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Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD).
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Update

Nach Rentengipfel im Kanzleramt: Nahles will Rentenniveau bis 2045 auf 46 Prozent halten

Sozialministerin Nahles hat ihr Konzept zur Rente vorgelegt. Mit Steuerzuschüssen will sie ein Absinken des Rentenniveaus nach 2030 verhindern. Über die Reformdetails, auf die sich die Koalition am Abend zuvor geeinigt hat, zeigte sie sich enttäuscht.

Sozialministerin Andrea Nahles will das Rentenniveau bis 2045 auf 46 Prozent halten. Gleichzeitig solle der Beitragssatz solle in diesem Zeitraum nicht über 25 Prozent steigen, kündigte sie an. Beides ist Teil ihres langfristigen Rentenkonzepts, das die SPD-Politikerin am Freitag in Berlin vorstellte.

Wenn nichts geschehe, werde das Rentenniveau voraussichtlich auf 41,7 Prozent fallen, sagte Nahles. Daher wolle sie diese "doppelte Haltelinie" einziehen. Gleichzeitig zeigte sich Nahles enttäuscht über die Ergebnisse des Rentengipfels mit der Union vom Vorabend. Bei der strittigen Frage des künftigen Rentenniveaus und der Beitragssätze erzielten Union und SPD keine Einigkeit. "Es ist gestern eine Chance verpasst worden", sagte Nahles dazu.

Ihr Rentenkonzept habe drei zentrale Ziele, betonte die Ministerin: die Hauptursachen für Altersarmut beseitigen, den Lebensstandard möglichst halten sowie eine nachhaltige und gerecht finanzierte Rente gewährleisten. Für Geringverdiener schlug sie eine „gesetzliche Solidarrente“ vor. Wer 35 Jahre Beiträge geleistet habe, solle eine Rente erhalten, die um zehn Prozent über dem Betrag liege, der ansonsten für Bedürftige als Grundsicherung gezahlt werde.

Die CSU will das Thema in ihr Programm zur Bundestagswahl schreiben

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hatte sich unmittelbar zuvor gegen einen Wahlkampf rund um die Alterssicherung gewandt. Angesichts der Beschlüsse sehe er nun keine Notwendigkeit, einen Rentenwahlkampf zu führen.  Allerdings deutete CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt an, dass ihre Partei die von ihr geforderte Nachbesserung bei der Mütterrente im Wahlkampf thematisieren wolle.

Zuvor wurde bei einem Rententreffen der Koalitionsspitze am Donnerstagabend beschlossen, dass die Renten in Ost- und Westdeutschland bis 2025 vollständig angeglichen werden sollen. Dann soll auch die Höherwertung der Ostlöhne bei der Rente vollständig abgeschmolzen sein. Und: Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen früher aus dem Job aussteigen müssen und Erwerbsminderungsrente bekommen, sollen bessergestellt werden.

Die Ost-West-Angleichung soll Anfang 2018 beginnen. Die Renten für Menschen mit geminderter Erwerbsfähigkeit sollen künftig so berechnet werden, als ob sie bis 65 Jahre gearbeitet hätten, nicht wie heute bis 62. Die Verbesserungen sollen im Zeitraum zwischen 2018 und 2024 erfolgen. Die bestehenden Abschläge bleiben unverändert.

Die Koalition will zudem die betriebliche Altersvorsorge stärken. Der entsprechende Gesetzentwurf soll zügig in den Bundestag eingebracht und verabschiedet werden. Für die im Koalitionsvertrag vereinbarte solidarische Lebensleistungsrente sollen weiterhin unterschiedliche Modelle geprüft werden. Nahles will auch Selbstständige, die nicht in anderen Versorgungseinrichtungen pflichtversichert sind, dazu verpflichten, in die gesetzliche Rentenkasse einzuzahlen. Dazu verlautete am Abend nichts.

„Insofern sehe ich kein großes Kampfpotenzial bei der Rente"

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zeigte sich zufrieden mit der Einigung bei den Ost-West-Renten. Diese sei "fair und gut tragbar", sagte er - für Rentner wie Arbeitnehmer. Auch die Verbesserungen für Erwerbsgeminderte seien "ein sehr schöner Erfolg". Enttäuscht zeigte er sich darüber, dass die Union dem SPD-Konzept einer "doppelten Haltelinie" bei Rentenniveau und Beiträgen nicht zugestimmt habe. "Darum werden wir weiter kämpfen.“

Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU) wies nach der Einigungden Vorwurf zurück, dass die Koalition ihre eigenen Ziele nicht erfülle. „Das Entscheidende war, dass wir in dieser Legislatur aufzeigen, wie wir schrittweise zu dieser Angleichung kommen“, sagte er am Freitag im Deutschlandfunk. Es sei eine „gute Nachricht, dass wir jetzt schrittweise die Angleichung der Systeme zwischen West und Ost nach dann über 30 Jahren haben werden“.

