Eine Million Dollar oder mehr: Die Zahl der Reichen in Berlin steigt
In bester Gesellschaft: Die Zahl der Reichen in Berlin steigt. 2017 soll es bereits 20 000 Millionäre in der Stadt geben. Manche dürften Gründer sein.
Es war auf einem Klassentreffen. Jean-Remy von Matt stand mit seinen Mitschülern von früher zusammen. Stolz zeigten sie ihm Fotos von ihren Häusern, ihren Autos, ihren Familien. Von Matt setzte das unter Druck. Denn auf den Bildern sah er vor allem eines: ein Leben, das er nicht hatte. Dieses Klassentreffen, so erzählte es der Werbetexter mal in einem Interview, brachte ihn auf die Idee für den Slogan „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“. Heute ist von Matt einer der bekanntesten Werbetexter Deutschlands, Sozialneid dürfte ihn nicht mehr plagen. Dennoch zeigt die Anekdote, wie groß hierzulande das Streben nach Reichtum ist.
In Deutschland gibt es derzeit 1,1 Millionen Menschen, die über ein Vermögen von mehr als einer Million Dollar verfügen. Sie machen nur einen extrem kleinen Teil an der Gesamtbevölkerung aus – doch der wächst. Allein im vergangenen Jahr sind 115 000 Deutsche in die Gruppe der Dollar-Millionäre aufgestiegen, zeigt eine Untersuchung der Beratungsfirma Capgemini.
Die meisten Reichen leben in Frankfurt
Besonders hoch ist die Millionärsdichte in Frankfurt, München und Düsseldorf. Aber auch in Berlin steigt die Zahl der Reichen. Derzeit gibt es in der Hauptstadt zwischen 12 000 und 13 000 Dollar-Millionäre, schätzt die Weberbank. Vorstandschef Klaus Siegers vermutet, dass die Zahl in den nächsten drei Jahren auf 20 000 steigen dürfte.
Wer von den reichen Berlinern spricht, meint meist die alteingesessenen, wohlhabenden Familien mit Sitz in Dahlem, im Grunewald oder am Wannsee. Banker sprechen vom „alten West-BerlinerGeld“. „Einen Großteil der Vermögen haben Unternehmerfamilien erarbeitet, als Berlin noch ein Industriestandort war“, sagt Klaus Kramer, der bei der Berliner Sparkasse für das Geschäft mit den vermögenden Kunden verantwortlich ist. „Bei diesen Vermögen sind die Ursprungsquellen aber oftmals versiegt.“ Denn ein Großteil der Konzerne und große Mittelständler, die einst ihren Sitz in Berlin hatten, haben die Stadt bereits vor Jahrzehnten verlassen.
Storck: Mit Süßigkeiten zum Milliardär
So kommt es auch, dass auf der Liste der 500 reichsten Deutschen, die das Wirtschaftsmagazin Bilanz kürzlich veröffentlicht hat, nur elf Berliner stehen. Unter ihnen ist zum Beispiel Axel Oberwelland, der den Süßwarenkonzern Storck (Werther's Original, Toffifee, Knoppers) leitet, die Familie Dussmann, bekannt durch das Dienstleistungsunternehmen Dussmann, sowie die Brüder Axel und Eric Schweitzer, die den Entsorgungskonzern Alba führen. Sie alle eint, dass sie ihr Geld mit Familienbetrieben verdient haben.
Gleichzeitig entsteht in der Hauptstadt derzeit aber auch „neues Geld“. Es kommt vor allem aus der Start-up Szene. „Zwar werden die wenigsten Gründer Millionäre“, sagt Weberbank-Chef Siegers. Doch wer den Durchbruch schafft, kann ausgesorgt haben. So gelingt es mittlerweile durchaus einigen Start-ups zum Beispiel aus der Biotechnologie-Branche, ihre Firma mit Gewinn zu verkaufen. „Hier entstehen mit der Zeit neue Vermögen in Millionen-Größenordnung“, glaubt Banker Kramer.
