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Stürmische Zeiten. Ein Blitz nahe der Athener Akropolis. Die griechische Regierung muss immer neue Rückschläge im Kampf gegen die Pleite offenbaren.
© dapd
Update

Euro-Schuldenkrise: Griechenland-Pleite wird denkbar

Finanzminister Schäuble verliert das Vertrauen in die Zusagen der Athener Regierung und lässt einen Plan B erarbeiten. Darin soll der Euro-Rettungsfonds befürchtete Kettenreaktionen an den Finanzmärkten und Bankenpleiten verhindern.

Eine Pleite Griechenlands ist in der Bundesregierung kein Tabu mehr. „Wenn Griechenland seine Zusagen nicht erfüllt, müssen wir vorbereitet sein“, hieß es am Wochenende in Regierungskreisen. Im Finanzministerium lasse Wolfgang Schäuble (CDU) daher Szenarien erarbeiten, was geschieht, wenn Griechenland die Zusagen gegenüber den Geldgebern aus den Euro-Staaten und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht erfüllt. Inoffiziell wurde damit ein Bericht des „Spiegel“ bestätigt.

Offiziell sagte ein Sprecher des Finanzministeriums zu den Planspielen lediglich: „Wir arbeiten intensiv an Plan A.“ Gemeint ist, dass sich Griechenland mit der Troika aus Inspektoren der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des IWF verständigt und die nächsten Kredite planmäßig fließen. „Darüber hinausgehende Spekulationen sind zwecklos“, sagte der Sprecher.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) schloss auch eine geordnete Insolvenz Griechenlands zur Rettung des angeschlagenen Euros nicht mehr aus. „Um den Euro zu stabilisieren, darf es auch kurzfristig keine Denkverbote mehr geben“, schrieb Rösler in einem Gastbeitrag für die „Welt“. Eine Staatspleite Griechenlands ist in der Euro-Zone demnach kein Tabu mehr. Hinter den Regierungs-Kulissen wird immer offener über einen Zahlungsstopp gesprochen. Eine zentrale Rolle, bei der Beherrschung eines möglichen Bankrotts, stellt der Euro-Rettungsschim EFSF dar, der mit seinen neuen Instrumenten eine fatale Kettenreaktion in der Euro-Zone verhindern solle.

Zur Abwehr weiterer milliardenschwerer Hilfszusagen wollen Kritiker aus der FDP nun mit einem Mitgliederentscheid die Basis mobilisieren. „Unbefristete Rettungsmaßnahmen, bei denen Deutschland für Schulden anderer europäischer Staaten haftet, kommen für die FDP nicht infrage“, heißt es im vorgesehenen Abstimmungstext. Ausweitungen und Verlängerungen der Rettungsschirme, gemeinsame Anleihen der Euro-Länder (Eurobonds) und der geplante dauerhafte Stabilitätsmechanismus (ESM) seien abzulehnen. Die FDP-Spitze reagierte gelassen auf die Ankündigung. Ein Entscheid würde selbstverständlich organisatorisch konstruktiv begleitet, „wenn die Voraussetzungen unserer Satzung erfüllt sind“, sagte Generalsekretär Christian Lindner. „Das ist gegenwärtig nicht abzusehen“. „Wir sind uns alle einig, dass Europa eine Stabilitätsunion und keine Schuldenunion werden soll“, so Lindner weiter.  

Die griechische Regierung stemmt sich weiter gegen eine Insolvenz und versprach, Sparauflagen zu erfüllen. Allerdings bricht ihr die wirtschaftliche Basis weg: Die Rezession ist noch viel tiefer als bisher erwartet worden war. Nach einer neuen Prognose der Regierung in Athen wird die Wirtschaft dieses Jahr um über fünf Prozent schrumpfen, bisher waren lediglich minus 3,8 Prozent erwartet worden. Weil die Regierung die Vorgaben nicht einhalten kann, liegt die Auszahlung der sechsten Tranche über acht Milliarden Euro derzeit auf Eis.

“Griechenland weiß, dass die Auszahlung der Kredite davon abhängt, dass es seine Auflagen erfüllt“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel dem “Tagesspiegel am Sonntag.“ Sie mahnte aber auch zur Geduld: “Was über Jahre versäumt wurde, kann nicht über Nacht behoben werden.“ Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou versprach in einer von gewaltsamen Protesten begleiteten Rede, die Anstrengungen gegen die weit verbreitete Steuerflucht zu verdoppeln. Er werde mit allen Mitteln für einen Verbleib in der Euro-Zone kämpfen: “Unsere oberste Priorität ist ein sicherer Kurs, um das Land vor dem Bankrott zu retten.“ Ob das noch gelingen kann, scheint allerdings fraglicher denn je.

Die Bundesregierung verabschiede sich wegen der neuen Möglichkeiten des EFSF und der wachsenden Zweifel an der Reformfähigkeit der Griechen von ihrer bisherigen Maxime, das Land auf keinen Fall pleite gehen zu lassen. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte: “Alles was hilft, den Euro insgesamt zu retten, darf kein Tabu sein.“ Ein Pleiteszenario setze ein geordnetes Verfahren für eine Staatsinsolvenz voraus. Dazu müsse der geplante dauerhafte Euro-Schirm ESM weiterentwickelt werden. Die Planspiele für den Tag X seien im Finanzministerium und im EU-Apparat längst angelaufen. Durchgespielt würden die beiden Varianten, dass Griechenland nach einer Pleite in der Euro-Zone bleibe oder nicht.

