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Immer mehr Deutsche überschulden sich. Das zeigt der Schuldner-Atlas 2016.
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Schulden-Atlas 2016: Deutsche überschulden sich immer mehr

Deutsche machen immer mehr Schulden. So hoch wie jetzt war die Überschuldungsquote zuletzt vor der Finanzkrise 2008. In Berlin gab es erstmals seit langem weniger Schuldner.

Von Ronja Ringelstein

Ohne Zinsen spart es sich schlecht. Also geben die Menschen mehr aus und kaufen auf Pump ein – mit zinslosen Krediten. Das ist einer der Gründe, warum sich immer mehr Deutsche verschulden. Die Überschuldung von Privatpersonen in Deutschland ist 2016 zum dritten Mal in Folge angestiegen. Das zeigt der Schuldneratlas, den die Auskunftei Creditreform nun vorgestellt hat. Die eher stark verschuldete Berliner Bevölkerung habe sich hingegen verbessert. Dies begründete Unternehmenssprecher Michael Herzog vor allem mit der Zuwanderung in die Hauptstadt. Um die Überschuldungsquote zu ermitteln, wird der Anteil der Verschuldeten zu allen volljährigen Einwohnern in Verhältnis gesetzt. Sie sinkt daher, je mehr zuziehen. Als überschuldet gilt der, der die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit über längere Zeit nicht begleichen kann und dabei weder ein Vermögen, noch Kreditmöglichkeiten hat. Kurz: Wenn die zu leistenden Gesamtausgaben höher sind als die Einnahmen.

Die Schuldnerquote liegt seit 2008 erstmals wieder über 10 Prozent

Im Bundesgebiet sind über 6,8 Millionen, also etwa zehn Prozent der Bürger überschuldet, rund 131 000 mehr als im letzten Jahr. Die Überschuldungsquote steigt also deutlich an, obwohl die Gesamtbevölkerung ebenfalls zunimmt. „Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie der Arbeitsmarkt, die Einkommen und das Konjunkturklima sind positiv. In Anbetracht dieser Entwicklungen ist die steigende Verschuldung negativ“, sagte Herzog.

Die Quote liegt erstmals seit 2008 wieder über der Zehn-Prozent-Marke und erreicht fast das Niveau, das zu Beginn der Finanzkrise 2008 (10,11 Prozent) gemessen wurde. In nur drei Bundesländern nimmt sie ab. Neben Berlin sind das Bremen und Saarland – im Bundesschnitt stehen allerdings alle drei immer noch schlecht da. Hauptauslöser für die Verschuldung sind neben Arbeitslosigkeit und Einkommensarmut, vor allem Erkrankungen, Sucht, Unfälle und gescheiterte Immobilienfinanzierungen.

Zehlendorf ist Spitzenreiter, Wedding Schlusslicht: hier wohnen am meisten Schuldner in Berlin.
Zehlendorf ist Spitzenreiter, Wedding Schlusslicht: hier wohnen am meisten Schuldner in Berlin.
© Fabian Bartel/Tsp

In Berlin sind 373.221 Menschen überschuldet, knapp 3000 Menschen weniger als 2015. Trotzdem kann noch immer etwa jeder achte Berliner damit seinen Zahlungsverpflichtungen auf absehbare Zeit nicht nachkommen. Berlins Verschuldensquote liegt bei 12,74 Prozent. Creditreform unterscheidet harte und weiche Überschuldungsmerkmale. Hart sind solche, die bereits gerichtlich erfasst sind, etwa wenn der Verbraucher einen Antrag auf Privatinsolvenz gestellt hat. Als weich gelten Mahn- und Inkassofälle, die (noch) nicht gerichtlich, aber von Creditreform bereits erfasst sind. Mithilfe der Schuldnerquote könne die geografische Überschuldung bis auf die Ebene von Straßenabschnitten genau festgestellt werden. Die Zahlen seien repräsentativ, sagte Herzog.

Insgesamt ging die Überschuldung in allen Bezirken zurück

In Berlin sind die meisten Schuldner hart überschuldet. Seit 2006 ist ihre Zahl um 22.000 gestiegen – das ist ein Plus von knapp elf Prozent. Die ansteigenden Realeinkommen hätten diese Personen offenbar nicht erreicht, sondern sie zusammen mit günstigen Kreditkonditionen sogar zu höheren kreditfinanzierten Konsumausgaben veranlasst. Besonders in Weißensee, Treptow, Friedrichshain und Mitte lag der Anstieg der harten Überschuldungsmerkmale deutlich über Berliner Durchschnitt. Insgesamt aber ist die Überschuldung in allen Bezirken zurückgegangen. Den stärksten Rückgang verzeichnete Zehlendorf, das zusammen mit Wilmersdorf ohnehin der Bezirk mit am wenigsten Schuldnern ist.

Auch nach Alter und Geschlecht werden die Schuldner unterteilt. Grob gesagt holen Frauen bei den Schulden auf, dennoch ist die Quote der männlichen Berliner etwa doppelt so hoch wie die der weiblichen. Im insgesamt hochverschuldeten Wedding steht sogar ein knappes Viertel der männlichen Einwohner in der Kreide. In Kreuzberg sind rund 20 Prozent der Männer verschuldet, aber nur knapp acht Prozent der Frauen. Auch „das Thema Altersüberschuldung bleibt ein brisantes“, sagte Herzog. Jungen Menschen gelänge es vermutlich eher, einer Überschuldungsspirale zu entkommen und die Schuldenhöhe habe noch nicht die Intensität wie bei den älteren erreicht. Fast elf Prozent der 60- bis 69-Jährigen Berliner sind verschuldet. Vor allem aber bundesweit sei der Trend der steigenden Altersverschuldung zu erkennen und in Zusammenhang mit der Altersarmut ein wachsendes Problem.

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