Auf Platz zwei rangiert ein Gründer-Trio
Vorreiter der Branche sind die SamwerBrüder, die mit ihrer Start-up-Schmiede Rocket Internet gerade an die Börse streben. Auf der Liste der reichsten Berliner rangieren sie bereits auf Platz zwei. Ihr Privatvermögen liegt laut Bilanz bei drei Milliarden Euro.
Die Erfolgsgeschichte der drei Brüder begann 1999. Damals gründeten sie das Internet-Auktionshaus Alando und verkauften es bereits vier Monate später an den Konkurrenten Ebay. Auch ihre nächste Firma, den Klingeltonanbieter Jamba, stießen sie mit Erfolg ab. Seit 2008 gründen die Samwers unter der Holding Rocket Internet Start-ups in Serie. Rocket Internet wollen die drei noch in diesem Jahr an die Börse bringen und so 750 Millionen Euro bei Anlegern einsammeln.
Die reichste Frau Berlins
Derzeit gibt es in Berlin nur eine Person, die noch reicher ist als die SamwerBrüder: Friede Springer. Die Witwe von Axel Springer soll über ein Vermögen von 3,7 Milliarden Euro verfügen. Als Kindermädchen kam sie einst ins Haus des Verlegers, den sie zwei Jahre später heiratete. Nach dessen Tod kämpfte Friede Springer um sein Erbe und kaufte über Jahre die Mehrheit am Springer-Konzern zurück, die ihr Mann einst abgegeben hatte. Macht und Geld sollen Friede Springer wenig bedeuten. Über ihr Vermögen redet sie nur ungern und äußert sich selten.
Überhaupt ist der Club der Reichen eine verschwiegene Gesellschaft. Je mehr Geld man hat, desto mehr Gründe gibt es, darüber nicht zu sprechen. Auf der einen Seite ist da die Angst vor Entführungen oder Überfällen. Auf der anderen ist da aber auch die Furcht, von Normalverdienern missverstanden zu werden. Deutsche hätten eine ganz andere Einstellung zu Vermögen als etwa Amerikaner, sagt Weberbank-Chef Siegers. In den USA geht man offen damit um, wie viel man verdient – und ist stolz darauf. „In Deutschland gibt es dagegen bisweilen Neidgefühle“, sagt Siegers.
Ein Vermögen mit Immobilien
Dabei spenden immer mehr Millionäre Teile ihres Vermögens. Viele gründen bereits zu Lebzeiten Stiftungen, um mit ihrem Geld Gutes zu tun. „Berlin ist auf einem sehr guten Weg, zur Stiftungshauptstadt zu werden“, sagt Anke Sahlén, Sprecherin der Geschäftsleitung der Deutschen Bank Berlin.
Wenn die Millionäre der Stadt ihr Geld nicht geerbt oder ein Start-up mit Erfolg verkauft haben, haben sie ihr Vermögen meist mit Immobilien gemacht. Wie zum Beispiel die Unternehmerfamilie Pepper. In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg hat Firmengründer Karl Heinz Pepper als Investor und Bauherr mehrere Büro- und Geschäftsgebäude gebaut – darunter zum Beispiel das „Kaufzentrum Siemensstadt”, Berlins erstes Einkaufszentrum. Bekannt wurde Pepper vor allem durch den Bau des Europa-Center am Breitscheidplatz. Sein Sohn Christian Pepper zählt heute mit einem Vermögen von 350 Millionen Euro zu den reichsten Berlinern.
Berlin zieht Reiche an
Weberbank-Chef Siegers hat noch einen weiteren Grund ausgemacht, warum die Zahl der Reichen in Berlin weiter steigen dürfte: „Es ziehen verstärkt Unternehmer in die Stadt, die ihre Firma bereits an die nächste Generation übergeben haben“, sagt er. „Viele werden von dem breiten Kunst- und Kulturangebot angelockt.“ Ließen sie sich früher verstärkt zum Beispiel in Starnberg nieder, gewinnt nun Berlin als Altersruhesitz für Vermögende an Bedeutung.
Carla Neuhaus