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Athene in den Fluten. Aus eigener Kraft wird sich Griechenland womöglich niemals sanieren – und im Schuldenmeer versinken. Europa muss entweder über Jahre immer neue Hilfspakete schnüren oder über Alternativen nachdenken. Bislang gilt eine Pleite als Tabu.
© Anikka Bauer, AFP; Montage: Thomas Mika

Europa in Not: Die Alternativen zum Rettungsschirm

Ohne neue Milliarden aus Deutschland geht Athen pleite, warnt die Bundesregierung. Doch es gibt andere Wege – Europa hat die Wahl der Qual.

Über die Zukunft der deutschen Staatsfinanzen verliert die Regierung kaum Worte. Knapp zwei Seiten Erläuterung zum Gesetzentwurf 17/6916 müssen reichen, um den Abgeordneten zu erklären, warum sie kommenden Donnerstag frisches Geld für die Euro-Rettung bewilligen sollen. Fast schon zugeknöpft geben sich Angela Merkel und die Ihren beim entscheidenden Passus auf Seite zwei unter Punkt C. „Alternativen: Keine“, heißt es dort lapidar.

Da ist es wieder, das politische Schlagwort dieser Krise: alternativlos. Mit Engelszungen werben die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister dieser Tage dafür, den Rettungsschirm EFSF von heute 440 auf 780 Milliarden Euro aufzustocken. Eigentlich hatte Merkel die Vokabel „alternativlos“ meiden wollen, nachdem sie sogar zum Unwort des Jahres gekürt worden war. „Unerlässlich“ oder „unumgänglich“ nannte sie das Einheitsgeld ersatzweise. Nun wieder „alternativlos“.

Dabei stimmt das nicht. Eine ganze Reihe von Alternativen liegt auf dem Tisch, mit denen Griechenland zu retten wäre. Umstritten sind sie alle, extrem teuer überdies – und welche Variante die beste ist, weiß auch niemand genau.

ALTERNATIVE EINS: RETTEN FÜR IMMER 

Die Griechen ächzen unter der Last von Sparpaketen und Steuererhöhungen. Geld gegen Reformen, das ist die Strategie der Europäer. Der Druck wirkt: Zum ersten Mal seit langem kommen die Strukturen im Land auf den Prüfstand.

Womöglich ist für die Griechen aber nur noch ein Pyrrhussieg drin. Trotz immer neuer Sparpakete steigen die Schulden weiter, jeder Einschnitt bremst die Wirtschaft und sorgt für noch höhere Defizite. Das Land muss über Jahre enorme Überschüsse erwirtschaften und zugleich ein sehr respektables Wachstum, haben Ökonomen am Kieler Institut für Weltwirtschaft ausgerechnet. Gelungen ist das in den vergangenen Jahrzehnten in Europa niemandem. Mit anderen Worten: Athen hat nur eine theoretische Chance, der Schuldenfalle zu entkommen.

Das bedeutet zugleich, dass mit jedem neuen Hilfspaket die Forderungen der Banken und Fonds allmählich an die Steuerzahler übergehen. Irgendwann lägen die gesamten Verbindlichkeiten Athens von 350 Milliarden Euro bei den Finanzministern – und die Anleger wären das Risiko einer Staatspleite los. Auf Jahre müssten sich die Griechen vom Ausland ihre Finanzpolitik diktieren lassen, müssten sich die Geldgeber daheim rechtfertigen, dass sie lieber in den Euro investieren statt in Schulen und Kitas. Und die Europäische Zentralbank würde mit ihren ständigen Anleihekäufen die Stabilität des Geldes aufs Spiel setzen. Immerhin: Diese Variante könnte sich als recht billig erweisen. Zumindest, solange die Probleme nicht auf Italien, Spanien und andere Länder übergreifen. Deren Schuld beläuft sich auf 2,6 Billionen Euro – für derartige Summen kann kein Retter geradestehen.

Einfach pleite gehen lassen, aus der Währungsunion werfen oder doch lieber Eurobonds einführen? Lesen Sie weiter auf Seite 2.

