Alternative Kryptowährungen: Die Jagd nach dem besseren Bitcoin
Der Boom der Kryptowährung elektrisiert die Welt. In Berlin entwickeln Start-ups Alternativen, die dem Digitalgeld den Rang ablaufen sollen.
Dominik Schiener ist ein Veteran im Geschäft mit Kryptowährungen. Seit sechs Jahren schon beschäftigt sich der Südtiroler mit Bitcoin & Co. – dabei ist er selbst gerade einmal 21. „Ich bin da reingeschlittert“, sagt Schiener. Angefangen hat es mit Computerspielen. Er war als damals 14-Jähriger mal die weltweite Nummer Eins beim populären Egoshooter „Call of Duty“. „Aber nur weil ich gehackt habe“, lacht Schiener. Doch durch die kleinen und größeren Betrügereien, mit denen er sich Vorteile in den Spielen verschaffte, begann der Einstieg in die Computerwelt. Er begann sein Wissen zu nutzen und anderen Spielern virtuelles Spielezubehör und andere Dinge zu verkaufen. Und die Gewinne investierte er ins Bitcoinbusiness, genauer gesagt arbeitete er quasi als Bitcoinbuchhalter.
Bitcoin basiert auf der Blockchain
Denn alle Transaktionen der Digitalwährung werden von Nutzern im Netzwerk verifiziert und dann in der sogenannten Blockchain gespeichert. Das ist eigentlich nur eine lange Kette aus Datenblöcken. Alle zehn Minuten kommt ein neuer Block hinzu, indem die letzten Transaktionen gespeichert werden. Um den Block zu erzeugen, sind jedoch komplexe Rechenoperationen nötig, die führen sogenannte Miner durch. Einer von ihnen war Schiener. Als Belohnung erhalten sie selbst Bitcoins, die beim Mining neu geschürft werden. „Ich habe da recht viel Geld verdient“, erinnert sich Schiener. Genug um 2013 in die Schweiz zu ziehen, ins berühmte „Krypto-Valley“ in Zug, wo wegen der günstigen Steuersätze und freundlichen Regulierungsbedingungen unzählige Macher von Digitalwährungen ihren formalen Sitz haben. Dort gründete Schiener sein erstes Start-up und wollte eine Handelsplattform für Kryptowährungen bauen. Stattdessen erlebte er, wie wechselhaft das Kryptogeschäft sein kann: Ein Jahr später gab es einen ersten Crash. „Da habe ich mein ganzes Geld verloren“, erinnert sich Schiener. Gut eine halbe Million Euro war so schnell wieder weg, wie sie gekommen war.
Der Bitcoin hatte seinen Wert in drei Monaten verfünffacht und war Ende 2013 auf den damals irrsinnig erscheinenden Kurs von mehr als 1000 Dollar gestiegen. Dann stürzte er jedoch wieder fast bis auf 200 Dollar. Und erst Anfang 2017 schaffte er wieder die 1000erMarke, mit der er neue noch viel extremere Höhenflug begann.
Bis auf 20 000 Dollar kletterte der Bitcoin, wurde zum Partygespräch und schaffte es in die „Tagesschau“. Vom jüngsten Boom profitiert auch Schiener. Allerdings hat er den Bitcoin schon längst hinter sich gelassen. Stattdessen zog er nach Berlin und begann mit dem Norweger David Sønstebø eine eigene Kryptowährung namens IOTA zu entwickeln.
Mit IOTA sollen sich Maschinen gegenseitig bezahlen
Sie soll „das Rückgrat einer autonomen Ökonomie der Maschinen” sein. „Wenn man das Potenzial des Internets der Dinge ausschöpfen möchte, muss man ermöglichen, dass sich Maschinen gegenseitig bezahlen“, sagt Schiener. Mit dieser Idee steht er nicht allein. Wenn in den nächsten Jahren autonome Fahrzeuge Passagiere befördern, dann sollten die auch allein für Treibstoff oder Parkplätze zahlen. „Wenn Fahrzeuge selbstständig fürs Laden oder Parken bezahlen braucht man sichere Technik“, sagt auch Johann Jungwirth, Chief Digital Officer bei Volkswagen. Genau deswegen hat er sich auch schon mit Schiener getroffen, dessen Lösung nennt der Automanager „hochspannend“. Noch steckt die Entwicklung in den Anfängen. Und doch haben auch andere große Konzerne Interesse. Die Deutsche Telekom, Microsoft, Innogy oder Volkswagen gehören zu den Unternehmen, die sich IOTA derzeit anschauen oder schon damit experimentieren. Auch Bosch gehört zu den Partnern, die Stuttgarter haben Ende Dezember gar „eine signifikante Menge“ an IOTA-Münzen gekauft und wollen nun gemeinsame Projekte entwickeln.
