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Ramona Pop ist seit Dezember 2016 Bürgermeisterin und Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe
© Thilo Rückeis

Interview mit Ramona Pop: Die Neue an der Spitze

Sie ist Berlins erste grüne Wirtschaftssenatorin: Ein Gespräch mit Ramona Pop über Frauenquote, Chancen der Digitalisierung und 24-Stunden-Kitas

Frau Pop, Sie sind die dritte Frau in Folge, die das Wirtschaftsressort leitet. Können Frauen Wirtschaft einfach besser?

(Lacht.) Es spiegelt jedenfalls einen Trend in der Berliner Wirtschaft wider. Die großen landeseigenen Unternehmen sind inzwischen fast alle fest in Frauenhand: von der BVG über die BSR bis zu Vivantes. Darauf sind wir sehr stolz. Auch in der Energiebranche tut sich etwas – mit Vera Gäde-Butzlaff bei der GASAG oder mit mir jetzt im Energieressort. Die Aufsichtsräte unserer öffentlichen Unternehmen sind zudem fast alle paritätisch besetzt. Nichtsdestotrotz gibt es noch viel zu tun.

Die dritte Wirtschaftssenatorin hintereinander, aber die erste von den Grünen: Das gefällt womöglich nicht allen Unternehmern. Rechnen Sie mit Gegenwind?

Bislang habe ich eine sehr freundliche Aufnahme erfahren. Die meisten kennen mich ja bereits. Ich habe als Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus immer den Kontakt zur Wirtschaft gesucht. Unsere Ziele sind klar: Wir müssen Klimaschutz und Wirtschaftsdynamik zusammenbringen. Über die Wege dahin verhandele ich offen und intensiv mit allen Akteuren. Und sehr viele Unternehmen haben ja auch schon erkannt, dass sie mit grünen Ideen sehr gut schwarze Zahlen schreiben. Die Unternehmen sind da meist schon sehr viel weiter, als manche denken. Wir müssen uns Zukunftsthemen wie der Digitalisierung zuwenden.

Wie kann die Politik diesen Prozess vorantreiben oder die Wirtschaft dabei unterstützen?

Dazu gehören vor allem Planungssicherheit und gute Infrastruktur. So werden wir beispielsweise die Versorgung mit Breitband verbessern. Wir wollen gerade kleinere und mittlere Unternehmen, die vielleicht bislang nicht die Mittel haben, dabei unterstützen, die nötigen Investitionen zu tätigen. Es wird in den nächsten Jahren eine ganz große Aufgabe sein, die klassischen Unternehmen mit den jungen digitalen Firmen zusammenzubringen.

Eine These besagt, die Digitalisierung sei weiblich. Werden Frauen von ihr profitieren?

Die stärkere Flexibilisierung durch die Digitalisierung ist – wie immer – Segen und Fluch zugleich. Natürlich gibt es dadurch Möglichkeiten, flexibler zu arbeiten und auch Unternehmen zu gründen. Aber was nach flexibler Arbeit aussieht, darf nicht in Selbstausbeutung enden. Der allergrößte Anteil der Teilzeit-Arbeit wird immer noch von Frauen erbracht, und wir wissen, welche Folgen das auch für die Absicherung im Alter hat. Da muss Politik handeln. Man kann daraus natürlich auch Vorteile ziehen, etwa in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – das gilt aber nicht nur für Frauen! Es geht darum, Familie und Beruf für Männer wie für Frauen möglich zu machen und dafür die entsprechenden Arbeitsmodelle zu finden.

Was können Sie Eltern anbieten, die zwischen Kind und Karriere in der »Rushhour des Lebens« stecken?

Da ist die ganze Politik gefragt, nicht nur die Wirtschaftssenatorin. Wir müssen die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder so verbessern, quantitativ wie qualitativ, dass Eltern guten Gewissens arbeiten gehen können, weil sie wissen, dass die Kinder gut versorgt sind. Männer in Führungspositionen müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Elternzeit ist keine Frauensache. Der Kulturwandel muss gelebte Realität werden und nicht nur Theorie bleiben. Das ist auch im öffentlichen Dienst ein Riesen­thema. Wie schaffen wir es beispielsweise in den schwierigen Schichtdienstberufen wie bei Polizei oder Feuerwehr, trotzdem die Vereinbarkeit hinzubekommen?

Wie könnte man Schichtarbeitern denn helfen? Durch 24-Stunden-Kitas?

Die Frage ist tatsächlich: Was mache ich über die normalen Öffnungszeiten hinaus? Gibt es zum Beispiel eine Möglichkeit, über eine ergänzende Tagespflege auch die Randzeiten abzudecken, Kinder abzuholen und zur Kita zu bringen? Manche diskutieren Modelle von 24-Stunden-Kitas. Da sind wir etwas zurückhaltender, weil das doch sehr weit geht. Aber Sie sehen: Jetzt sprechen wir über Frauen in der Wirtschaft, und sind ganz schnell wieder bei der Kinderbetreuung gelandet. Bei Männern in der Wirtschaft ist das leider meistens kein Thema ...

