, wer die meisten Kunden gewinnt und für sie die höchsten Summen anlegt. Dass die Roboadvisor sich dafür wie in der Serie mit einer Bank zusammentun, ist nicht abwegig. Schließlich bekommen sie auf diese Weise Zugang zu der Masse an Kunden. Scalable Capital zum Beispiel kooperiert mit der ING. Von den 2,2 Milliarden Euro, die das Start-up inzwischen für Anleger investiert hat, stammt eine Milliarde von Kunden der Direktbank. Der Unterschied zur Serie: „Das Unternehmen gehört zum großen Teil den Gründern und Mitarbeitern“, sagt Podzuweit. „Wir lassen uns nicht von einer Bank kaufen.“
Auch das Hamburger Start-up Tomorrow ist weiterhin im Besitz der Gründer und soll es bleiben. Es setzt – wie das Vorzeige-Fintech in der Serie – auf nachhaltige Finanzen. Die Macher haben ein „grünes“ Konto fürs Smartphone entwickelt. Die Spareinlagen ihrer Kunden investieren sie über einen Green Bond zum Beispiel in Windenergie und energieeffiziente Gebäude. „Wir wollen nachhaltige Finanzen massentauglich und zeitgemäß machen“, sagt Co-Gründer Jakob Berndt.
Er und seine Mitstreiter profitieren aktuell von den Klimaprotesten. Selbst Larry Fink, der Chef der weltgrößten Vermögensverwaltung Blackrock, hat angekündigt, künftig einen stärkeren Fokus auf nachhaltige Geldanlage legen zu wollen. In der Serie sagt Jana: „Das Thema Nachhaltigkeit funktioniert in der Lebensmittelindustrie, es funktioniert bei Stromanbietern und es wird auch in der Finanzbranche funktionieren.“
Das Büro in der Serie: schwarze Wände und Technomusik
„Bad Banks“ hat Tomorrow-Gründer Berndt mit seinen Kollegen bereits angeschaut und durchaus Gemeinsamkeiten entdeckt. Auch Tomorrow hat seinen Sitz zum Beispiel in einem Hinterhof – allerdings auf Sankt Pauli statt in Kreuzberg wie in der Serie. Außerdem sehe ihr Büro normaler aus. „Wir haben keine schwarzgestrichenen Wände und bei uns läuft auch nicht den ganzen Tag Technomusik“, sagt Berndt.
Auch in anderen Punkten haben die Serienmacher seiner Meinung nach überzogen. In „Bad Banks“ geht zum Beispiel nichts ohne den „Lead Engineer“, den obersten Programmierer. Berndt hingegen sagt: „Bei uns teilen sich 15 Mitarbeiter die Verantwortung.“ Auch dass ein Fintech von heute auf morgen seinen Dienst weltweit anbietet, sei unrealistisch. Dafür seien die regulatorischen Vorgaben viel zu streng, auch funktioniert der Bankenmarkt im Ausland schlicht anders als in Deutschland.
Erlebt hat das auch die Berliner Smartphone-Bank N26. Von ihr dürften sich die Macher der Serie den Namen für das zweite Start-up abgeschaut haben: Fin21. Das Original N26 ist zwar mittlerweile in 26 Ländern aktiv. Die Expansion aber hat sich hingezogen. Den Start in den USA etwa mussten die Gründer gleich mehrfach verschieben, weil sie für den amerikanischen Markt keine eigene Banklizenz haben und deshalb auf einen Kooperationspartner angewiesen waren. Auch soll es den Berlinern schwer gefallen sein, in den USA Personal zu finden.
Start-ups wie Banken buhlen um Entwickler
Unter dem Mangel – vor allem an Entwicklern – leiden alle Gründer. Auch das wird in „Bad Banks“ thematisiert. Aus der Not heraus heuert das Start-up in der Serie deshalb in der Ukraine eine Horde Entwickler an und vertraut ihnen ohne Prüfung ihre sensiblen Daten an. Scalable- Capital-Gründer Podzuweit sagt: „Das ist gerade im Finanzbereich undenkbar.“ Außerdem sei es selbst in Osteuropa nicht mehr leicht, Entwickler zu finden. „Auch dort ist der Markt leergefegt“, sagt er. Für seinen Roboadvisor rekrutiert Podzuweit deshalb inzwischen verstärkt Entwickler in Südamerika: in Brasilien, Argentinien und Kolumbien.
Auch das ist ein Grund, warum Banken die Nähe zu Fintechs suchen. „Junge Unternehmen ziehen sehr gute Tech-Talente an, die die Institutionen so gar nicht ansprechen können“, sagt Finleap-Chef Ramin Niroumand.
Deshalb haben Banken wie in der Serie längst Programme aufgelegt, über die sie die Nähe zu Fintechs suchen. Die Commerzbank hat zum Beispiel 2013 den sogenannten Mainincubator gegründet und ist darüber aktuell an 17 Start-ups beteiligt. Die Deutsche Bank wiederum betreibt fünf Innovation Labs in Berlin, London, New York, Palo Alto und Singapur, deren Mitarbeiter den Kontakt zu Gründern halten, um ihre Technologien bei Bedarf im Konzern einzusetzen.
So hat ein US-Start-up der Bank zum Beispiel geholfen, mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz in der Vermögensverwaltung Daten automatisch zu aktualisieren – eine Arbeit, die zuvor händisch erledigt werden musste. Die Bank rechnet vor, dass sie allein über die Labore in den letzten fünf Jahren auf die ein oder andere Weise Kontakt zu 3600 Start-ups hatte.
Auch bei „Bad Banks“ haben die Banker erkannt, dass es ohne die Fintechs nicht geht. Das wird schon in der ersten Folge klar, als der Vorstandschef den wabenartigen Inkubator besucht, in dem die Gründer arbeiten. „Beeindruckend“, sagt er. „Ob es uns gefällt oder nicht, das ist die Zukunft des Bankings.“
„Bad Banks“, Staffel 2, sechs Folgen, ZDF, ab Samstag, 21 Uhr 45. Bereits jetzt komplett verfügbar in der ZDF- und Arte-Mediathek.