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Jeder beschwert sich über die Bahn. Wer aber soll für die Lösung der Probleme zahlen?
© Christoph Soeder/dpa

Nach Krisensitzung des Aufsichtsrats: Die Bahn sollte uns Steuerzahlern mehr wert sein

Eine ärgerliche Geschichte aus dem Bahn-Alltag kann jeder Kunde erzählen. Das ist nicht nur für den Konzern peinlich, sondern auch für die Eigentümer. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Henrik Mortsiefer

Wenn Grünen-Chefin Annalena Baerbock ihre Kinder auf dem Bahnsteig zurücklassen muss oder Jan Böhmermann einen Sonderhalt bekommt, weil er im falschen Zug sitzt, dann ist der da, der Skandal. Die Deutsche Bahn hat es wieder einmal verbockt. Dabei wissen Bahnkunden auch ohne Promi-News, dass Einiges schief läuft beim Schienenkonzern. Der Aufsichtsrat hat sich am Donnerstag und Freitag auch damit beschäftigt, dass inzwischen jeder Geschichten erzählen kann: von verspäteten ICEs, kaputten Toiletten, patzigen Kontrolleuren und kalter Küche im Bord-Bistro.

Es müsste einem als Bürger und Steuerzahler eigentlich peinlich sein, wie das größte bundeseigene Unternehmen – dessen Eigentümer wir gewissermaßen alle sind – Tag für Tag in die negativen Schlagzeilen fährt. Trösten kann man sich damit, dass Bahnfahren in England oder Frankreich auch keine Freude ist. Aber warum läuft es in der Schweiz oder in Japan so perfekt? Und warum läuft es bei der Deutschen Bahn so mies?

Das System Schiene eignet sich nicht für simple Erklärungen. Eine davon lautet: Es fehlt nur an Geld. Vielmehr hängt alles mit allem zusammen bei einem so komplexen Verkehrsträger, der jeden Tag zehn Millionen Menschen transportiert und 33.000 Kilometer Schiene befährt.

Die Deutsche Bahn ist ein politischer Konzern, der von den (Fehl-)Entscheidungen und Interessen seines Eigentümers abhängt – und, ja, auch von dessen Geld. Nicht zuletzt ist sie aber selbst ein kleiner Staat im Staate, mit Missmanagement, Eitelkeit und sehr viel Bürokratie. Ein Konglomerat aus Technik, Menschen und Organisationen zu managen, kann schief gehen, ist oft schief gegangen. Der Vorstand selbst hat die Ineffizienz in der Bahn-Führung kürzlich angeprangert.

Den Staat mit 100 Prozent im Rücken zu haben, kann in dieser Situation ein Vorteil sein. Denn am Ende geht es um ein volkswirtschaftliches Ziel und Daseinsfürsorge. Darum, dass der Eigentümer Staat weiß, was er will: Einen schnellen, preiswerten, kunden- und umweltfreundlichen Verkehrsträger. Doch die Verkehrsminister hatten andere Ziele. Sie haben die Straßen ausgebaut und überproportional subventioniert, sie haben den Lkw-Verkehr laufen und die Güterbahn hängen lassen, sie haben Bahn-Chefs ausgewechselt und mit ihnen die Strategie.

Der Investitionsstau soll sich auf 50 Milliarden Euro belaufen

Nun, angesichts größer werdender Probleme, scheint endlich ein Kurswechsel möglich. Im Koalitionsvertrag haben SPD und Union die Grundlagen für eine neue Bahnpolitik gelegt. Die Chancen dafür standen auch nie besser. Denn das Diesel-Drama führt vor Augen, dass die Straße kein Königsweg ist. Fast tragisch, dass die Bahn so wenig Kapital daraus schlagen und ihr Gegenmodell präsentieren konnte. Spät, aber immerhin, kommt nun niemand mehr an der Erkenntnis vorbei: Die Bahn braucht von allem mehr – Personal, Züge und Infrastruktur.

Womit wir beim Geld wären. Bei Schulden von 20 Milliarden Euro sind die Ressourcen endlich und das Geschäft der Bahn wirft zu wenig ab. Die Rede ist von einem Investitionsstau von 50 Milliarden Euro. Neue Züge, die Modernisierung und Digitalisierung des Netzes, der Deutschlandtakt – all das muss den Bund zusätzlich fordern, also: uns Steuerzahler. Der Verkehrshaushalt hat noch eine verdächtige Schieflage zu Gunsten der Straße. Die Bahn sollte uns mehr wert sein. Schließlich wollen wir am Ende im Zug sitzen und nicht am Bahnsteig zurückbleiben.

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