ALTERNATIVE ZWEI: DIE PLEITE

Demonstrationen, Streiks von Taxifahrern, Lokführern und Fluglotsen, womöglich bald Unruhen – die innenpolitische Lage Griechenlands ist angespannt. Vielleicht streckt die Regierung bald die Waffen – oder die Europäer verlieren die Geduld. Dann kommt es zu einer unkontrollierten Pleite: Vom einen auf den anderen Tag stellen die Griechen die Zinszahlungen ein. Die heimischen Banken sind am Ende, weil sie Kredite an den Staat abschreiben müssen, für die Wirtschaft wird es brenzlig. Die Turbulenzen wirken sich bis nach Asien und Amerika aus, weil die Banken einander misstrauen und der Geldfluss einfriert – wie einst bei Lehman. Von ihren Krediten sehen Deutschland und die anderen Länder keinen Cent wieder.

Doch so muss es nicht kommen – wenn Griechenland und seinen Gläubigern eine kontrollierte Insolvenz gelingt. Banken und Investoren könnten sich in Verhandlungen darauf einigen, auf zwei Drittel der Forderungen oder mehr zu verzichten. Dann vergrößerte sich Athens Spielraum auf einen Schlag. Fachleute halten die Auswirkungen auf die Geldbranche für überschaubar, immerhin hatten die Institute anderthalb Jahre Zeit, sich auf ein solches Szenario einzustellen. Einige Banken müssten aber von ihren Regierungen gerettet werden. Vor allem in Spanien, Irland, Italien, Portugal und natürlich Griechenland. Auf 150 Milliarden Euro schätzt der Genfer Ökonom Harald Hau den Geldbedarf der Branche. Im Gegenzug bekämen die Staaten Anteile an den Instituten, die sie später mit Gewinn verkaufen könnten. Noch schwerer wöge, dass Risiko und Haftung wieder zusammenkämen. Die Besitzer der Banken müssten bluten – nicht die Steuerzahler.

Unklar ist aber, ob sich eine Staatspleite tatsächlich kontrollieren lässt. Oder ob sie sich ausbreitet, etwa mittels Kreditausfallversicherungen, die bei Staatspleiten fällig würden. „Ein Restrisiko bleibt“, sagt Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

ALTERNATIVE DREI: EURO-BONDS

Der eine trage des anderen Last – das ist die Idee der gemeinsamen Staatsanleihen, mit denen Länder wie Griechenland ihre Zinslast senken können. Doch für die Lösung der aktuellen Krise taugen Euro-Bonds nicht. Ein umfangreicher Stabilitätspakt müsste vereinbart werden, damit die Schuldenländer ihre Sparbemühungen nicht einstellen und auf Dauer den AAA-Ländern auf der Tasche liegen. Dabei müsste es Automatismen geben, die kein Politiker aushebeln kann. Das funktioniert wohl nur, wenn die Euro-Staaten wichtige Politikfelder vergemeinschaften. Die Verhandlungen über derart umfangreiche Reformen würden eher Jahre als Monate in Anspruch nehmen – so lange müsste Europa bei seiner Politik der Hilfspakete bleiben. „Euro-Bonds wären eine kurzfristige Scheinlösung“, findet Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel.

ALTERNATIVE VIER: RAUSWURF

So hätte es CSU-Chef Horst Seehofer gern:  Sollen die Griechen doch ihre Drachme wieder einführen, wenn sie sich des Euros nicht würdig erweisen. Das neue, billige Geld würde dem Export nützen. Aber Turbulenzen wären garantiert: Die Bürger würden ihr Geld aus Angst vor Kaufkraftverlust ins Ausland schaffen, die Schulden würden die griechischen Firmen, Banken und den Staat erdrücken, weil ihre Kredite auf Euro lauten. Um neue Hilfen kämen die Europäer kaum herum. Die Auswirkungen der Pleite auf die internationale Finanzwelt sind überdies schwer kalkulierbar – Erfahrungen mit einem solchen Schritt gibt es nicht.

Carsten Brönstrup

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