Dann gehen wir noch mal einen Schritt zurück zur Digitalisierung. Die Start-up-Szene ist stark männerdominiert, Frauen gründen seltener. Woran liegt das?

Man kann nur spekulieren, ob es an der Technologielastigkeit von Gründungen liegt, weil Frauen schon in den höheren Sphären der Wissenschaft nicht so repräsentiert sind. Aber es gibt da auch Faktoren, die schwer zu erfassen sind. Bekommen Frauen ebenso leicht Kredite wie männliche Gründer? Wir müssen da an vielen Schrauben drehen.

Und wie kann das konkret aussehen?

Zum einen über die Stärkung von Netzwerken: Es gibt die Women in Digital – eine junge Frauentruppe, die sich aufgemacht hat, Frauen in der Digitalwirtschaft sichtbarer zu machen, sie zu unterstützen und mit gutem Vorbild voranzugehen. Zum anderen müssen wir wieder mehr Angebote für Frauen schaffen: Da gab es in den vergangenen Jahren zu wenig. Wir haben aus der Opposition heraus das Unternehmerinnen-Centrum Wilmersdorf, das UCW, gerettet – kurz vor der Schließung. Das sind ganz wichtige Anlaufstellen für Frauen, die sich selbstständig machen wollen und Unternehmerinnen sind. Auch den Berliner Unternehmerinnentag und generell Netzwerke will ich stärken.

Sie stehen jetzt an der Spitze der Berliner Politik. War es schwierig, als Frau dorthin zu kommen?

Das ist ein Thema, das mich schon lange beschäftigt. Ich habe mit Frauenpolitik angefangen, Politik zu machen. Das war Ende der 1990er Jahre bei den Grünen, die eine der wenigen Parteien waren mit Frauen in Führungspositionen. Die Grünen hatten schon immer die Frauenquote. Aber auch hier gilt: Die Quote ist ein Türöffner, deswegen ist sie wichtig. Männer teilen Macht nach wie vor nicht so gerne. Die Quote ist aber nicht das Ziel, sondern ein Instrument.

Der neue Senat hat ein "Jahrzehnt der Investitionen" angekündigt. Das klingt erst mal schön.

Wir haben Jahrzehnte des Stillstands hinter uns, in denen gerade bei der Infrastruktur gespart worden ist. Fehlende Investitionen sind auch eine Form von Verschuldung. Irgendwann muss man die Investitionen nämlich nachholen. In Berlin trifft das viele Bereiche: Krankenhäuser, Schulen, Kitas, Rathäuser und die Polizeiwachen sind in einem Zustand, dass man da nicht gerne hingeht. Wir werden das mit einer höheren Investitionsquote angehen, aber auch, indem wir Geld jenseits des Haushalts mobilisieren - um möglichst viele Investitionen parallel tätigen zu können. In den nächsten zehn Jahren muss viel passieren, auch um den Anforderungen der wachsenden Stadt Rechnung zu tragen.

Welche Rolle soll das Stadtwerk künftig spielen?

Unser Stadtwerk soll erneuerbare Energien selber produzieren und auch vertreiben. Wir wollen das Stadtwerk entfesseln, um es zu einem kraftvollen Akteur für die Energiewende und den Klimaschutz zu machen. Daneben soll es auch Infrastrukturleistungen erbringen, also in einzelnen Modellquartieren die Energieversorgung organisieren oder die energetische Sanierung der öffentlichen Liegenschaften voranbringen.

Welche industriepolitischen Ziele haben Sie?

Berlin denkt nach einem wirklich dramatischen Abbau von Industriearbeitsplätzen zu Recht wieder über seine Industriepolitik nach. Natürlich liegen dabei die klassischen Themen auf dem Tisch: die Frage der Fachkräfte und die Frage der Ausbildung. Wir müssen aber auch neue Industrien und neue Technologien fördern. Dazu wollen wir Tegel zum Technologiepark entwickeln.

In Berlin gibt es bereits große Technologiestandorte. Wie wollen Sie die weiter voranbringen?

Bei den Zukunftsorten, von Adlershof bis Buch, mit ihren sehr unterschiedlichen Profilierungen, entwickelt sich unheimlich viel. In Buch stellen wir fest: Der Platz reicht nicht mehr aus. Dort soll mit Landeshilfe ein Zentrum für Gründerinnen und Gründer gebaut werden. Und wir wollen in die Gesellschaft Campus Buch einsteigen, um den Gesundheitsstandort auch durch den Bau von Wohnungen und eine bessere Anbindung weiterzuentwickeln.

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