Der CDU-Rentenexperte Peter Weiß zeigte sich enttäuscht über die Ergebnisse bei der Erwerbsminderungsrente. „Hier könnte man mutiger vorangehen“, sagte der Chef der Arbeitnehmergruppe in der Unionsfraktion. Allerdings sei es gut, dass es nun überhaupt weitere Verbesserungen für die Betroffenen geben solle. Positiv reagierte Weiß auf die Pläne zur Angleichung der Ostrenten.

Linke will Aufwertung der Ostlöhne trotz Rentenangleichung beibehalten

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte, die Koalition habe es einmal mehr versäumt, die Rente armutsfest zu machen. FDP-Chef Christian Lindner kritisierte, Union und SPD belasteten mit ihrer Rentenpolitik zusehends die nachkommenden Generationen. „Eine Rentenpolitik, die nur für eine Generation funktioniert und die Frage der Finanzierbarkeit nicht beantwortet, treibt einen Keil zwischen die Generationen“, sagte Lindner.

Bei der geplanten Angleichung der Ostrenten verlangte der Rentenexperte der Linksfraktion, Matthias Birkwald, die bisherige Aufwertung der Ostlöhne für die Rente so lange beizubehalten, bis die Löhne "annähernd ausgeglichen" seien. Momentan lägen sie bei Vollzeitbeschäftigten im Osten durchschnittlich um 24 Prozent unter denen des Westens. Wenn die Aufwertung gestrichen werde, drohten den Arbeitnehmern im Osten im Alter "dramatisch niedrigere Renten", warnte Birkwald. Dazu dürfe es nicht kommen.

Bei den Erwerbsminderungsrenten kritisierte der Linken-Experte, dass die geplanten Änderungen bei den Zurechnungszeiten erst in ferner Zukunft wirkten. Die Betroffenen benötigten aber schon jetzt dringend Verbesserungen. Birkwald forderte die Streichung der bisherigen Abschläge für Erwerbsgeminderte von im Schnitt knapp 76 Euro. Gleichzeitig forderte er eine einkommens- und vermögensgeprüfte Mindestrente von monatlich 1050 Euro netto sowie ein garantiertes Rentenniveau von mindestens 53 Prozent.

Die Grünen sehen mit dem Konzept der Sozialministerin den Rentenwahlkampf eröffnet. "Frau Nahles hat sich den Rock der SPD-Generalsekretärin übergezogen, um finanziell nicht hinterlegte Milliardenversprechen auszurollen", sagte ihr Fraktionsexperte Markus Kurth. Gleichzeitig sei "klar, dass die Große Koalition keine wesentliche Weiterentwicklung der Rentenversicherung in dieser Wahlperiode zustande bringen wird".

Arbeitgeber: „Es ist bemerkenswert, wie die große Koalition dem Populismus trotzt"

Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Oliver Zander, zeigte sich dagegen grundsätzlich zufrieden mit den Entscheidungen. „Es ist bemerkenswert, wie die große Koalition dem Populismus trotzt und versucht, Ruhe in das komplizierte Thema Rente zu bringen“, sagte er der dpa. „Entscheidungen, die jahrzehntelang wirken und die viele Milliarden Euro kosten, sind mit Bedacht zu treffen. Das scheint hoffentlich die neue Linie zu sein.“ Die Pläne zur Stärkung der Betriebsrenten begrüße der Verband ausdrücklich.

Bereits bisher stiegen die Ostrenten in der Regel stärker als jene im Westen. So reduzierte sich der Ost-West-Abstand mit der Rentenerhöhung zum 1. Juli von 7,4 Prozent im zweiten Halbjahr 2015 auf 5,9 Prozent im zweiten Halbjahr 2016. Der Rentenwert - die monatliche Rente für ein Jahr Beschäftigung mit Durchschnittslohn - liegt im Osten aber immer noch nur bei 28,66 - im Westen bei 30,45 Euro. Das Ostniveau macht derzeit 94,1 Prozent des Westniveaus aus. (mit dpa)

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