Die Folgen einer Pleite gelten in der Bundesregierung bisher als nicht überschaubar, weshalb Merkel mehrfach solche Pläne strikt abgelehnt hatte. In der Koalition schwindet allerdings die Geduld mit den Griechen. Auch die CSU will den Ausstieg von Mitgliedsländern aus der Euro-Zone nicht mehr ausschließen. “Euro-Staaten, die sich nicht an die gemeinsamen Regeln der Haushaltsdisziplin halten und dadurch sich und die Währungsunion in Schwierigkeiten bringen, müssen damit rechnen, die Währungsunion verlassen zu müssen“, heißt es in einem Leitantrag für den nächsten CSU-Parteitag, den der CSU-Vorstand am Montag beschließen will. Überschuldete Staaten müssten damit rechnen, die Währungsunion verlassen zu müssen, heißt es weiter. Die CSU pocht dabei auf Einhaltung der Stabilitätskriterien und lehnt Eurobonds ab. In der schwarz-gelben Koalition bekommt der Streit um den deutschen Kurs bei der Euro-Rettung damit zusätzlichen Zündstoff.

Mit Blick auf die am 29. September geplante Bundestags-Abstimmung über eine Erweiterung des jetzigen Rettungsschirms EFSF betonten die Koalitionsspitzen die Erwartung einer klaren eigenen Mehrheit.

Lesen Sie auf Seite zwei: Plan B – Geordnete Insolvenz als letzter Ausweg?

In einem Plan B würde der Euro-Rettungsfonds EFSF zum zentralen Instrument, um eine befürchtete Kettenreaktion an den Finanzmärkten und Bankenpleiten zu verhindern. Der Euro-Rettungsfonds EFSF soll nach den Beschlüssen des Euro-Gipfels vom 21. Juli aufgestockt werden und mehr Kompetenzen erhalten. Dazu zählt der mögliche Ankauf von Staatsanleihen, Not-Kreditlinien und Gelder für die Bankenrettung in anderen gefährdeten Eurostaaten. Für den Fall, dass Griechenland seine Schulden nicht mehr bedienen kann und einen Schuldenschnitt vornehmen muss, sollen so notfalls europäische Banken gestützt und schwächere Euro-Staaten abgeschirmt werden. Um einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone solle es dabei nicht gehen, wurde in Regierungskreisen betont. Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch Schäuble wollten Griechenland im Euro halten.

Mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) schließt erstmals ein Regierungsmitglied eine geordnete Insolvenz Griechenlands nicht mehr aus. „Um den Euro zu stabilisieren, darf es auch kurzfristig keine Denkverbote mehr geben“, schrieb er in einem Beitrag für die „Welt“. Dazu zähle „notfalls auch eine geordnete Insolvenz Griechenlands, wenn die dafür notwendigen Instrumente zur Verfügung stehen“. Bis Ende September sollen die Euro-Staaten der Erweiterung des EFSF zustimmen. Dagegen gibt es in Deutschland nach wie vor Widerstände – vor allem in der Union und der FDP.

Lesen Sie auf Seite drei: Verärgerte Abreise der Troika aus Athen – Wie es in Griechenland weitergeht.

Anders als noch vor Wochen glaubt man im Finanzministerium jetzt offenbar, dass Portugal und Irland, die ebenfalls europäische Hilfen zur Bewältigung ihrer Schuldenkrisen erhalten, inzwischen von den Finanzmärkten besser bewertet werden als Griechenland: Die beiden Staaten erfüllen bisher die Auflagen, die regelmäßig von einer Troika überwacht werden.

Im Fall Griechenland ist dies zum wiederholten Mal nicht der Fall. Vergangene Woche war die Troika verärgert aus Athen abgereist, weil die Griechen wichtige Daten zum Haushalt nicht nennen konnten. Am kommenden Mittwoch sollen die Beratungen allerdings wieder aufgenommen werden. Am Sonntag schlug die griechische Regierung eine neue Immobiliensteuer vor, mit der sie jährlich zwei Milliarden Euro zusätzlich einnehmen will. Diese Summe fehlt derzeit im Haushalt für 2012, um die Zusagen gegenüber den Geldgebern zu erfüllen. Ministerpräsident Giorgos Papandreou sagte am Wochenende, er sei entschlossen, alles zu tun, damit Griechenland ein Euro-Land bleibe.

Schäuble hatte sich vergangene Woche skeptisch gegenüber griechischen Zusagen geäußert. Gegenwärtig seien die Voraussetzungen für eine Auszahlung der im September fälligen nächsten Kredittranche nicht erfüllt, sagte er am Sonnabend nach eine Treffen der G-7-Finanzminister in Marseille. „Es ist völlig klar: Griechenland muss die eingegangenen Verpflichtungen erfüllen“, sagte er. Andernfalls gebe es kein Geld. (HB und mit dpa/Reuters)

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