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Paula Beer spielt häufig Figuren, die sehr beherrscht wirken. So wie Jana Liekam in der TV-Serie „Bad Banks“, deren zweite Staffel jetzt auch im TV zu sehen ist. Doch genau wie die Bankerin kann auch Paula Beer ausflippen, wenn etwas nicht klappt.
© ZDF und Fabrizio Maltese

„Bad Banks“-Star Paula Beer im Porträt: Lampenfieber? Ein Erwachsenending

Von der Kinderdarstellerin im Friedrichstadtpalast zum Gesicht von „Bad Banks“. Warum Schauspielerin Paula Beer Präzision so wichtig ist. Ein Porträt.

Nach zwanzig Minuten explodiert sie. Die kühle Bankerin Jana Liekam, die kurz vorher im Gespräch mit ihrer Gegenspielerin noch so souverän wirkte – bis Christelle Leblanc (Desiree Nosbusch) ihr Beweise vorlegt, die Jana in den Abgrund stürzen könnten. Inmitten abweisender Hochhausfassaden des Frankfurter Finanzdistrikts flippt Jana aus, schmeißt ihre lederne Aktentasche auf den Boden, schreit „Scheiße!!! Fuck!!“, und verliert ihren Schuh.

Bei diesem Ausflippen, das die Dramatik der zweiten Staffel von „Bad Banks“ vorwegnimmt, ist man ganz bei der Hauptdarstellerin Paula Beer: Lange hat diese sich zurückgenommen, hat das Gesicht trotz bewegender Handlung unbewegt gezeigt, nur durch ein leichtes Vibrieren der Nasenflügel das Überkochen ihres Charakters angedeutet. Jetzt darf und soll sie endlich rauslassen, was die Figur empfindet.

Beer, die am 1. Februar 25 Jahre alt geworden ist, sitzt schmal und entspannt in einem leeren Büro im ZDF-Gebäude in Berlin-Mitte, wo sie sich anlässlich der Staffelpremiere mit Journalisten unterhält. Sie trägt Hose und Bluse, das feine Gesicht mit der dünnen Haut, durch die Gefühle auf der Leinwand deutlich zu sehen sind, ist hellwach. Sie versucht, ihre Rolle zu erklären. „Ich denke“, sinniert sie über ihren Bankerinnencharakter, „viel in Janas Verhalten entsteht durch Einsamkeit oder emotionale Vernachlässigung“.

Schauspiel als Handwerk

Beer ist eine genaue Schauspielerin, eine, die ihre Figuren präzise analysiert. „Schauspiel ist ein Handwerk, es gibt Techniken, um sich Sachen zu nähern“, sagt sie, und erklärt, dass die größte Aufgabe darin bestehe, zu verstehen, wie man selbst funktioniert. Und wie sie sich sämtliche Zutaten, Eigenschaften, Marotten aus der Realität ihrer Figur zusammenbaut.

Gelernt hat die gebürtige Mainzerin, die mit zwölf nach Berlin zog (und an einem Gymnasium im Prenzlauer Berg in einer Schnellläuferklasse nach der elften ihr Abitur machte), ihr Handwerk spielerisch: Im Friedrichstadtpalast war sie Kinderdarstellerin, turnte im Stück „Kinder der Bounty“ als Taschendiebin „Charly“ auf einem großen Schiff herum, das auf der Bühne stand. „Es kam uns gar nicht wie Arbeit vor“, sagt sie, Lampenfieber habe es darum nicht gegeben: Vielleicht „ist das ein Erwachsenending“.

Nach ihren positiven Erfahrungen mit dem Gewerk wurde sie mit 14 Jahren von Chris Kraus für seinen Film „Poll“ besetzt, einem Drama, das kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs an der Küste Estlands spielt. „Durch Chris Kraus habe ich Film kennengelernt“, sagt Beer, und erzählt von der Genauigkeit, die sie von ihm mitgenommen hat, vom Bestreben, auch nach 20 Takes „dranzubleiben“. Sie sei ernst, sagt sie über sich selbst, jedenfalls wenn es um die Arbeit geht. Zuweilen gar perfektionistisch. Ist das eine gute oder schlechte Eigenschaft? Beer überlegt. Es könne beides sein, sagt sie. Ihre Eltern, zwei bildende Künstler, hätten sie stets in ihren Ambitionen unterstützt, eine Weile auch finanziell – und Beer scheint die Investitionen durch Fleiß zurückzugeben.

Viele Figuren, die Beer spielte, haben etwas Beherrschtes, Erwachsenes, trotz ihrer Jugend zuweilen Altertümliches: In Francois Ozons Drama „Frantz“ ist sie die Verlobte eines im ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten, die mit ihrer Zuneigung zu dessen Mörder kämpft. Im 2014 entstandenen, bildgewaltigen Alpendrama „Das finstere Tal“ spielt sie eine unter dem Angstregime eines brutalen Dorfvorstehers im 19. Jahrhundert leidende junge Ehefrau. Und in „Transit“, Christian Petzolds Adaption eines Romans von Anna Seghers, ist ihre Figur „Marie“ zweifellos das „Love Interest“ fast sämtlicher männlicher Charaktere, aber schafft es, darüber hinaus die innere Spannung sichtbar zu machen. Hat sie, deren Ebenmäßigkeit auch als Projektionsfläche funktionieren könnte, Angst vor dem Älterwerden, Angst, als ältere Schauspielerin weniger oder schlechtere Rollen zu bekommen? Nein, sagt sie, und lässt sich ein wenig zum Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Kollegen aus. „Manchmal ärgert mich, dass überhaupt noch so viel über Feminismus geredet werden muss“, gibt sie zu, „und dass Systeme so unflexibel sind.“

Mit einer Portion Selbstzweifel

Im Moment läuft es gut mit den Rollenangeboten. „Vor jedem Dreh denke ich: Ich kann das gar nicht, ich weiß nicht, wieso die mich angefragt haben“, sagt Beer und offenbart damit eine Portion Selbstzweifel.

Das wuselige, zuweilen bemüht glamouröse Drumherum des Berufs mit den Gerüchten, dem Lächeln, den Roter-Teppich-Roben scheint sie eher kaltzulassen – Beer wirkt wie eine Realistin, die nichts über den Zaun bricht: „Zu viel Ehrgeiz verkrampft“, sagt sie. Sie liebt es, erzählt sie, wenn das Leben auf der Straße stattfindet, man vor Cafés in der Sonne herumsitzt, redet, sich erholt. Sie kennt das aus Paris, wo sie eine Weile wohnte, und „abseits der Stoßzeiten in die Orangerie gehen“ konnte, um dort die Seerosen von Monet anzugucken: „Das hat eine wahnsinnige Kraft!“.

Ob sie das künstlerische Talent der Eltern geerbt habe? Beer denkt nach, und erzählt, dass sie gern zeichnet, aber ausflippt, wenn etwas nicht klappt. Vielleicht nicht ganz so verzweifelt wie Jana Liekam in „Bad Banks“. Doch bestimmt ebenso überzeugend.

„Bad Banks“, Staffel 2, sechs Folgen, Arte, ab Donnerstag, 20 Uhr 15 sowie ZDF, ab Samstag, 21 Uhr 45. Bereits jetzt komplett verfügbar in der ZDF- und Arte-Mediathek

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