Auch der Kurs von IOTA ist im vergangenen Jahr rasant gestiegen: Von weniger als 20 Cent im Sommer auf teilweise mehr als fünf Dollar. Zeitweise gehörte IOTA damit zu den fünf wertvollsten Kryptowährungen der Welt. Zuletzt lag sie mit einer Marktkapitalisierung von über zehn Milliarden auf Platz Zehn.
Denn es gibt mittlerweile mehr als 1300 Kryptowährungen, die dem Bitcoin Konkurrenz machen. Einige der vielversprechendsten davon wie eben IOTA oder auch Ethereum werden maßgeblich in Berlin entwickelt. „Berlin ist die Kryptohauptstadt Europas, wenn nicht der Welt“, sagt Ethereum-Entwickler Fabian Vogelsteller. Den jüngsten Hype sieht er mit gemischten Gefühlen. Vogelsteller war auch über den enormen Anstieg überrascht und hätte schon viel früher einen Bitcoin-Crash erwartet. Prognosen wagen daher auch viele langjährige Kenner der Szene ungern. „Ich habe keine Ahnung, wo es hingeht“, sagt Vogelsteller. Von einem großen, lange dauernden Einbruch bis zu einer Vervielfachung in drei, vier Jahren scheint alles möglich. Doch die Kursentwicklung ist für viele Protagonisten auch zweitrangig. Entscheidender sei die Entwicklung der noch jungen Blockchain-Technologie, die noch ganz am Anfang stünde. Viele vergleichen die derzeitige Entwicklung mit dem Aufkommen des Internets. Bei Suchmaschinen und Netzwerken gab es auch erst Anbieter wie Lycos oder MySpace, bis sich Google und Facebook durchsetzten. „Bei den Kryptowährungen sind wir jetzt noch in der Lycos-und MySpace-Phase“, sagt Starinvestor Klaus Hommels, der selbst früh in Facebook oder Skype investierte.
Catena Capital investiert in Krypo-Start-ups
Und so suchen viele nach dem Google und Facebook der Kryptowelt. So auch Miriam Neubauer. Sie ist Managing Director von Catena Capital, einem neuen Berliner Fonds, der in Start-ups aus dem Bereich investiert. Die ersten beiden sind gerade in ein neues Büro auf einem Hinterhof in der Markgrafenstraße eingezogen. Hier drin ist es noch relativ kahl, die Tapeten wurden frisch in einer gemeinsamen Teambuilding-Maßnahme von den Wänden gekratzt. Nun pappen Dutzende neonbunte Post-its daran und formen das Wort Cryptotank – den Namen des frisch eröffneten Gemeinschaftsbüros. Zwei Start-ups sind hier schon eingezogen. „Cryptonator ist ein Netzwerk von Händlern“, sagt Neubauer. Gegen einen Mitgliedsbeitrag bietet es Analysen zur Kursentwicklung von Digitalwährungen und dem Potenzial von neuen Bitcoin-Konkurrenten, die über sogenannte Initial Coin Offerings ihre Kryptomünzen auf den Markt bringen. Ein weiteres Start-up heißt Herdius und arbeitet an einem Marktplatz für Digitalwährungen.
