Airbnb ohne Airbnb: Wie Konzerne die Blockchain nutzen
Die Technologie hinter dem Bitcoin elektrisiert Unternehmen. Die Blockchain ermöglicht eine Sharing Economy ohne vermittelnde Plattformen.
Wer am Ladesäulennetz des Start-ups Motionwerk sein Elektroauto auftankt, nutzt dabei die Blockchain und merkt es wahrscheinlich nicht einmal. „Die Technologie ermöglicht eine direkte, sichere Abrechnung zwischen zwei Parteien, die sich vorher nicht kannten“, sagt Gründer Dietrich Sümmermann. Mehr als 1200 Ladesäulen hat er so zusammengeschlossen. Der Großteil stammt vom Energieriesen Innogy, der auch die Mehrheit an Motionwerk hält. Doch zusätzlich können auch Privatnutzer ihre Ladesäulen anschließen und teilen. Durch die Blockchain funktioniert die Bezahlung und Abrechnung dabei ganz einfach.
Sharing Economy ohne vermittelnde Plattform
Denn die Technologie, die auch hinter der Digitalwährung Bitcoin steht, ist eigentlich nichts anderes als ein dezentrales Kassenbuch. Es liegt in unzähligen Kopien auf den Rechnern aller Teilnehmer, die auch Ladesäulen oder Smartphones sein können. Da Transaktionen dort überall parallel gespeichert werden, können sie nicht manipuliert werden. „Bisher stehen bei der Sharing Economy immer Plattformen wie Airbnb oder Uber dazwischen. Doch wie geht es ohne?“, fragt Jörg Hönemann, Mobilitätsexperte bei der Beratung EY. Die Antwort gibt er gleich selbst: Blockchain lautet sie, na klar.
Denn das Grundproblem bei Geschäften zwischen Fremden ist Vertrauen. Bisher stellen das die Plattformen als Vermittler her, doch die könnten künftig in dezentralen Netzen wegfallen. Denn bei neueren Blockchains wie Ethereum lassen sich smart contracts einprogrammieren, intelligente Verträge, die automatisch Zahlungen leisten. Genau das setzt auch Motionwerk für die Ladestationen ein. „Bei der Abrechnung wird dadurch kein Vermittler benötigt“, sagt Sümmermann. Entwickelt hat er die Technologie unter anderem mit dem Start-up Slock.it, einem deutschen Vorreiter der Blockchain-Technologie. In den nächsten Jahren werden unzählige Anwendungen darüber laufen, prophezeit Slock.it-Manager Steffen Kux. „So muss ein Fahrzeug, das autonom fährt auch autonom bezahlen können.“
SAP oder Lufthansa testen Blockchain
Neben Start-ups experimentieren auch viele Großunternehmen mit der Technologie – und längst nicht nur Banken und Finanzunternehmen. Die Beratung EY hat ihre Technik gerade fertiggestellt, der erste Test soll demnächst mit einem asiatischen Kunden aus der Automobilbranche starten. SAP entwickelt mit etwa 15 Kunden Lösungen, darunter der Kartenhersteller Here und die Beratungen Deloitte und Capgemini. Anwendungsszenarien gibt es viele. „So können Zeugnisse und andere Zertifikate fälschungssicher gemacht werden, indem ein Eintrag in der Blockchain die Echtheit nachweist“, sagt Torsten Zube, der bei SAP im Innovation Center die Blockchain-Projekte leitet. Die Technologie hat SAP schon entwickelt und testet sie für die eigenen Online-Kurse.
Die Lufthansa kooperiert mit dem Blockchain-Start-up Winding Tree, das Unternehmen einen neuen Marktplatz für Flüge, Hotels und andere Reisedienstleistungen anbieten will. Die Airline will das Vorhaben sogar durch den Kauf der neuen Kryptowährung Líf unterstützen, die ab 1. November herausgegeben werden soll. Solche neuen Digitalwährungen erleben gerade einen enormen Boom: Allein die fünf erfolgreichsten Kryptobörsengänge im September haben zusammen fast eine halbe Milliarde Dollar eingespielt. Manche Anleger machen enorme Gewinne, dass lockt allerdings auch zahlreiche Glücksritter.
Transaktionen via Blockchain sind zu teuer
Doch bei aller Euphorie gibt es auch noch Schwierigkeiten mit Blockchains. „Derzeit sind sie noch zu langsam und zu teuer“, sagt Kux. Denn während der Kreditkartenkonzern Visa pro Sekunde 2000 Transaktionen abwickelt, sind es bei der Blockchain nur bis zu 20. Zudem leiden Unternehmen wie Motionwerk unter dem Preisanstieg von Ethereum: „Bei einigen Transaktionen überschreiten wir die Marke von einem Euro“, sagt Sümmermann.
Das Interesse an der Blockchain bremst das aber nicht. „Wir bekommen derzeit sehr viele Anfragen“, sagt SAP-Manager Zube. Oft gibt es auch die Situation, dass sich Kunden melden und auch gern irgendwas mit Blockchain machen wollen. Doch die Experten erklären dann, dass sich das spezifische Problem eigentlich ohne die Blockchain besser lösen lasse.