Abschied von der Wall Street?: Deutsche Bank könnte sich aus US-Geschäft zurückziehen
Die Deutsche Bank soll einen Rückzug aus dem amerikanischen Investmentbanking prüfen. Sie könnte so auch die US-Strafe drücken.
Nichts ist unmöglich. Konzernchef John Cryan scheint sich derzeit alle Optionen offenhalten zu wollen, um die Deutsche Bank zu retten. Immer wieder neue Spekulationen machen die Runde: Erst war von einer möglichen Staatsrettung die Rede, dann von einer Beteiligung der Dax-Konzerne. Auch über einen noch umfangreicheren Stellenabbau und einen Verkauf der Vermögensverwaltung soll bereits gesprochen worden sein. Jetzt wollen Insider erfahren haben, dass die Deutsche Bank sogar den Rückzug von der Wall Street durchspielt. Das Institut rechne gerade durch, ob sich das Geschäft in den USA unter dem Strich noch lohne, sagten zwei mit den Überlegungen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Auch im Aufsichtsrat soll ein solcher Rückzug aus dem US-Investmentbanking bereits Thema gewesen sein.
Die Deutsche Bank steht unter Druck
Allein das über einen kompletten oder teilweisen Ausstieg aus dem US-Geschäft gesprochen wird, zeigt, wie sehr die Führung der Deutschen Bank derzeit unter Druck steht. Deutschlands größtes Geldinstitut verhandelt in den USA gerade über eine Strafe für windige Hypothekengeschäfte aus der Zeit vor Ausbruch der Finanzkrise. 14 Milliarden Dollar fordern die US-Behörden – ein Vielfaches dessen, was das Institut dafür zur Seite gelegt hat. Ein Teilrückzug aus dem US-Geschäft könnte daher die Strafe drücken.
Allerdings ist der Preis, den die Bank dafür zahlt, groß. „Damit würde die Deutsche Bank kein Global Player mehr im Investmentbanking sein“, sagt Ökonom Thomas Mayer, der bis 2012 Chefvolkswirt der Deutschen Bank war.
In den neunziger Jahren ist das Investmentbanking gewachsen
Entschließt sich Bankchef John Cryan tatsächlich für einen Rückzug aus dem US-Geschäft, wäre das eine Kehrtwende. In den neunziger Jahren hat die Deutsche Bank das Investmentbanking bewusst ausgebaut. Anfangs stand dahinter der Wunsch der Konzerne: Sie wollten globale Anleihen begeben und suchten Unterstützung bei internationalen Fusionen und Übernahmen. Die Deutsche Bank kaufte die nötige Kompetenz zu. 1992 übernahm sie das britische Institut Morgan Grenfell, ein paar Jahre später warb sie auf einen Schlag rund 100 US-Investmentbanker von Merrill Lynch ab. Schließlich kaufte sie auch noch die US-Bank Bankers Trust.
Bis zur Finanzkrise schien diese Strategie aufzugehen. Das Investmentbanking ließ die Gewinne in die Höhe schießen. Die Deutsche Bank stieg in die Liga der fünf erfolgreichsten Investmentbanken auf. Doch dieser Erfolg war teuer erkauft, wie sich nun zeigt. In den vergangenen Jahren kosteten Strafen für windige Geschäfte Deutschlands größtes Geldhaus bereits mehr als zwölf Milliarden Euro. Trotzdem hat die Deutsche Bank weiter am Investmentbanking und dem US-Geschäft festgehalten – und zwar auch dann noch, als sich die Konkurrenz längst zurückzog. Cryans Vorgänger an der Spitze des Instituts, Anshu Jain, ist einer der Investmentbanker, die einst von Merrill Lynch zur Deutschen Bank wechselten. Im Rückzug der anderen sah er eine Chance, weiter Marktanteile zu gewinnen. Eine Strategie, die Cryan nun aufgeben könnte.
Bereitet sich die Deutsche Bank auf eine Fusion vor?
Die Frage ist nur: Wie würde es dann für die Deutsche Bank weitergehen? Ökonom Mayer sieht da zwei Möglichkeiten. Zum einen könnte das Institut sich zu einer sogenannten Boutique-Bank entwickeln: Sie könnte weiterhin deutsche Unternehmen in Europa und Asien begleiten, ihnen dort zum Beispiel beim Zahlungsverkehr helfen – würde aber den US-Markt und nicht-deutsche Kunden anderen Banken überlassen. Alternativ könnte die Deutsche Bank sich durch die Aufgabe des US-Geschäfts aber auch auf den Zusammenschluss mit einer amerikanischen Bank vorbereiten. „Das hört sich wild an, ist aber gar nicht so abwegig“, sagt Mayer. Schließlich habe bereits Josef Ackermann als Deutsche-Bank-Chef mit einer Fusion mit der Citibank geliebäugelt. Ein Zusammenschluss mit einem anderen europäischen Geldinstitut hält Mayer dagegen für unwahrscheinlich – ebenso wie eine Fusion mit der Commerzbank. „Aus zwei Schwachen wird nie ein Starker.“