Denn auch wenn immer mehr Menschen ihr Erspartes in das neuartige Geld stecken wollen, ist das gar nicht so leicht. Auf der weltgrößten Börse, Coinbase, werden neben Bitcoin nur drei andere Währungen gehandelt. Um anderes Kryptogeld zu kaufen, öffnet Neubauer die Seite Etherdelta. Allerdings muss sie dafür erst ein paar Bitcoin an ihr dortiges Konto schicken. Die Adresse ist ein so langer Zahlen- und Buchstabencode, das eine Iban im Vergleich wie eine Hausnummer wirkt. Wenn die Transaktion durch ist, könnte sie beispielsweise noch ein paar Spank kaufen. Eine spezielle Kryptowährung für die Pornobranche, mit der Nutzer Darsteller direkt bezahlen können. „Die ganze Software und die Geldbörsen für Kryptowährungen sind nicht sehr nutzerfreundlich“, sagt auch Max Kordek. Genau das will der Gründer des Start-ups Lisk ändern. Entwickler sollen mit der Technologie künftig so einfach Blockchainanwendungen bauen können, wie derzeit Apps oder Internetseiten. Das ganze finanziert er natürlich auch mit einer eigenen Digitalwährung namens Lisk. Als die vor zwei Jahren ausgegeben wurde, hat das Start-up dafür 14 000 Bitcoins eingesammelt. Damals waren die immerhin schon knapp sechs Millionen Euro wert. Doch auch Kordek profitiert vom Kurssprung: „Unser Kapital ist jetzt auf 200 Millionen gewachsen.“ So ist die Zahl der Mitarbeiter von zwei auf 30 gestiegen, in diesem Jahr sollen es bis zu 60 werden. Denn wie so viele Krypto-Start-ups hat Lisk zwar große Pläne und viel virtuelles Kapital, aber technisch noch wenig zu bieten.
Ethereum ist die zweitwichtigste Kryptowährung
Eine große Ausnahme ist da Ethereum. Es ist die wichtigste Kryptowährung neben dem Bitcoin, kann jedoch weit mehr. „Bitcoin ist wie ein Taschenrechner, Ethereum dagegen ein Computer“, sagt Fabian Vogelsteller, der Ethereum maßgeblich mitentwickelt hat. Denn bei der Bitcoin-Blockchain werde letztlich nur subtrahiert und addiert, wie viel jemand hat. Ethereum dagegen kann komplexen Code ausführen. So können so- genannte smart contracts einprogrammiert werden, intelligente Verträge in denen automatisch Bezahlungen festgelegt und ausgeführt werden können. Viele Unternehmen arbeiten damit bereits und nutzen das bereits. „Jede große Bank und viele andere Konzerne machen etwas mit Blockchain und die meisten nutzen Ethereum“, sagt Vogelsteller.
Ein zu Innogy gehörendes Start-up nutzt Ethereum beispielsweise auch schon, um die Zahlung von Elektroautos an Ladesäulen abzuwickeln. Allerdings sind durch die Kursanstiege auch die Kosten dafür extrem in die Höhe geschnellt. Auch Bitcoin ist so ein Opfer des eigenen Erfolges. Denn ursprünglich war die Währung dafür gedacht, grenzüberschreitende Zahlungen einfacher und günstiger zu machen. Doch inzwischen werden pro Transaktion umgerechnet bis zu 50 Dollar fällig. Zudem ist das Netzwerk sehr langsam geworden und kommt nicht mehr hinterher, die Transaktionen zu bearbeiten. Die Bitcoinentwickler streiten darum, ob man nicht die Größe der Blocks in der Kette erhöht, damit dort mehr Transaktionen gespeichert werden können. „Selbst wenn man die Größe der Bitcoin-Blocks verdoppelt, dauert es nicht lange und das Netzwerk ist auch voll“, sagt Vogelsteller. Man müsste sie eigentlich verhundert- oder vertausendfachen. Ethereum hat ähnliche Probleme und arbeitet daher an Verbesserungen.
Die Frage ist noch, ob die rechtzeitig kommen und ausreichen. Oder ob eine neue Kryptowährung das Feld übernimmt. Manche sagen, IOTA könnte das sein. Denn die Berliner setzen auf ein etwas anderes technisches Konzept, eine Art Blockchain ohne Blocks. Kritiker halten das wiederum für nicht sicher genug. „Die ganze Technologie steht noch ganz am Anfang“, sagt Vogelsteller. Er vergleicht es mit Autos: Die ersten waren langsam und laut, durchgesetzt haben sie sich trotzdem. Ob nun der Bitcoin crasht oder nicht, sei egal, die Blockchain-Technologie werde bleiben.